Klitterung der Technikgeschichte

Manchen Unfug entdeckt man erst, wenn man die liegengebliebenen Zeitungen durchsieht, bevor sie im Altpapier landen. Vorigen Mittwoch widmete der Wirtschaftsteil der Süddeutschen seine allzu oft von erschreckender Unkenntnis geprägte IT-Kolumne „Dolmetscher“ dem PC:

Bill Gates… „war klug genug, die Lizenz für das Betriebssystem zu behalten und schließlich all jene damit zu beliefern, die mit den gleichen Bauteilen wie IBM eigene Computer für den Hausgebrauch zusammenschraubten.“

Abgesehen von dem unseligen Umgang mit dem Wort „Lizenz“ (Microsoft war Lizenzgeber und hat IBM nur eben keine Exklusivlizenz verkauft): Die Autorin suggeriert, der Großkunde hätte eigentlich ganz gerne MS-DOS für sich alleine gehabt und Gates habe sich dem Ansinnen entgegengestellt.

In Wahrheit war das PC-Projekt ein konspirativer Akt eines kleinen Teams, das von der mächtigen Großrechner-Fraktion in der Zentrale in Armonk anfangs argwöhnisch beäugt wurde. Die Zulieferer, bei denen das Team von Bill Lowe und seinem Nachfolger Don Estridge Komponenten einkaufte (einschließlich Intel), erfuhren erst einmal gar nicht, welche Pläne sich hinter den Anfragen konkret verbargen. Wer weiß, wie „klug“ Bill Gates reagiert hätte, wenn ein Repräsentant der Konzernleitung mit einem wirklich fetten Scheck bei ihm aufgeschlagen wäre? Aber der PC war damals noch nicht mehr als ein Experiment mit offenem Ausgang. Dass er dermaßen einschlagen würde, wagte noch keiner der Beteiligten zu hoffen. Estridge ging das Risiko ein, eine nicht-exklusive Technik zu nutzen – und traf mit dieser Abkehr von der Konzerntradition den Zeitgeist. Soviel zur Klugheit einer Gates’schen Entscheidung, die gar keine war.

Der Halbsatz mit dem Computer für den Hausgebrauch ist ebenfalls eine Klitterung der Technikgeschichte. MS-DOS wäre nie zu dieser Erfolgsgeschichte geworden, wenn nicht ein paar frühere Texas-Instruments-Manager um Rod Canion die Firma Compaq gegründet hätten – keine Garagenklitsche, sondern ein von Anfang an hochprofessionell geführtes und solide finanziertes Start-Ups.

Zugegeben: Ein einzelner Unternehmer fing tatsächlich so an, wie es in dem Zitat „all jene“ gemacht haben sollen – Michael Dell. Zum erwähnenswerten Geschäft wurden dessen Aktivitäten für Microsoft aber erst in dem Moment, in dem der clevere Dell einen Industriebetrieb hochzog, der Maßstäbe in der Massenfertigung setzte. Mit Hinterhofschraubern – so wichtig sie für den Rückhalt von Microsoft bei der Userschaft waren – ist Gates nicht reich geworden: Das war immer nur ein Zubrot für ihn.

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