Urheber, die sich als Verwaltungsratsmitglieder in der Verwertungsgesellschaft Wort engagieren, werden ab sofort fair für die Zeit entschädigt, die sie in Sitzungen verbringen. Die Gremienarbeit attraktiver zu machen, war dringend geboten: Die VG Wort braucht kräftige Impulse für ihre Aufholjagd ins Digitale.
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Wer die Entwicklung der VG Wort im 21. Jahrhundert mitverfolgt hatte und nun die Unterlagen zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am vorigen Samstag studierte, dürfte sich verwundert die Augen gerieben haben: Bei den Anträgen von Mitgliedern stand mein Name neben dem des Kollegen Oliver Eberhardt, der sich bei den Freischreibern ums Urheberrecht kümmert. Wir haben gemeinsam durchgesetzt, dass die finanzielle Entschädigung für die Ehrenamtlichen kräftig aufgestockt wird (siehe unten).
Nein, ich bin immer noch meinem DJV treu, ich bin nicht übergelaufen. Es ist im Gegenteil so, dass sich bei dem Freiberufler-Verband, der noch vor sechs Jahren in der VG Wort zu Recht als großes Schreckgespenst galt und hier im Blog mehrfach Thema war, einiges getan hat. Damals drängten sich beim Freischreiber e.V. ein paar Kolleg:innen darum, das Thema zu besetzen, die nie verstanden haben, wie das Urheberrecht im Allgemeinen und die VG Wort im Besonderen funktioniert. Sie wussten alles besser und knallten uns Funktionären wildeste Anschuldigungen um die Ohren. Oliver hingegen hat das getan, was gute Journalisten tun: Er hat zugehört und sich schlau gemacht. Und deshalb kann ich mit ihm genauso kollegial und pragmatisch verkehren wie in meiner aktiven Zeit als Gremlin mit den Kolleg:innen von ver.di – insbesondere deren Sparte DJU (Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union).
Von dieser Sorte von Ehrenamtlern brauchen wir in allen Autor:innen-Organisationen mehr, dringend. Medienmenschen mit Grips, Digital-Know-how und dem Wissen, was für uns alles vom Urheberrecht abhängt. Es ist peinlich, wenn man vor einer Wahl (die nächste steht am 17. Juni 2023 an) schon froh sein muss, dass es für jeden Stuhl einen Kandidaten oder eine Kandidatin gibt. Wir brauchen Aktive, die wissen, wovon sie reden, die mitgestalten wollen, die Ideen haben und eine realistische Vorstellung davon, wie dieser behäbige Tanker flott gemacht werden kann. Und die VG Wort ist keine Firma, sondern ein Verein: Das heißt, dass die Mitglieder sich dahinterklemmen müssen, dass der Laden läuft. Ihr Vehikel dabei ist der Verwaltungsrat. Er beruft den Vorstand. Er gibt der Verwaltung die Marschrichtung vor. Er kann ihre Pläne genehmigen oder ablehnen.
Wichtig zu wissen: Das Urheberrecht ist eigentlich eine coole Sache. Leider war es im Zeitalter der „Tauschbörsen“ uncool geworden; Anwälte, die aus Abmahnungen ein Geschäftsmodell machten und mit Kanonen auch auf Spatzen schossen, brachten es in Verruf. Eine ganze Generation von Nutzern und Medien-Rezipienten durchblickte nicht das fiese Spiel, das die Digitalkonzerne und Content-Plattformen trieben. Erst mit dem System METIS, an dessen Aufbau ich von Anfang an mitwirken durfte, ist es gelungen, Deutschlands Onlinern zu zeigen, was sie vom Urheberrecht haben. Heute jammern sie, wenn die Überweisung aus München mal ein paar Wochen später aufs Konto kommt.
Aber das organisatorische Gerüst, auf dem METIS steht, ist nicht mit den Anforderungen mitgewachsen. Die VG Wort hinkt der dynamischen Entwicklung der digitalen Medienwelt längst wieder hinterher – was man bereits erkennt, wenn man die Website aufruft. Die alte Doktrin, möglichst die niedrigsten Verwaltungskosten aller Verwertungsgesellschaften auszuweisen, ist längst zum institutionellen Investitionshemmnis geworden. Es fließt kaum Geld in Fortbildung. Auch von effizienzsteigernden Innovationen in den Verwaltungsabläufen hört und sieht man nichts. Dabei müsste es das Ziel sein, Kapazitäten freizumachen für neue Aufgaben. Beim Thema Podcasts, wo seit Jahren kaum etwas vorangeht, werden früher oder später personelle Ressourcen gebraucht werden. Es gibt genug Themen, bei denen der Verwaltungsrat konstruktive Kritik üben und den Umbau des Apparats anschieben könnte.
Dazu bedarf es natürlich engagierter Urheber. Leider hat das Verwertungsgesellschaftengesetz, das eigentlich die Partizipation stärken sollte, das Gegenteil erreicht. Dadurch, dass ein Mitglied sich jetzt zehn statt zwei Stimmen übertragen lassen kann, steigt nur die Zahl der Stimmen, aber gerade nicht die Zahl derer, die sich aktiv einbringen und mitdiskutieren. Wenn Berufsverbände wie DJV und Freischreiber ihre Mitglieder aufrufen, bei einer Mitgliederversammlung der VG Wort mitzuvotieren, liegt die größere Herausforderung darin, Kolleginnen und Kollegen zur aktiven Teilnahme zu motivieren. Viele Mitglieder begreifen die Möglichkeit, ihre Stimme jemanden aus ihrer Gewerkschaft oder ihrem Verband zu übertragen, als netten Service, der ihnen Zeit und mühsames Befassen mit der Materie erspart. Die Möglichkeit, online abzustimmen, verstärkt diesen Trend noch. Dabei leben Mitgliederversammlungen von der Gruppendynamik, die nur im Saal entsteht – etwa wenn bei der Debatte die Stimmung kippt und sich Schlangen hinter den Mikrofonen bilden.
Also: Wir brauchen Freiwillige, die mit anpacken, die auch mal in Präsenzsitzungen dafür sorgen, dass digitale journalistische Werke schöne Tantiemen abwerfen. (Hinweis: Dazu braucht man immer noch den Mitgliedsstatus. Nur einen Wahrnehmungsvertrag zu haben, nützt nichts. Wer Mitglied werden möchte, melde sich bitte umgehend bei mir unter djvätujfpunktbiz.)
Leider kann man im DJV die Namen der Mitglieder, die sich an der Seite des früheren Verbandsjustiziars Benno Hemmers Pöppelmann um die Verwertungsgesellschaften kümmern, an den Fingern einer Hand abzählen. Bei der DJU sieht es noch trauriger aus. Ich sehe da niemanden unter 60 Jahren mit den Hufen scharren, weil er oder sie die amtierenden Mitt- bis Endsechziger beerben wollte. Ohne Boomer und Rentner wie Benno und seinen langjährigen Weggefährten bei ver.di, Wolfgang Schimmel, die als Juristische Berater der Autoren-Berufsgruppen weitermachten, hätten wir längst den Stillstand der Rechtspflege ausrufen müssen.
Das Nachwuchsproblem ist natürlich nicht neu. Als ich mich 2019 im Rahmen der ersten Runde eines fälligen Generationswechsels aus dem Verwaltungsrat zurückzog, war ich mit 60 immer noch der Jüngste in unserer Berufsgruppe. Nach der Wahl sank der Altersdurchschnitt in der BG2 um elf Jahre, davon sind bis zur Wahl im Juni 2023 nur noch sieben übrig.
Deshalb freue ich mich über fast jedes journalistisch tätige Mitglied der VG Wort, das im aktiven Berufsleben steht (d.h. die Aufgaben kennt, die unser Verein meistern muss) und sich für eine Mitarbeit in den Gremien interessiert. Nur fast jedes? Ja. Aus allen drei Berufsverbänden/Gewerkschaften habe ich einzelne Mitglieder kennengelernt, deren Gehirne sich hartnäckig den juristischen Gedankengängen zu entwinden pflegten, die man bei einem Thema wie Urheberrecht begriffen haben sollte. Soweit das Einerseits. Andererseits springen in unserem Beruf so viele Kolleginnen und Kollegen herum, die sich entweder selbst ein paar Semester Jura angetan oder (wie die jetzigen Verwaltungsräte der BG 2 und auch ich) autodidaktisch die Materie erschlossen haben, dass es genug Kandidat:innen gäbe, wenn der Wille da wäre.
Um diesem Willen nachzuhelfen und eine beliebte Ausrede aus dem Weg zu räumen, haben Oliver, ich und rund 70 weitere Unterzeichner am vergangenen Samstag eine deutlich angemessenere Entschädigung der Gremien-Mitglieder für die in Sitzungen verbrachte Zeit durchgesetzt. Nach elf Jahren ohne jede Erhöhung zieht die VG Wort damit ab sofort gleich mit der VG Bild-Kunst. Lag die Kompensation für eine normale Verwaltungsratssitzung, die in meiner Zeit zwischen sechs und acht Stunden dauerte, bisher bei 200 Euro, gibt es jetzt 350 Euro. Dies entspricht der Größenordnung des Honorars, das freie Journalist:innen bei einer fairen Vergütung für einen Arbeitstag in Rechnung stellen könnten.
Leider haben „nur“ 60 Prozent der Mitglieder zugestimmt. Die anderen hatten vermutlich das Kleingedruckte nicht gelesen oder es missverstanden und nicht nachgefragt. Deshalb hier noch einmal im Klartext: Die beschlossene Regelung, dass grundsätzlich nur „Berufstätigen“ die Entschädigung zusteht, bedeutet nicht, dass man automatisch leer ausgeht, sobald man eine Altersrente bezieht. Es war immer Konsens in unseren Gremien und auch in den Berufsverbänden, dass man solange einer Berufstätigkeit nachgeht, wie man etwas veröffentlicht. Wer seine Rente aufbessert, indem er oder sie weiterhin Texte schreibt, die man bei der VG Wort melden kann, ist selbstverständlich noch berufstätig. Im Übrigen enthält der beschlossene Antragstext eine Klausel, die den Verwaltungsrat ermächtigt, mit einfacher Stimmenmehrheit in begründeten Fällen Ausnahmen zu beschließen. Persönlichkeiten, die in vorangeschrittenem Alter tatsächlich nichts anderes mehr machen, als sich zum Wohle der Mitglieder in der VG Wort zu engagieren, sind also weder gemeint noch betroffen. Es reicht völlig, wenn der Verwaltungsrat die Ausnahme einmal im Jahr bestätigt – am sinnvollsten im Rahmen des obligatorischen Transparenzberichts, in dem die Zahlungen an die Ratsmitglieder ohnehin ausgewiesen werden müssen.
Das Gleiche gilt analog für die im Antrag genannten Angestellten. Sie sollen nur dann keine Entschädigung erhalten, wenn sie während ihrer vom Arbeitgeber vergüteten Arbeitszeit an den Sitzungen teilnehmen. Denn, so unser Hintergedanke, es ist weder sachlich gerechtfertigt noch den Mitgliedern vermittelbar, wenn beispielsweise ein gut dotierter Geschäftsführer eines internationalen, vielleicht sogar börsennotierten Verlags quasi ein Zubrot erhält, das überwiegend von den Urhebern bezahlt wird. Für anders gelagerte Fälle haben wir aber – für alle Berufsgruppen – die Hintertür offengelassen: Wer für seine Gremienarbeit unbezahlte Überstunden schieben muss, braucht ja nur zu erklären, dass er nicht während seiner Arbeitszeit in den Sitzungen hockt. Keiner der Antragsteller hat verlangt, dass die VG Wort dies (wie Skeptiker am Samstag befürchteten) in jedem Einzelfall überprüft. Diese Bürokratie wäre natürlich völlig unverhältnismäßig, wurde aber von uns Antragstellern auch gar nicht gefordert. Der Intention unseres Antrags ist vollumfänglich Genüge getan, wenn die Person auf ihrer Reisekostenabrechnung ein Kästchen ankreuzt und unterschreibt, dass durch die Sitzung ein Zeitversäumnis im Sinne der Satzung eingetreten ist, für das sie eine Entschädigung verlangt. Nur wer das wahrheitswidrig ankreuzt, haftet hierfür. Vergleichbare Standardformulare kenne ich von Gremiensitzungen des DJV, der mit dem Verwaltungsaufwand kein Problem hat.
Langer Rede kurzer Sinn: Wer das draufhat, was wir Mitglieder von unseren Interessenvertretern erwarten dürfen, braucht nicht zu befürchten, dass ihm die investierten Tage noch so ein Loch in den Geldbeutel reißen werden, wie ich das aus meiner Zeit als Gremlin kenne.
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