Ich habe mich reinlegen lassen – von Klarmobil, einer Marke der Freenet-Gruppe. Das Geschäftsmodell, mit dem ich abgezockt werde, mag branchenüblich sein, Justizministerin Christine Lambrecht findet es allerdings betrügerisch: Wer seinen Handyvertrag nicht pünktlich nach 21 Monaten kündigt, zahlt mindestens ein Jahr lang Mondpreise. Ich nenne das Kundenbindung per Fußfessel. Die Ministerin will den Tricksern nun endlich das Handwerk legen. Die könnten einsichtig und kundenfreundlich werden, machen aber so lange weiter, wie es nicht verboten ist. Hier mein offener Brief an Freenet-Chef Christoph Vilanek stellvertretend für seine Zunft:
Sehr geehrter Herr Vilanek,
als einer der ältesten Hasen in der Branche hätte ich eigentlich wissen müssen, dass man bei einem aus Mobilcom hervorgegangenen Unternehmen aufpassen muss wie ein Schießhund. Allerdings hatte ich von Ihnen einen besseren Eindruck gewonnen als vom alten Schlitzohr Gerhard Schmid. Deshalb habe ich mich im April 2018 für einen Laufzeitvertrag bei Klarmobil entschieden – im Bewusstsein, dass der nach der Mindestlaufzeit fällig werdende „Normal“-Tarif überteuert und nicht ansatzweise marktgerecht oder konkurrenzfähig sein würde. Solche Unsitten haben sich leider eingebürgert; der gute alte Eduard Zimmermann hätte sie gewiss als Bauernfängerei bezeichnet. Man muss dann leider wechseln oder mit einem Wechsel zumindest drohen. Als Branchenkenner nimmt man diese Unsitte halt zähneknirschend hin, aber das mindert nicht den Ärger, den man verspürt.
Nun das Aber: Als ich gestern meine Handy-Rechnung anschaute, traute ich meinen Augen nicht: Im Kleinstgedruckten entdeckte ich ausgerechnet unter „Informationen gemäß Telekommunikations-Transparenzverordnung“, mein Vertrag laufe bis mindestens April 2021 (!). Ja, mir war nicht bewusst gewesen, dass die zwei Jahre schon wieder fast rum waren und ich mich blöderweise auf eine 3-monatige Kündigungsfrist eingelassen hatte. Was ich aber nicht auf dem Radar hatte: dass sich der Vertrag beim Verpassen des Stichtags um ein komplettes Jahr (!) verlängert. Dabei hatte ich nicht einmal ein subventioniertes Handy in Anspruch genommen. Noch mag das legal sein, aber legitim ist es nicht, denn es gibt keinerlei sachliche Grundlage dafür. Wie Sie wissen, ist die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Christine Lambrecht, sogar der Ansicht, solche „Geschäftsmodelle mit kalkulierten Kostenfallen“ seien „betrügerisch“. Deshalb ist damit zum Glück demnächst Schluss. Mir scheint, anders ist dem TK-Oligopol leider nicht beizukommen.
Geldstrafe für Treue und Vergesslichkeit
Mein fundiertes juristisches Halbwissen sagt mir, dass dieser von der BMJV vorgebrachte Vorwurf an die Mobilfunkprovider, mit krimineller Energie zu Werke zu gehen, mindestens dann trägt, wenn der Verbraucher nicht in angemessener Form auf solche Kostenfallen hingewiesen wurde. Ich gehe davon aus, dass Frau Lambrecht als Juristin genau weiß, was sie sagen kann.
Angemessen wäre bestenfalls, wenn der „Transparenz“-Hinweis 1.) nicht in einer 6-Punkt-Schrift gedruckt würde und 2.) auch den nächstmöglichen Kündigungstermin nach dem gerade unmittelbar anstehenden enthielte – etwa in der Form: „Wenn Sie nicht bis zum 31. Januar kündigen, verlängert sich dieser Vertrag um ein Jahr.“
Nicht angemessen ist, dass ich diesen Folgetermin erst in dem Moment zu sehen bekomme, wenn ich den ersten Termin bereits verpasst habe. Dass sich der Vertrag überhaupt um ein Jahr verlängert und nicht um einen Monat oder widrigstenfalls um ein Quartal, ist aber an sich schon ein dreister Verstoß gegen die guten Sitten. Und darauf muss man die Kunden meines Erachtens bereits bei Vertragsabschluss unmissverständlich hinweisen. Es genügt nicht, zu sagen, dass man nach der Mindestlaufzeit von 24 Monaten aus dem Vertrag aussteigen kann (der dann ja aufgrund der Marktentwicklung keine guten Konditionen mehr bieten wird). Man muss bei solchen meist telefonisch oder online abgeschlossenen Verträgen gerade auch darauf aufmerksam machen, dass der für den Kunden nachteiligen langfristigen Bindung eine weitere folgt. Ein Jahr ist in dieser Branche eindeutig zu lang, wenn dieser Bindung kein entsprechender Vorteil gegenübersteht. Es ist im Gegenteil so, dass meine Treue einen geldwerten Vorteil für Sie als Provider darstellt: Sie sparen sich die mit jeder Neukundengewinnung verbundenen Kosten. Zur Strafe dafür, dass ich vergessen habe, zur Konkurrenz zu wechseln, knöpfen Sie mir Monat für Monat 10 Euro zusätzlich ab.
Kein Hinweis auf langfristige Verlängerung in meinen Unterlagen
Aber dürfen Sie das wirklich, Herr Vilanek?
Wohl niemand in meinem Alter erinnert sich nach fast zwei Jahren noch daran, in welcher Form der Anbieter ihn auf die genauen Konditionen der Laufzeitbindung hingewiesen hat. Deshalb habe ich alle Nachrichten gecheckt, die mir Klarmobil seit der Bestellung zugesandt hat, und an keiner Stelle den geringsten Hinweis darauf entdeckt, dass sich der Vertrag automatisch um ein ganzes Jahr verlängert. Ich werde deshalb Ihre Vertragsabteilung auffordern, mir nachzuweisen, dass und wie sie mir diese Informationen zur Kenntnis gebracht hat. Sollte Ihnen dieser Nachweis glücken, wird die Frage spannend sein, auf welche Weise dies erfolgt sein soll, und ich werde juristisch prüfen lassen, ob dies tatsächlich den Mindestanforderungen des Verbraucherschutzes entsprach. „Klar“ – und dieses zum Markenversprechen gewordene Adjektiv trägt diese Freenet-Marke wie eine Monstranz vor sich her – war da aus meiner Sicht jedenfalls nichts.
Klarmobil kann sich auch nicht hinter der Schutzbehauptung verstecken, es sei eine Art Gewohnheitsrecht, die Verbraucher mit diesem fiesen, billigen Trick übers Ohr zu hauen. Selbst mir war neu, dass eine solche einseitige Benachteiligung der Endverbraucher tatsächlich noch praktiziert wird. (Wie es scheint, ist die Telekommunikation die letzte Bastion des zu Recht verachteten Drücker-Gewerbes. Die großen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage trauen sich schon lange nicht mehr, so zu arbeiten.)
Eines wundert mich aber schon: Von anderen TK-Providern (von Händlern sowieso) kannte ich nur die Praxis, dass sie sich rechtzeitig vor Ablauf eines Vertrags um eine Vertragsverlängerung bemühen und dem Kunden proaktiv für sein Ja ein Incentive anbieten, eine Art Treuebonus. Meist war es so, dass ich zum bisherigen oder einem geringfügig höheren Preis mehr Datenkontingent und/oder höhere Geschwindigkeit erhielt. Es wurde sogar schon mal ein bisschen billiger. Mir hätte es gereicht, wenn man mir gesagt hätte: „Weil du so ein guter Kunde bist, der nie Stress macht, immer Deckung auf dem Konto hat und für ein viel zu großes Datenvolumen blecht, können wir Dir den bisherigen, marketingtechnisch mit einem „Rabatt“ verkleideten Tarif auch weiterhin so anbieten.“
Klarmobil ist der erste Anbieter, der mich stillschweigend in die Falle tappen ließ. Das bedeutet, dass ich Freenet als Ganzes nicht mehr weiterempfehlen kann und auch allen Handynutzern, die ähnliche Erfahrungen bei anderen Providern gemacht haben, empfehle, ein ernstes Wörtchen mit diesen zu reden. Niemand sollte noch Mundpropaganda für ein kundenunfreundliches Unternehmen machen. Wer hingegen schlechte Erfahrungen gemacht hat, möge dies hier in den Kommentaren kundtun und Ross & Reiter nennen. Aber ich bitte die Mitleser dieses Offenen Briefs: Mäßigen Sie Ihre Worte! Alles, was über die treffende Einschätzung der Usancen durch die Bundesjustizministerin hinausgeht, könnte den Tatbestand der unerlaubten Schmähkritik erfüllen. Sagen Sie Herrn Vilanek und seinen Kollegen die Meinung, aber beleidigen Sie sie nicht!
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Genau diese Art hinterhältiger und professioneller Ausbeutung menschlicher Gewohnheiten hat dazu geführt, dass ich nur noch Verträge mit monatlicher Kündigungsfrist abschließe. Diese Dummheit von Unternehmen!