Die „Süddeutsche“ macht heute groß mit dem Urteil im Rechtsstreit Gema gegen Google/Youtube auf. Bernd Graff widmet sich den rechtlichen Unsicherheiten im Musik-Umfeld, Jens-Christian Rabe der so genannten Störerhaftung. Beides hätte ich gerne hier verlinkt, aber sueddeutsche.de scheint beides (noch) nicht übernommen zu haben: „Politik“ und „Kultur“ bringen ganz andere Themen.
Erfreulich an den Texten ist, dass sie nicht schwarzweiß malen und einige Details sachlich referieren, die auch mir neu waren, da Musik nicht so mein Spezialgebiet ist (mich interessieren naturgemäß vor allem die Auswirkungen urheberrechtlicher Entwicklungen auf den Journalismus).
Mir als Wirtschaftsjournalist sprang vor allem ins Auge, dass der Gema ein Betrag von einem Hundertstel Cent (!), wie ihn Youtube in Großbritannien pro Stream zahlt, zu niedrig ist. Sorry, da verstehe ich die Gema vollkommen. Genauso, wie ich Google verstehe, dass ihnen 0,6 Cent (der Höchsttarif nach Gema-Modell) ein bisschen heftig vorkommen. Um zu beurteilen, ob das eine zuviel oder das andere zuwenig ist, genügt ein Taschenrechner.
Als anerkannt angemessener Preis für den Besitz der Kopie eines Songs können 99 Cent gelten, dafür bekommt man eine legale MP3, von der man innerhalb der Familie Privatkopien nutzen darf. Selbst mit der Gema-Maximalforderung von 0,6 Cent pro Stream kommen die Nutzer aber noch billiger weg als mit dem Kauf einer MP3-Downloadlizenz, wenn der Song nicht mindestens 165-mal abgespielt wird. Bei dem britischen Tarif, den die SZ bis auf die siebte Nachkommastelle nennt, komme ich auf 8354-mal anhören.
Die Schwelle, ab der einem die Heavy Rotation, das ständige Wiederholen der gleichen musikalischen Endlosschleife, richtig auf den Geist geht, ist zwar bei jedem Menschen unterschiedlich. Aber kein Mensch hört Musik nur bei Youtube, und vermutlich wird nur ein Bekloppter ein und das selbe Stück Hunderte oder gar Tausende Male per Streaming anhören. Wenn mir ein Song derart gut gefällt, hole ich mir doch die MP3. Die Einnahmen für die Komponisten, Texter und Bands kämen also selbst bei 0,6 Cent pro Stream höchst selten über das hinaus, was sie bei einem 99-Cent-Download erhielten. Wohl kein Künstler käme deshalb mit einem Gesamtvertrag zwischen Gema und Google in dieser (ich wiederhole: Maximal-) Höhe auf eine höhere Ausschüttung, als wenn die Nutzer die Songs bei Amazon oder Apple kaufen.
Damit zur Definition von Google als mithaftender „Störer“: Ob der Konzern wirklich nur das ist oder doch eher Anstifter, sollte man daran bemessen, wie hoch die Werbeeinnahmen sind. Diese Zahlen gehören eigentlich auf den Tisch. Längst nicht jedes Youtube-Video kommt bis dato mit Werbung daher, bei den echten Rennern kann das aber lukrativ sein. Vielleicht kann mal jemand, der bei den Tarifen der Online-Werbung à jour ist, erzählen, wie viel die Werbetreibenden für Spots auf Youtube-Seiten mit Musikclips zahlen müssen. Dann hat man eine Messlatte.
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