Faxkriminalität. Lücken im Telekommunikationsgesetz machen Bauernfängern die Arbeit leicht.
Nachts um zwei, wenn das Telefonieren am billigsten ist, gehen die Halunken auf Dummenfang. „Kostenlos: Heißeste Erotik im Internet!“, rattert es aus dem Faxgerät. „Bis zu 72 Prozent beim Telefonieren sparen!“ Oder: „Essen Sie fett, bleiben Sie dünn!“
Wer naiv genug ist, die angepriesenen 01908-Faxabruf-Nummern zu wählen, entdeckt den Schaden spätestens auf der nächsten Telefonrechnung. Eine halbe Stunde und länger quillt bisweilen Seite um Seite aus dem Fax – wertlose Allerweltsinformationen für 3,63 Mark pro Minute; 150 Mark für eine Rolle Altpapier.
Der Fleiß der schwarzen Schafe macht inzwischen selbst den Funktionären der traditionell toleranten 0190er-Branche zu schaffen. „Unser Beschwerdeausschuss hat immer mehr zu tun“, klagt Hans-Joachim Kruse, Vorsitzender des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste (FST). Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Beschwerden von 300 auf 1000 geschnellt; allein in den ersten vier Monaten 2001 seien es 400 gewesen.
Mehr als einen Ausschluss aus dem Club der Seriösen haben die anonymen Abzocker freilich nicht zu befürchten. Juristisch ist ihnen kaum beizukommen. Zwar ist bereits das unaufgeforderte Zusenden von Werbefaxen in Deutschland verboten, doch die Absender verstecken sich hinter erfundenen oder fremden Adressen im Ausland. Den eigentlichen Täter zu ermitteln, erfordert aufwändige Detektivarbeit. So kennt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) nur die Vermieter der 0190er-Nummern – Firmen wie InTelegence in Köln oder Extracom in München. Deren Mitarbeiter verweisen an einen Mieter, dieser – per Anrufbeantworter – an einen Untermieter. Dessen Mitarbeiter wiederum schützt einen Unter-Untermieter vor, dessen Identität er ebenso wenig verraten dürfe wie die seines Chefs.
RegTP-Chef Matthias Kurth ist machtlos gegen derlei Machenschaften: Unlauterer Wettbewerb, arglistige Täuschung oder Betrug verstoßen nicht gegen das Telekommunikationsgesetz. Eine Gesetzeslücke, die die Bauernfänger schamlos ausnutzen: Klagen eines einzelnen Geschädigten sind schon allein deshalb aussichtslos, weil der Aufwand für die Verfolgung höher wäre als der Schaden.
Nur die Verbraucherverbände schreiben fleißig Abmahnungen. Dieter Lang, Jurist beim Verbraucherschutzverein Berlin, hat jedoch nach Dutzenden von Unterlassungsklagen gegen 01908-Anbieter den juristischen Kleinkrieg gegen die Unteruntermieter satt. „Es wird Zeit“, stöhnt er, „dass die Netzbetreiber etwas mehr Engagement an den Tag legen.“ Das wird allerdings erst passieren , wenn die Gesetzeslücken gestopft sind: Telekom, Talkline & Co. sind an den sittenwidrig erzielten Umsätzen der Nepper prozentual beteiligt. UJF
Erschienen in BIZZ 7/2001.
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