Es gibt Menschen, die so satt und selbstgefällig in ihrer gemeingefährlichen Dummheit ruhen, dass sie eine Lektion brauchen, die sie nicht so schnell vergessen. Solche Mitbürger findet man derzeit besonders unter den Maskenhypochondern. Zuerst finden sie es schick, so zu tun, als würden sie einen Mund-Nasen-Schutz nicht vertragen, und dann wickeln sie sich in ihre Opferrolle so straff ein, dass sie vor lauter geistiger Enge selbst glauben, was sie sagen.
Die Maultäschle-Phobiker erinnern mich an jene Typen, die sich mit einer gefühlten Gluten-Angst in Szene setzen und einem Zöliakie-Patienten das letzte weizenklebereiweißfreie Spezialbrot vor der Nase wegkaufen. Sie beginnen schon zu hyperventilieren, wenn sie nur daran denken, sich einen „Maulkorb“ umbinden zu sollen. (Man würde sie gerne bitten, mal einen Hund zu fragen, wie sich ein echter Maulkorb anfühlt, aber leider ist nie ein Dr. Doolittle zur Stelle, wenn man ihn als Dolmetscher braucht.)
Deshalb pilgern sie gerne zu Kundgebungen von Quackdenkern und Quersalbern, auf denen ihnen ein möglichst „praktizierender Arzt“ (wenn er sich als „Arzt für Aufklärung“ vorstellt, darf er aber gerne auch Serienunternehmer mit Liquidationshintergrund sein) einen halben Pschyrembel voller Gesundheitsschäden herunterbetet, die ein Maskenträger riskiert. Der bei solchen Events rezitierte Krankheitskatalog unterscheidet sich nur unmaßgeblich von jenem, mit dem vergleichbare medizinische Koniferen* auf dem Höhepunkt der Mobilfunkmastenpanik vor 20 Jahren Elektrosmog-Panik schürten.
Barnäsige Cyberchonder
Besonders gerne lassen sich diese armen Leute kirre machen mit Gefahren, denen maskierte Schulkinder angeblich ausgeliefert sind. Die von Demo zu Demo tingelnden Vortragskünstler, um so hässliche Wörter wie „Berufsdemonstranten“ oder gar „Rattenfänger“ zu vermeiden, sind sehr routiniert darin, Horrormärchen von toten und beinahe gestorbenen Kindern zu erzählen. Die Schnutenpulli-Phobiker glauben ihnen jedes vom blauen Himmel heruntergelogene Wort. Wie hypnotisiert applaudieren sie, wenn der Redner suggestiv fragt, ob sie von der Maske nicht auch Kopf- oder Bauchschmerzen, Schwindelgefühle oder Atemnot bekämen. Die Streiche, die das Unterbewusstsein Hypochondern und ihren digital sozialisierten Geschwistern, den Cyberchondern, spielt, kennt man ja: Der bloße Anblick neu errichteter UMTS-Basisstationen machte einst gesunde Menschen zu jammernden Patienten – Tage bevor die Sender überhaupt das erste Mal eingeschaltet wurden.
Eingebildete Kranke könnte der Allgemeinheit jetzt relativ egal sein, wenn diese ängstlichen Menschen sich daheim einschlössen und warteten, bis die Kontaktbeschränkungen ausgestanden sind. Doch was tun die? Todesmutig gehen sie ohne jeglichen Tröpfchenfänger unter Menschen. Barnäsig und barmündig kaufen sie ein oder entern Landratsämter, um sich ihre Freiheit zurückzuholen (getreu dem Motto „wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut“). Via Telegram tun sie sich sogar zu Grüppchen zusammen, um es dem überfallenen Personal schwerer zu machen, sich ihrer zu erwehren. Sie filmen ihre Aktionen, um die bösen Vertreter des „Systems“ (also Verkäufer oder Beamte) im Internet an den Pranger zu stellen. Bei derartigen Auftritten – ob allein oder im Flashmob-Stil – fuchteln sie auch gerne mal mit Zetteln herum, bei denen es sich angeblich um ärztliche Atteste handelt, die sie von der Pflicht zur öffentlichen Maskerade entbinden.
Wer keine Maske verträgt, bleibt besser daheim
Nun ist es nicht so, dass es keine Krankheitsbilder gäbe, bei denen jeder Arzt nach gründlicher Anamnese feststellen würde, dass die betroffene Person keinen MNS tragen kann oder sollte. Diese wenigen Patienten leiden dann aber eben an einer Vorerkrankung. Sie sind damit Angehörige jener Risikogruppe, die in Zeiten einer grassierenden Infektionskrankheit wie Covid-19 erst recht jeden nicht zwingend erforderlichen Kontakt zu potentiell Infizierten meiden sollte.
Was treibt also die unmaskierten Horden dazu, Supermärkte und Behörden zu stürmen und das Personal zu bedrängen und zu provozieren, wenn sie doch so um ihre Gesundheit besorgt sind? Traurige Erklärung: Sie glauben den Märchenonkels und Scharlatanten, dass nicht die Seuche Covid-19 gefährlich sei, sondern allein ihre ach so keimverseuchte Maske. Widersprüche blenden sie aus: Wenn sie sich von der richtigen Gefahr fürchteten, warum sind dann von knapp 600.000 registrierten Infizierten fast 11.000 gestorben, derzeit mehr als 100 pro Tag nur in Deutschland? Warum gibt es unter den sicherlich mehr als 60 Millionen Menschen, die brav ihre Maske tragen – also einer 100-mal so großen Gruppe, nicht einen einzigen Patienten, bei dem eine maskeninduzierte Infektionskrankheit nachgewiesen worden wäre?
Meine Maske, Mein Bart, meine Keime
Es gibt nicht einmal jemanden, der auch nur darüber geklagt hätte. Kein Mensch sagt: „Ich trug eine Maske, hätte ich das lieber mal nicht gemacht, denn jetzt bin ich krank.“ Gäbe es nach einem halben Jahr mit „Gesichtslappen“ eine solche Person, die Maskengegner würden das im Netz sofort viral gehen lassen. Nein, die Klagen und teils völlig abstrusen Warnungen (etwa vor dem Inhalieren von Pilzsporen, die dann eine Lungenentzündung auslösen könnten) kommen ausschließlich von denen, die gar keine Masken aufsetzen. Der Grund ist vielleicht zu simpel: Was sich in der Maske verfängt, sind unsere eigenen Keime. So wenig, wie sich ein Mann an seinem eigenen, ebenfalls stark verkeimten Bart mit schlimmen Krankheiten ansteckt, die er vorher nicht hatte, tun uns die Bakterien etwas zuleide, die wir selbst ausatmen. Säugetiere wie der Mensch leben in Symbiose mit einer Vielzahl von Keimen, bekannt zum Beispiel als Mund-, Darm- oder Scheidenflora. Auch unsere Haut ist an Keime angepasst. Dermatologen warnen sogar vor übertriebener Hygiene: Wer versucht, keimfrei zu leben, wird krank. Übrigens ist der menschliche Körper eine weitaus bessere Brutstätte für diese Mikroorganismen als ein noch so durchfeuchtetes Baumwoll- oder Viskosevlies.
Mit Männer-Burka am Käseregal
Jedenfalls sind die Menschen, die sich vor dem Falschen fürchten, also vor der Maske statt dem Virus, mitten unter uns. Ein besonderes Exemplar erblickte ich am Reformationstag im Kauferinger Netto-Markt. Der Mann mittleren Alters – laut Landsberger Tagblatt stammt er aus der Nachbargemeinde Igling – stand vielleicht zwei Meter von mir entfernt, als ich mich gerade am Käseregal bediente. Er trug einen schwarzen Hut, an dem ein schwarzer Schleier befestigt war, vieleicht ein Moskitonetz. Der Verschleierte hatte mit seiner eigenwilligen Halloween-Kostümierung die Aufmerksamkeit des diensthabenden Filialleiters erregt und entblödete sich nicht, diesem nun zu verklickern, seine Männer-Burka stelle den obligatorischen Mund-Nasen-Schutz dar. Der Einzelhandelskaufmann blieb ganz ruhig und widersprach: Das ist keiner. Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Beweisen Sie mir doch, dass es keiner ist!
So handelte er sich den fälligen Hausverweis ein: „Bitte verlassen Sie jetzt unseren Laden. Den Einkaufswagen können Sie stehenlassen, den räume ich für Sie aus. Ich gebe Ihnen auch den Euro fürs Pfand.“ Schlau wäre gewesen, sich auf den freundlichen Rauswurf einzulassen. Aber der Mann schaltete auf stur. Andere Kunden verdrehten die Augen, machten einen Bogen um diesen Gang oder schüttelten die Köpfe. Ich als unfreiwillig am nächsten Stehender riet dem Mann, sich zu verziehen, da er ja gehört habe, dass der Filialleiter von seinem Hausrecht Gebrauch mache und er somit Hausfriedensbruch begehe, wenn er sich der Anweisung widersetze. Er: Was mich das angehe? Ich: Ich gehöre zur Risikogruppe, das ist auch meine Atemluft hier. Ich schaffte es dann vor ihm zur Kasse und zahlte, während der wackere Netto-Ladenleiter die Polizei rief, noch schnell einen unmaskierten Jugendlichen nach draußen komplimentierte und sich anstelle des bei Netto leider nicht vorhandenen Security-Mannes am Ausgang aufbaute.
Manchmal möchte man Rausschmeißer sein
Wie ich jetzt einer Meldung im Tagblatt entnahm, müssen die Beamten bald gekommen sein und die Personalien des renitenten Kunden aufgenommen haben – natürlich Besitzer eines dieser wertlosen Pseudo-Atteste, von denen unser lokaler Ober-Coronaleugner, das ärztliche Enfant Terrible Rolf Kron, schon 4000 Stück unters Volk gebracht haben will.
Der Kunde muss jedenfalls das Bußgeld zahlen. Für das, was ihn die Strafe kostet, hätte er in aller Ruhe den Einkaufswagen randvoll packen können. Sein so rechthaberischer wie dämlicher Auftritt als Rebel without a Cause war ihm wohl das Geld wert. Allerdings hätte ich ihm am liebsten einen Tritt ins Gesäß versetzt, denn Typen wie er veranstalten diesen Zirkus derzeit in vielen Läden. Und das ist eine Dreistigkeit gegenüber den Angestellten, die sich die Regelungen nicht ausgedacht haben, aber für ihre Einhaltung sorgen müssen. Und ganz nebenbei wäre es auch lebensgefährlich für uns Mit-Kunden, wenn einer von diesen asozialen Maskenhypochondern mal tatsächlich infiziert ist.
* Koniferen sind immergrüne Gewächse, die oft zum Verzapfen neigen, und deshalb bitte nicht mit Koryphäen zu verwechseln.
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