Ja, aber, Kollege Schumacher

Die hier wiedergegebenen Thesen sind zwar nicht namentlich von V.i.S.d.P.-Herausgeber Hajo Schumacher gezeichnet, dürften aber seine Meinung sein. Ein bisschen Einspruch muss sein:

1. Recht auf Internet

Wer nicht online ist, nimmt nicht am öffentlichen Leben teil und kann sich nicht demokratisch eine Meinung bilden – so einfach ist das heute. Zugangserschwerungsgesetz? Internet sperren? Das ist so absurd wie Zeitungs- oder Fernsehverbot.

Nein, so einfach ist das nicht. Nonliner nehmen sich zwar selbst etwas weg, aber mit guten Printmedien und den richtigen Radio- und Fernsehsendungen kann man sich weitaus besser informieren, als ginge man immer nur auf niveaulose oder agitatorische Websites. In der Lokalpolitik gibt es ohnehin nur eins: selber hingehen. Partizipation ohne physische Präsenz ist kaum möglich. „Mitreden“ ist in den Kommunen noch wörtlich zu nehmen und auch machbar.

2. Transparenz

Öffentlich ist staatliches Handeln in Deutschland nur selten. Warum ist das eigentlich so? Warum nicht anders: Geheim wäre nur, wenn etwas nachvollziehbar begründet für geheim erklärt würde. Wir halten das aus, wir sind schon erwachsen.

Wir halten das schon aus – wenn wir nicht selbst betroffen sind von den Entscheidungen. Sind wir aber Unternehmer, denen der Bürgermeister einen Auftrag zuschanzt, oder Mitarbeiter eines dergestalt korruptiv begünstigten Betriebs, deren Job an dem Unterschleif hängt, wird uns wahrscheinlich blümerant bei dem Gedanken an Transparenz.

3. Open Access

Wissenschaft ist von Staat bezahlt, doch die Ergebnisse der Wissenschaft verschwinden hinter den Pay-Walls privat geführter Zeitschriften- und Buchverlage. Was die Allgemeinheit finanziert, muss auch allgemein zugänglich sein, am einfachsten online. Das hilft Forschung und Innovation. Logisch?

Jein. Denn nicht alles, was Wissenschaftler zu veröffentlichen trachten, ist das Steuergeld (und die Drittmittel) wert. Irgendjemand muss dafür sorgen, dass eine qualifizierte Peer Review stattfindet. Ob das in allen Fachbereichen durch ehrenamtliche Experten zu leisten ist, halte ich zumindest für fraglich. Wenn sich ein Verlag tatsächlich sorgfältig dieser Aufgabe annimmt und nicht nur Institute und Bibliotheken mit überhöhten Abogebühren abzockt, hat er eine Existenzberechtigung. Dann muss er aber die Revisoren angemessen bezahlen (die diesen Nebenjob wiederum nicht während ihrer steuerfinanzierten Arbeitszeit erledigen sollten). Das eigentliche Problem sind übrigens Verträge bei Drittmittelforschung: Da die Geldgeber ein legitimes Interesse daran haben, dass die Konkurrenz nichts abstauben kann, werden Wissenschaftler manchmal über Gebühr eingeschränkt.

4. Urheberrecht

Das Urheberrecht stammt aus vordigitaler Zeit, es muss reformiert werden. Geistiges Eigentum, Privatkopie, Plagiatismus – diese Fragen sind auf einmal wieder offen. An den Antworten sollte man zu arbeiten beginnen.

Das Urheberrecht ist während der digitalen Zeit bereits zweimal – mehr schlecht als recht – novelliert worden: mit dem 1. Korb (Urhebervertragsrecht) anno 2002 und fünf Jahre später mit dem 2. Korb. Derzeit ist ein 3. Korb in Vorbereitung, insofern rennt man mit obiger Forderung theoretisch offene Türen ein. Wichtiger und dringender als neue Paragrafen, die in der Praxis ignoriert werden (Recht des Urhebers auf angemessene Vergütung) oder handwerklich missraten sind (Geräteabgabe, die an lächerliche Verkaufspreise gekoppelt ist), wäre allerdings ein breiter gesellschaftlicher Diskurs darüber, wie Kreative und Wissensarbeiter ihren Lebensunterhalt verdienen sollen. Eine „Wissensgesellschaft“, die sich anmaßt, geistiges Eigentum zu sozialisieren, aber die Urheber am liebsten als brotlose Künstler darben lässt, verdient den Namen nicht. An dieser Stelle nur eine kurze These: Gegen Privatkopien ist nichts zu sagen, solange die Nutzer einsehen, dass es Privatoriginale geben muss, die etwas kosten.

5. Datenschutz

Datenschutz nervt nicht, sondern ist in den Zeiten von Handy und Vorratsdatenspeicherung, Google und Facebook ein Thema, das jeden interessiert. Die Regelungen sind aber nicht mehr zeitgemäß – hier sind sie zu strikt, dort zu locker.

Hier wären konstruktive Thesen nicht schlecht, wie man Post-Privacy-Spacken, Streetviewvernebler, Weicherts, zahnlose Bundesnetzagentiger und Stasizwonull-Mautcontrol-VDS-Sympathisanten an einen Tisch holen könnte, ohne dass Blut fließt.

6. Leistungsschutzrecht

Das von einer interessierten Print-Lobby initiierte Leistungsschutzrecht für Verlage wäre eine unzeitgemäße Zeitungs-Subvention, ein Anti-Modernisierungsgesetz. Die neuen Medien-Akteure, digitale Publizisten und Startups, trügen die Kosten. Jeder weiß, dass die Idee schlecht ist – geben wir sie auf.

Jeder weiß das? Merkel schon mal nicht.

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Eine Antwort auf „Ja, aber, Kollege Schumacher“

  1. Internetverbot ist nicht wie Fernsehverbot. Da ist der Kollege den Nebelkerzen der ÖRR auf den Leim gegangen, für die Internet zur dritten Broadcasting-Plattform degradiert wurde.

    Internet abschalten oder filtern ist vielmehr wie Telefon abschalten und Briefkasten abmontieren bzw. Anrufumleitung und Postnachsendung.

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