Zeitungsverleger: Ja, wir beuten einen Teil der Zusteller aus

Derzeit ist es schwer, ein Zeitungsabo zu kündigen. Die Funke-Gruppe (WAZ) macht zum Beispiel sogar den Angehörigen alter Abonnenten Stress, wenn diese ins Pflegeheim müssen. Dann verlangt der Verlag ein ärztliches Attest oder den Pflegeheimvertrag, obwohl ihn beides nichts angeht.

Bald wird man Abos vermutlich leichter los. Zwei Millionen Abonnenten deutscher Tageszeitungen müssen damit rechnen, dass der Verlag ihnen kündigt. So zumindest stellt es der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) laut dpa (Quelle: Handelsblatt) dar: Der frisch beschlossene gesetzliche Mindestlohn bewirke eine jährliche Mehrbelastung von 220 Millionen Euro. „Das führt dazu, dass zwei Millionen Haushalte in Deutschland nicht mehr betriebswirtschaftlich sinnvoll mit Zeitungen beliefert werden können,“ so BDZV-Geschäftsführer Dietmar Wolff. 

Angeblicher Grund ist die Umstellung der Zustellervergütung auf das Stundenlohn-Prinzip. Die Arbeit der Zeitungsboten ist den Verlagen bei fairem Stundenlohn aber offensichtlich nur in Ausnahmefällen zu teuer. Die zwei Millionen Abos entsprechen nämlich nur einem Zehntel der Verkaufsauflage. Das heißt: Da, wo die Abonnenten dicht beieinander wohnen, schaffen es die Botinnen und Boten schnell genug, in dünner besiedelten Wohngebieten brauchen sie zu lange. Diese Information ist nichts anderes als die Bestätigung dafür, dass die Zeitungsverlage bislang die Menschen schamlos ausgenutzt haben, die bei Wind und Wetter auf dem Dorf oder am Stadtrand ihre Produkte ausfahren. Sie bekamen vom Aboerlös trotz höheren Zeit- und Wegeaufwands nicht mehr Geld ab als ihre Kollegen, in deren Bezirken – zack, zack, fertig! – dichtgepackte Reihenhäuser oder große Wohnanlagen stehen. Sie bezahlten faktisch den Preis dafür, dass Abos im Inland zum Einheitspreis zu haben sind. Nun jammern die Verleger darüber, dass das Verursacherprinzip greift und sie selber für die Kosten der von ihnen selbst versprochenen und kalkulierten Dienstleistung aufkommen sollen.

Werden die Verleger wirklich ab 2017 zwei Millionen Zeitungen weniger drucken? Vielleicht. Aber wenn, dann nicht des Mindestlohns wegen. Das Problem betrifft nämlich weit überwiegend Tageszeitungen im ländlichen Raum. Die werden deshalb nicht den Geschäftsbetrieb einstellen. Wenn passiert, was der Erfahrung nach zu befürchten ist, werden die Zeitungen schlicht von noch weniger Redakteuren vollgeschrieben (natürlich ohne Tarifbindung) – oder mit noch mehr User Generated Content geflutet: Leser fotografieren honorarfrei für Leser.

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2 Antworten auf „Zeitungsverleger: Ja, wir beuten einen Teil der Zusteller aus“

  1. P.S.: Man darf die 220 Millionen nicht durch zwei Millionen Abos teilen, denn in der Summe sind auch Mehrkosten enthalten, die die Verlage für verkraftbar halten.

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