Sagrotan hilft nicht gegen unsaubere Recherche

Der Wirtschaftsteil der Süddeutschen trumpft derzeit auf mit Fundstücken aus dem internationalen Zukauf „Offshore Leaks“; das Tagesgeschäft bekommt derweil wenig Aufmerksamkeit ab.

Heute fand ich wieder ein mit Halbwissen oder Halbwahrheiten garniertes Stück. Darin hieß es über den Calgon-Hersteller Benckiser und die Erben eines Gründers:

„Den Grundstein des Reichtums legten der Unternehmer Johann Adam Benckiser und der Chemiker Ludwig Reimann 1851 mit der Gründung einer Chemiefabrik. Unter der Leitung von Albert Reimann brachte die Firma in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Haushaltsreiniger auf den Markt wie Calgon und Sagrotan.“

Tja, wenn man keine Ahnung hat, sollte man recherchieren oder eine ältere Drogeriefachverkäuferin fragen. Weder Calgon noch Sagrotan gehört zu den Haushaltsreinigern, und beide sind viel älter. Calgon ist ein Wasserenthärter, sprich: ein Kalkabbinder für die Waschmaschine. Es gibt ihn schon seit 1929, und erfunden hat ihn Benckiser so wenig wie Reimann. Ihre Firma erwarb 1932 eine Lizenz.

Das Ur-Sagrotan ist ein Desinfektionsmittel (unter dieser Dachmarke bietet Reckitt-Benckiser seit ein paar Jahren auch desinfizierende Haushaltsreiniger an). Es kam vor genau 100 Jahren auf den Markt. Hersteller war achtzig Jahre lang die Hamburger (Norderstedter) Firma Schülke & Mayr. 1994 kaufte die britische Reckitt & Colman dieses Unternehmen (und verkaufte es später an Air Liquide weiter, lizensierte aber die Marke Sagrotan zurück).

Die Benckiser-Reimann-Erben kamen erst 1999 ins Spiel, als Joh. A. Benckiser und Reckitt-Colman – wie die SZ dann richtig schreibt – zu Reckitt Benckiser fusionierten. Doch der alte Herr Reimann hatte mit Sagrotan nie etwas zu tun gehabt.

Hoffentlich benutzt nie jemand diesen Text als Archivquelle. (Übrigens steht auch in der Wikipedia Unsinn, der mal korrigiert gehört: „1854 werden erste Geschäftsbeziehungen zu Jeremiah Colman aus dem britischen Norwich geknüpft, der mit Reckitt & Sons Wäschestärke nach Ludwigshafen verkauft.“ Dieser Quark geht auf eine etwas unglücklich aufgebaute Chronik der fusionierten Reckitt Benckiser zurück.)

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