Liebe Urheberinnen und Urheber,
gestern hat sich ja der Berufsverband Freischreiber an einer Demo in Berlin beteiligt, die das Ziel hatte, die neue EU-Richtlinie zum Urheberrecht zu Fall zu bringen. Ihre „lieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter“, so die Freischreiber-Vorsitzende Carola Dorner, sind Leute, die das unserem Urheberrecht zugrunde liegende Konzept des Geistigen Eigentums (englisch: Intellectual Property) ablehnen und von einer Wissensallmende träumen, in der unsere Werke gemeinfrei sind.
Dorner hat auf der Demo eine Rede gehalten, die man nicht unkommentiert lassen kann. Deshalb mache ich heute ausgiebig vom Zitatrecht Gebrauch.
„Um diese Reform … ranken sich einige Missverständnisse. Um ehrlich zu sein, habe ich schon lange den Verdacht, keiner hat sie so richtig verstanden …“
„Keiner“ ist sicherlich übertrieben. Dass viel zu viele es nicht richtig verstanden haben, unterschreibe ich sofort. Ich habe allerdings den Verdacht, dass hier jemand von sich auf andere schließt.
„… und jetzt soll sie vor der Wahl noch schnell durchgewunken werden weil sie so lästig und sperrig ist.“
Das ist nur peinlich – nicht nur wegen der Begründung. Von „schnellem Durchwinken“ kann keine Rede sein, wenn die Anfänge fünf Jahre zurückliegen und die intensivere Vorarbeit vor drei Jahren begonnen hat. Vor allem drückt sich Kollegin Dorner durch den Passiv darum, einen Schuldigen für Ihren Vorwurf zu nennen: WER will etwas schnell durchwinken? „Das“ Parlament kann es nicht sein, auch nicht bestimmte Fraktionen, denn die Zustimmung und Ablehnung hält sich in diesem Fall nicht an Parteigrenzen. Das weiß jeder, der die Debatten verfolgt hat. „Der“ Rat? Also 28 (bald 27) Regierungen? Die Kommission?
Nein, es war genug Zeit, der Kompromiss war schwierig, und wie jeder Kompromiss bringt er keiner Seite alles, was diese gerne erreicht hätte. That‘s democracy, stupid! Eher ist es so, dass der Zeitdruck vor der Wahl dazu beigetragen hat, überhaupt eine abstimmungsreife Fassung auf die Schiene zu kriegen.
Liebe Kollegin Dorner,
stellen Sie sich vor, Sie haben eine Redaktion mit so vielen Redakteuren, wie das EP Mitglieder hat, mit Schlussredakteuren und Textchefs und Herausgebern, die alle mitreden wollen. Am 25. März ist Redaktionsschluss, danach wird die Redaktion entlassen. Sie möchte aber nicht für den Papierkorb geschrieben haben. Am 26. Mai können sich zwar alle Redakteure neu bewerben, doch es kommen voraussichtlich jede Menge Neulinge rein, denen ganz andere Themen wichtig sind …
Glauben Sie ernsthaft, das neue EP und die neue Kommission und der Rat setzen sich im Sommer als erstes hin, schnüren das Paket noch mal auf und erfüllen Ihre Wünsche?
„Erst abstimmen, dann das Kleingedruckte lesen.“
Reine Polemik ohne Plausibilität. Sind Sie Journalistin oder Kampagnenbeauftragte? Wer das Kleingedruckte nicht gelesen hat, sind gewiss die meisten derer, die sich echauffieren. Abstimmen tut das Parlament, und die Abgeordneten haben jahrelang um dieses Kleingedruckte gerungen.
„Die Reform ist in ihrem jetzigen Zustand ein Flickenteppich, zusammengeschnitten aus Partikularinteressen und nur weil hier und da ein Faden vielleicht ganz hübsch ist, bleibt sie doch in ihrer Gesamtheit ein Flickwerk, das einer Gruppe bestimmt nicht nützt: den Urhebern.„
Nennen Sie mir einen einzigen politischen Kompromiss mit derart heterogenen Stakeholdern, über den man das mit etwas bösem Willen NICHT sagen könnte! Europa, genauer: die EU, funktioniert so, dass diese verschiedenen Interessen von Lobbyisten artikuliert werden und dann Kommission und Parlament versuchen, eine Lösung zu finden, mit der alle leben können. Unsere Interessen als Urheber sind aus Außensicht auch Partikularinteressen. Es gibt kein „wir“ und „die“. Wir sind Teil des Spiels – wenn wir mitmachen. Wenn wir uns nicht verweigern und den Europagegnern in die Hände spielen wollen.
A propos Partikularinteressen: Die Freischreiber sind das Musterbeispiel einer Partikularinteressenvertretung. Innerhalb des Journalismus vertreten sie allein die Freiberufler. Ich finde das nicht opportun, aber legitim. Nur entlarvt sich Ihre Argumentation damit eben selbst – als scheinheilig oder betriebsblind. Sie wissen schon: Die Kritiker der Elche sind selber welche.
„In den letzten Monaten stand immer wieder in der Zeitung, mit der geplanten Urheberrechtsreform sollten die Interessen der Urheber vor den großen Digitalkonzernen geschützt werden.“
Lesen Sie nur die FAZ? Ich habe – leider – auch ganz andere Dinge gelesen, die wenig(er) Substanz hatten.
„Als Freischreiberin, als freie Journalistin bin ich selbst Urheberin, und ich bin heute hier, um diese Missverständnisse aus Urheberperspektive gerade zu rücken.“
Pardon, aber Urheberin zu sein allein reicht nicht, um zu wissen, was gerade ist und was schief. Man muss sich mit einer so komplexen Materie schon näher befassen. Als die Freischreiber ab 2016 unter Ihren Mitgliedern für eine Mitgliedschaft in der VG Wort geworben hatten, ging ich eigentlich davon aus, dass bald die ganze Führungsriege bei uns in den Versammlungen aufkreuzt. Sie als Vorsitzende des Berufsverbandes, der immerhin Martin Vogel seinen „Himmelpreis 2016“ verliehen hat, habe ich da noch nie gesehen. Auch wenn Sie, was denkbar wäre, nicht die Mitgliedschaftsvoraussetzungen erfüllt haben sollten, hätten Sie wenigstens zu den Versammlungen der Wahrnehmungsberechtigten kommen können. Übrigens hat auch niemand aus Ihrem Verein anno 2015 als Delegierter kandidiert. Auf mein Angebot an Sie persönlich, dass wir uns mal kennenlernen und austauschen sollten, haben Sie auch nie reagiert. Sie haben das Thema immer Kollegen überlassen, von denen Sie wohl annahmen, dass die sich besser auskennen. Und jetzt halten Sie Vorträge auf Basis von Wissen aus zweiter und dritter Hand? Das passt doch nicht zusammen.
„Zum einen: diese Reform, insbesondere die Artikel 11, 12 und 13, wird freien Journalisten überhaupt nichts bringen.„
Ich frage mich, wodurch Sie sich zu so einer Aussage befähigt fühlen, zumal Sie sie nur in den Raum stellen, aber nicht begründen. Übrigens hätte ich gerne erfahren, was zum anderen noch zu sagen wäre, jedenfalls ging Ihre Rede so weiter – ich lasse da nichts aus:
„Gelegentlich wird uns in dieser Diskussion vorgeworfen, wir Freischreiber seien rückwärtsgewandt. Das sind wir nicht. Wir sind dagegen, dass hier ein Reformvorschlag Gesetz wird, der den Urheber gegenüber dem Verwerter wieder einmal in eine schlechtere Verhandlungsposition versetzt.“
Damit sprechen Sie offenbar mich an, ohne meinen Namen zu nennen, und verdrehen mir die Worte im Mund. Denn ich habe geschrieben, dass Sie den Status quo mit einem antiquierten Urheberrecht einer Veränderung vorziehen. Der gefettete Satz suggeriert, die Freischreiber seien die einzige (!) Autorenvereinigung, die das Behauptete erkannt hätte. Dabei beweist er nur, dass Sie es sind, die die Richtlinie nicht verstanden hat. Wollen Sie allen Ernstes den Leuten weismachen, Interessenvertreter aller von der Richtlinie betroffenen Berufe – darunter Ehrenamtler mit juristischer Vorbildung und hauptamtliche Justiziare – hätten etwas übersehen, das allein Ihnen aufgefallen sei, oder wir alle wollten mutwillig unsere eigene Verhandlungsposition verschlechtern? Geht’s noch, Frau Kollegin?
Ihr Austritt aus der Initiative Urheberrecht Mitte Februar kommt mir jedenfalls so vor, als trete jemand aus dem ADAC aus, weil er sich einbildet, sein Auto bei einem Ausfall der Steuerelektronik mit seinem Schweizermesser selbst besser wieder flott machen zu können. Für den Fall, dass Sie doch noch tiefer in die Materie einsteigen möchten, verweise ich auf meine vorhergehenden Blogposts, die Sie gerne lesen dürfen, und ich fände es schön, wenn Sie auch den Link zu der Ausarbeitung von Markus Hassold anklicken würden.
„Wie kommt es eigentlich, das frage ich mich immer wieder, dass die Politik den Journalismus immer nur von den Verlagen aus denkt und nicht vom Journalisten aus?“
„Die Politik“ ist eine populistische Vereinfachung, die man sich in einer Zeit verkneifen sollte, in der Parteien wie die AfD Stimmung gegen „die da oben“ machen. Es trifft übrigens gar nicht zu, dass die von Ihnen gemeinte, durchaus einflussreiche Teilmenge „der“ Politiker den Journalismus „nur von den Verlagen“ her denkt. Viele denken ihn auch von den Rundfunksendern aus. Die Antwort auf die Frage ist jedenfalls nicht schwer: Wir sind für sie Schmidtchen und die Verleger sind Schmidt.
Meinen Sie nicht, Sie (nicht Sie allein, Frau Dorner, sondern die Freischreiber) sollten gemeinsam mit den anderen Journalistenorganisationen in Deutschland und Europa Lobbyarbeit dafür machen, dass wir besser wahrgenommen werden? Ich fürchte, genau den Politikern, an denen Sie hier zu Recht verzweifeln, kommt es unter Divide-et-impera-Gesichtspunkten gar nicht ungelegen, wenn die Journalistenszene sich aufspaltet in möglichst viele kleine Organisationen. Denn die Kleinen müssen sich erst mal an den Großen reiben und laut sprechen, um gehört zu werden.
„Wir sind die Urheber“
Wir etwa nicht?
„Und wir haben genug davon, dass wir immer vorgeschickt werden, um die Interessen der Zeitungs- und Buchverlage zu verteidigen. Ich habe nichts gegen Zeitungs- und Buchverlage, wir arbeiten oft sehr gut zusammen. Anders geht es auch gar nicht. Aber hier werden unsere Interessen gegeneinander ausgespielt.“
Wieder dieser Passiv. WER schickt uns vor? WER spielt uns und die Verlage gegeneinander aus? Wenn Sie Ross und Reiter nennen würden, käme ich vielleicht dahinter, was Sie mit dieser verwirrend ambivalenten Passage ausdrücken wollen. Wer sind wir überhaupt, dass wir uns vorschicken LASSEN? Und wie kommen Sie dazu, die Zeitungsverlage (die in der Verwertungsgesellschaft gar nicht mit am Tisch sitzen) mit Buchverlagen in einen Topf zu werfen? Das ergibt keinen Sinn.
Wer die Auftritte Ihrer Freischreiber-Kollegen in der VG Wort miterlebt hat, kann sich ohnehin nur darüber wundern, was Sie hier schreiben. „Anders geht es auch gar nicht“? Stimmt zwar, aber Ihre Mitstreiter haben mehr als einmal kundgetan, dass Verleger aus ihrer Sicht eigentlich in der VG Wort nichts verloren hätten, und sich damit bei den anderen Autoren und Übersetzern unbeliebt gemacht. Wollen Sie jetzt ein verträgliches Miteinander oder ist Ihre Linie doch noch „Krieg den Verlegern“?
„Diese Reform würde die Gräben zwischen Urhebern und Verwertern, zwischen Verlegern und Internetkonzernen nur weiter vertiefen.“
Schon wieder ein Satz, aus dem ich nicht schlau werde. Sie begründen ihn nicht. Artikel 12 ist der Kitt, der in der VG Wort einem tiefen Graben zwischen Urhebern und Verwertern vorbeugen würde. Die derzeitige gesetzliche Notlösung in Deutschland, die Abtretungen von Ansprüchen an Verleger ermöglicht, trägt nicht auf Dauer. Wir brauchen einen europarechtlichen Rahmen für ein Miteinander, denn die eigentliche Gegenseite sind diejenigen, die ins System einzahlen. Die Internetkonzerne sollen per Richtlinie dazu verdonnert werden. Das ist das Fell, um das wir mit den Verlegern streiten können, wenn der Bär erst mal erlegt ist. Ohne Richtlinie läuft der Bär weiter fröhlich durch die Taiga und frisst uns den Honig, die Blaubeeren und die Lachse weg.
Noch eins: Stört Sie wirklich ein Graben zwischen Verlegern und Internetkonzernen? Um welche der beiden Seiten machen Sie sich mehr Sorgen?
„Und bevor etwas anderes behauptet wird: nein, wir sind nicht von Google oder Hewlett Packard gekauft.“
Gekauft bestimmt nicht. So lange die Freischreiber so weiter machen, kommen die Kalifornier völlig gratis in den Genuss Ihrer unfreiwilligen Unterstützung. Die lieben Leute wie Sie! (Wenn ich böse wäre, würde ich unter Berufung auf das Transparenzgebot um Offenlegung bitten, ob Sie ein Aktiendepot besitzen, in dem Anteile eines Fonds liegen, der an IT-Konzernen beteiligt ist. Aber da ich selber Freier bin, weiß ich ja, dass wir alle nicht das Geld für solche Kapitalanlagen haben.)
„Wir sind hier, um der Behauptung entgegenzutreten, bei dieser Reform ginge es um den Schutz der Urheberinnen und Urheber. Diese Behauptung wird nicht dadurch richtiger, dass sie von Verbänden und Politikern dauernd wiederholt wird. Dazu sagen wir ganz klar: Nein, das ist nicht so. Diese Reform bringt uns freie Urheber keinen Schritt weiter.“
Ich halte dagegen. Was Sie behaupten, wird durch Wiederholung nicht wahr. Diese Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich bin auch dann dafür, wenn sich beispielsweise herausstellen sollte, dass Komponisten (das sind alles Freie) mehr davon profitieren als Journalisten. Ich finde nämlich, dass Urheber zusammenhalten müssen, und würde mich schämen, wenn mein Verband, der DJV, allein auf die Partikularinteressen einzelner Urheber schielen würde. Wir sind aber Mitglied der Initiative Urheberrecht und ziehen mit den anderen an einem Strang.
„Hier ist heute schon viel über den umstrittenen Artikel 13 gesprochen worden. Der ist aber bei Weitem nicht der einzige gute Grund, diese Reform abzulehnen.“
Artikel 13 war ja der alleinige Grund für die Veranstalter der Demo, an die Sie sich angehängt haben. Aus Urhebersicht gibt es keinen Grund, diesen Artikel abzulehnen, schon gar keinen, der so gut wäre, deshalb die ganze Reform abzulehnen. Ich will das hier aber nicht zum x-ten Mal wiederholen.
„Als Freischreiber, als freie Journalistinnen und Journalisten wenden wir uns vor allem auch gegen Artikel 12, der in den letzten Monaten still und heimlich unter den Teppich gekehrt wurde. Über Artikel 12 wird von Zeitungen nicht berichtet, und ihr werdet gleich verstehen, warum das so ist. Mit Artikel 12 soll nämlich festgeschrieben werden, dass Verlage in Zukunft wieder einen Anspruch auf einen Teil des Geldes haben, das wir Urheber von Verwertungsgesellschaften erhalten.“
Na super: Freie Journalistin klagt über Lückenpresse, verschwörungstheoretischer Unterton inklusive. Wer das als unbefangener Demo-Teilnehmer hört, kann das nicht anders verstehen als dass die Zeitungsverleger ihren Redaktionen verboten hätten, den Artikel zu erwähnen. Vorsichtshalber drückt sich Kollegin Dorner wieder durch eine Passiv-Konstruktion darum, Ross und Reiter zu nennen.
Machen wir für diese unbelegte Unterstellung doch mal eine Plausibilitätsprüfung und ein Fact-Checking:
– Ist das Thema für Zeitungsleser interessant? Wohl kaum. Es betrifft nur das Binnenverhältnis zwischen Autoren und Auftrag- bzw. Arbeitgebern. Darüber haben Zeitungsredaktionen noch nie viele Worte verloren. Außerdem ist das Thema nicht in ein paar Sätzen erklärt. Fürs Publikum war das von den Agendasettern um Julia Reda vorverkaufte Thema Plattformhaftung attraktiver, so dass die Redaktionen sich darauf konzentriert haben. Der Verdacht auf angeordnete Heimlichtuerei wäre bei Artikel 11, von dem die Blätter auch nicht direkt voll waren, plausibler gewesen.
– Geht es bei der Presse-Repro-Vergütung um relevante Summen? Nein. Den Zeitungsverlagen ging es immer primär um die Pressespiegel-Tantiemen. Als Unternehmen und Behörden ihre Pressespiegel noch am Fotokopierer erstellten, mussten Firmen und Behörden diese bei der VG Wort anmelden und dafür bezahlen. Seit etlichen Jahren werden Pressespiegel fast nur noch elektronisch erstellt, und dafür gilt eine andere Rechtslage. Deshalb verkauft heute eine von den Zeitungsverlagen gegründete Firma, die Presse Monitor GmbH (PMG), Lizenzen an die Firmenpressestellen. Die PMG beteiligt die VG Wort an ihren Einnahmen, und die schüttet wiederum diesen Anteil komplett an die Autoren aus. Das heißt, die Verleger haben ihr Geld für diese wichtige Nutzung schon, bevor die VG Wort überhaupt ins Spiel kommt. Hieran ändert die Richtlinie überhaupt nichts. Das deutsche Urheberrecht überlässt also seit Tagen der rot-grünen Bundesregierung den Löwenanteil den Verlegern. Presse-Repro, vereinfacht gesagt die Vergütung für Kopien außerhalb von Pressestellen, ist hingegen Sache der VG Wort. Was da anfällt, ist für die Verleger, die im Jahr siebeneinhalb Milliarden Euro umsetzen, Kleingeld. So entfielen auf Zeitungs- und Zeitschriftenverleger zusammen (!) 2012 – in dem Jahr, in dem der Vogel-Prozess begann – anderthalb Millionen Euro oder 0,2 Promille ihres Umsatzes. Dieses Geld wurde aber gar nicht den Verlagen ausgezahlt, sondern ihren Verbänden zweckgebunden für deren Akademien, in denen Volontäre und Redakteure aus- und weitergebildet wurden; freie Journalisten verdienten sich dort als Dozenten Honorare. Der Zeitungsverlegerverband BDZV hat seine Akademie (ABZV) nach dem Vogel-Urteil 2016 geschlossen, weil die Mitgliedsverlage die Kosten nicht übernehmen wollten.
– Wollen oder können die Zeitungsverlage mittels Artikel 12 mehr aus der VG Wort herausholen? Dafür gibt es keine Anzeichen. Sie sind nicht in den Gremien der VG Wort vertreten und haben auch noch nicht beansprucht, in der Mitgliederversammlung mitzureden. Seit die (Teil-)Finanzierung der Akademien aus VG-Wort-Mitteln nicht mehr möglich ist, könnten Zeitungsverlage wieder unmittelbar einen Anteil an Presse-Repro kassieren, aber nur über die freiwillige Abtretung eines 30-Prozent-Anteils durch die Journalisten. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Autoren und Schriftstellern geben Zeitungsjournalisten ihren Verlegern aber so gut wie nie etwas ab. Artikel 12 würde zwar einen Rechtsrahmen vorgeben, innerhalb dessen sie einen Prozentsatz X von den Peanuts abbekommen könnten. Doch den dafür nötigen Paragrafen im Verteilungsplan müsste die Mitgliederversammlung der VG Wort mit Zweidrittelmehrheit aller Berufsgruppen beschließen – was nicht denkbar ist. Damit bleibt nur die Online-Vergütung nach Metis, bei der die Zeitungsverlage mit anderen Websitebetreibern in einem Boot sitzen. Wenn die Mitgliederversammlung sich auf eine feste Quote Y einigt, gilt diese auch für ihre Onlineseiten. Innerhalb der VG Wort Einfluss nehmen können sie aber nicht. Ihre Rolle würde sich auf die des Nutznießers einer zwischen den Autoren und den Buchverlagen ausgehandelten Einigung beschränken.
„Dieses Geld bezahlen letztlich wir alle. Wenn wir ein Smartphone kaufen oder einen USB-Stick oder einen Kopierer. Im Preis ist eine Urheberrechts-Abgabe enthalten, die an Autorinnen und Autoren – beziehungsweise bei der GEMA an Komponisten und Textdichter – fließt. Das ist die sogenannte Privatkopie-Abgabe. Diese Abgabe wurde eingeführt, um Urheber zu stärken – und nicht die Verwerter.“
Das ist schlichtweg unwahr. Das System der Privatkopie wurde vor Jahrzehnten eingeführt, zu einer Zeit, als die Beteiligung der Verwerter (= Verleger) vollkommen unstrittig war. In der Frühzeit ging es um Fotokopierer, wobei bei Copyshops nicht die Geräte mit einer Abgabe belegt wurden, sondern die kopierten Seiten. Mit der Zeit kamen Abgaben auf Leerkassetten, Aufnahmegeräte, Faxgeräte, CD-ROMs, USB-Sticks, PCs, Drucker, Multifunktionsgeräte usw. hinzu.
Eingeführt wurden Urhebervergütungen (einschließlich der Verlegeranteile) nicht, um irgendwen zu stärken. Es ging um den gerechten Ausgleich dafür, dass umso weniger Originale verkauft werden können, je leichter es ist, brauchbare Kopien anzufertigen. Es handelt sich um eine gesetzliche Schrankenregelung: Indem der Gesetzgeber den Bürgern erlaubt, Kopien anzufertigen, ohne die Rechteinhaber fragen zu müssen, mutet er diesen einen wirtschaftlichen Schaden zu – und gewährt ihnen dafür per Pauschalabgabe einen gewissen Ausgleich. Stärkung wäre etwas vollkommen anderes, nämlich Sozialpolitik. Wer solche Behauptungen in die Welt setzt, hat den Sinn, den Charakter und die rechtliche Basis des Urheberrechts nicht verstanden.
„Trotzdem war es lange Praxis, dass Verwerter die Hälfte des Geldes bekamen.“
Das ist eine offensichtlich bewusste Irreführung des Publikums. Kollegin Dorner erweckt den Eindruck, dies sei die Regel gewesen und nicht die Ausnahme, die es tatsächlich war. Die Hälfte des Geldes bekamen Verleger, die in die Zuständigkeit der „Abteilung Wissenschaft“ fielen, welche aus der früheren eigenständigen VG Wissenschaft hervorgegangen war. Niemals haben Zeitungsverleger die Hälfte abbekommen. Rundfunkanstalten und Privatsender bekommen gar nichts.
„Durch jahrelanges Prozessieren hat Martin Vogel erreicht, dass die Abgaben jetzt dort landen, wo sie hingehören: bei den Urhebern.“
Dass „Urheberabgaben“ zu 100 Prozent den Urhebern zustehen, klingt plausibel, war aber jahrzehntelang nicht die geltende Rechtsmeinung. Die Verlegerbeteiligung lief bei den Juristen unter „abgeleitete Rechte“ und war bis zu Novellierung des deutschen Urheberrechts auch allgemein anerkannt. Seither sehen die Verlage es so, dass man ihnen etwas weggenommen habe, zumal die Fachbuchverleger zunächst erfolgreich gegen unseren Versuch prozessierten, ihren Anteil ein bisschen abzuschmelzen. Mit dem „2. Korb“ der Urheberrechtsmodernisierung entstand eine Diskrepanz zwischen dem urheberfreundlichen Wortlaut des Gesetzes und dem in der Gesetzesbegründung manifestierten, verlegerfreundlicheren Willen des Gesetzgebers. Der BGH kippte diese wacklige Sache zugunsten des Klägers.
„Damit könnte es bald wieder vorbei sein. Artikel 12 besagt, dass alle Länder, die früher eine Verlegerabgabe hatten, diese wieder einführen. In Deutschland wäre das der Fall, Urheber in skandinavischen Ländern bekämen weiterhin den kompletten Satz.“
Das besagt er nicht. Er besagt, dass es ihnen erlaubt ist, sie wieder einzuführen. Und er besagt auch keineswegs, dass alte Verteilungspläne automatisch wieder gültig würden.
„Artikel 12 schreibt in der EU-Gesetzgebung eine Ungleichbehandlung der Urheber und Urheberrinnen unterschiedlicher europäischer Länder fest. Wie kann das sein?“
Das kann sein, weil es sich um eine Richtlinie handelt und nicht um eine Verordnung oder ein Gesetz. Das kapieren leider die meisten nicht, die sich über die Richtlinie echauffieren. Richtlinien geben einen Rahmen vor, innerhalb dessen es Spielräume gibt. So darf man zwar irgendwo in der EU zugelassene Autos in jedem Land fahren, aber nicht überall so schnell wie in Deutschland.
„Von diesem Geld also, will das europäische Parlament den Urhebern in Zukunft etwa die Hälfte wegnehmen und es an Verlage verteilen.“
Noch mal, Frau Dorner: Sie machen sich eine dreiste Lüge zu eigen. Wissen Sie es wirklich nicht besser oder ist das Absicht? Sie torpedieren damit die Arbeit der Gremien der Verwertungsgesellschaften, in diesem Fall unsere. Auf Basis der Richtlinie kann der Bundestag nur den VGs erlauben, die Verleger wieder in ihren Verteiligungsplänen zu berücksichtigen. Ausgehandelt wird die Höhe innerhalb des Vereins.
„Und warum? Weil Verleger und Urheber angeblich gegen die bösen Digitalkonzerne zusammenhalten müssen. Moment mal: Wir Urheber sollen auf die Hälfte des Geldes verzichten, damit Verleger es leichter haben, Leistungsschutzrecht und Uploadfilter durchzusetzen? Also ich verstehe das nicht.“
Ich finde es böse, was die Digitalkonzerne mit den Werken der Urheber machen. Ohne Ironie. Don’t be evil? Lachhaft. Und noch noch noch noch einmal: Niemand soll auf die Hälfte verzichten. Und welches Interesse ein Verleger an einem Upload-Filter haben sollte, wird auch Ihr Geheimnis bleiben. Medienunternehmen haben ein gemeinsames Interesse mit u.a. Komponisten, Lizenzgebühren zu erhalten. Ein Interesse an Upload-Filtern hat – wenn überhaupt – derjenige, der sich um die Lizenzgebühren drücken will, also Google. Deshalb fordert die Richtlinie diese Filter auch nicht. (Was man wissen kann, wenn man will.)
„Überhaupt dieses Leistungsschutzrecht für Presseverlage, das mit Artikel 11 kommen soll. Ständig lesen und hören wir, es gehe auch bei diesem Teil der Reform darum, dass Urheberinnen und Urheber in Zukunft mehr Geld bekommen. Dazu sollte man wissen, dass es dieses Recht in Deutschland bereits seit sechs Jahren gibt. Warum, frage ich mich, ist dann noch kein einziger Cent bei uns Urhebern eingetrudelt? Weil die Verlage es gar nicht anwenden. Und genau das ist auch zu erwarten, wenn es dieses unsinnige Leistungsschutzrecht EU-weit gibt – es wird den Urheberinnen und Urhebern gar nichts bringen.“
Wenn sich eines Tages erweist, dass Sie Recht hatten und es nichts bringt, warum die Aufregung? Es schadet nichts. Und wenn es was nützt, dann nützt es auch uns wenigstens ein bisschen. Lesen Sie nach Art. 13 weiter, da kommt noch was dazu, warum. Ich erkenne im übrigen nicht, warum man etwas verhindern sollte, von dem andere sich etwas versprechen und das einem selbst nicht weh tut. Da kann ich mir als Motiv nur Missgunst oder Rache vorstellen. (Ja, es gibt ein paar Zeitungsverleger, bei denen Rache süß wäre, ich gebe es zu. Aber das ist doch unter unserem Niveau, oder?)
„Wir als freie Journalisten brauchen weder ein Presseverleger-Leistungsschutzrecht noch eine Verlegerbeteiligung bei den Verwertungsgesellschaften. Was wir brauchen, ist ein durchsetzungsfähiges Vertragsrecht, das unsere Stellung gegenüber den Verwertern stärkt.“
Lesen Sie hinter Artikel 13 weiter. Da kann man sich mehr vorstellen, aber es geht in unsere Richtung. Man kann die Schraube weiterdrehen, und die Richtlinie hindert den Bundestag nicht, im Urhebervertragsrecht mehr zu tun. Es setzt die Mindeststandards für viele Urheberkolleginnen und -kollegen in Europa herauf.
„Wir wollen nicht weiterhin gezwungen werden, die Rechte an unserer Arbeit gegen viel zu geringe Pauschalvergütungen aus der Hand zu geben. Doch genau das soll den Verlagen weiterhin erlaubt sein: Ursprünglich gab es in der Reform eine Formulierung, um diese Total Buy out-Verträge zu verbieten. Die wurde aber zuletzt rausverhandelt und steht nicht mehr drin.“
Das ist einer der Punkte, über die man sich ärgern kann. Aber entscheidend ist, dass die Richtlinie, wenn sie jetzt durchgeht, zwingend zu einer Novellierung des deutschen Urheberrechts binnen zwei Jahren führt. Man kann Knebelverträge auch im nationalen Alleingang verbieten, daran hindert die Richtlinie den Bundestag nicht. Ohne Richtlinie gibt es keinen Druck für Bundestag und Bundesregierung, rasch etwas am Urheberrecht zu ändern. Insofern bereitet die Richtlinie den Boden für gute Lobbyarbeit.
„Dabei wäre das mal ein Grund gewesen, die Reform zu loben. Chance leider vertan.“
Es ist nicht aller Tage Ende. Die Flinte ins Korn zu werfen, ist keine Option.
„Viele Politikerinnen und Politiker glauben dieser Tage, sie müssten irgendeinen Kompromiss zwischen den Interessen der Urheber und der Nutzer finden. Liebe Leute, das ist falsch!“
Könnte ich fast so unterschreiben, aber…
„Ihr müsst aufhören, die Interessen der Verlage mit denen der Urheber und die der Internet-Konzerne mit denen der Nutzer zu verwechseln.“
Wer tut das denn? Es gibt allenfalls Nutzer, die sich von den Internet-Konzernen einreden lassen, diese stünden auf ihrer Seite. Dumm kann man sein. Kein Artikel 13 heißt: Die Nutzer sind weiterhin haftbar und die YouTube-Anwälte (neues Wort, das ich gelernt habe, es sind nicht YouTubes Anwälte) haben weiterhin viele Mandanten, die Schutz vor Abmahnanwälten suchen, welche ebenfalls nur solange ausgelastet sind, wie nicht die Plattform für die Uploads ihrer User haftet.
„Eure Urheberrechtsreform nützt uns journalistischen Urhebern überhaupt nichts. Aber sie schadet der demokratischen Netzöffentlichkeit enorm.“
Überhaupt nichts, enorm… Unbelegte Behauptungen gewinnen nicht an Gewicht, wenn man sie rhetorisch aufpustet. Ich bin enttäuscht, dass das Ihr Niveau sein soll.
„Liebe Europäische Kommission: Wir sind kein desinformierter Mob, wir sind die Urheber. Führt Euren Klassenkampf von oben nicht im Namen der Urheberinnen und Urheber. Dankeschön!“
Kein Mob im Sinne von Mafia, das ist klar. Vielleicht dachte der Verfasser an einen Flashmob. Das sind normalerweise nette Leute wie Sie, die nur gute Absichten haben, aber ziemlich unvorbereitet in ein Event reinschlittern. Und Desinformation haben Gegner der Reform leider in erheblichem Umfang vom Stapel gelassen.
Und das mit dem Klassenkampf von oben – also dem „Generalangriff des organisierten Kapitals gegen die Arbeitnehmer“ – müssen Sie mir bei Gelegenheit noch mal erklären.
Sie sind der oder die 2596. Leser/in dieses Beitrags.
„Ich glaube, dass kaufmännische Dinge nicht so das Ihre sind. Netto heißt ohne Mehrwertsteuer. Was dem Finanzamt zusteht, kann der Verlag ja nicht Ihnen geben. Der Rest: siehe oben“.
Ich weiß, was Netto heißt. Bei meinem Kommentar bin ich natürlich davon ausgegangen, dass der Unterschied zwischen „Nettopreis“ (Nettoladenpreis) und „Nettobuchpreis“ bekannt ist. Was Sie offenbar nicht wissen und weswegen Sie mir nicht nur an einer Stelle nicht folgen können ist:
Im Fachbuchbereich ist meines Wissens – und dafür gibt es viele Quellen – die Regel, dass Autoren eben nicht 8-12% vom Buchpreis minus Mehrwertsteuer erhalten (Nettopreis oder auch Nettoladenpreis). Die Rechnung scheint hier üblicherweise (sofern kein Pauschalhonorar gezahlt wird) so zu sein: Buchpreis minus Mehrwertsteuer minus durchschnittlicher Buchhändlerrabatt (das wird u.a. – aber nicht nur – hier: http://www.buch-schreiben.de/buch-veroeffentlichen/autorenhonorar.php als „Nettobuchpreis“ bezeichnet) und erst von diesem Rest dann die 8-12%. Das ist ein ziemlicher Unterschied.
Auch wenn Autorenhonorare und VG WORT-Ausschüttungen logischerweise zwei unterschiedliche Dinge und Töpfe sind und die VG WORT nicht für Autorenhonorare zuständig ist:
Letztlich zählt, was insgesamt unter dem berühmten Strich auf dem Konto landet(e). Erhält man schon nur 8-12% eben ja nicht vom Nettoladenpreis, sondern nur vom Nettobuchpreis, und musste dann noch 50% der Ausschüttungen abgeben, der fragte sich eben schon, ob man wirklich nochmal was bei einem Verlag schreiben will.
Dass die 50:50 Geschichte sind, denke ich auch. Sie bringen 70:30 als möglicherweise zukünftige Aufteilung ein. Es wird sich weisen, was passiert.
Aha, Sie reden vom Verlagsabgabepreis. (Den Ausdruck Nettobuchpreis kennt nicht einmal der Börsenverein, ich habe da nachgefragt.)
Schön jedenfalls, dass Sie einsehen, dass die VG Wort keinen Einfluss auf Honorare hat. Die logische Schlussfolgerung ist, dass sie auch keinen Einfluss auf das hat, was unter dem Strich steht. Und wie gesagt: Niemand muss in einem Verlag publizieren. Ob unter dem Strich ohne Verlag mehr steht, ist halt die Frage. Bei einem sehr professionellen Autor mit guter Marktkenntnis mag das ja sein, aber das ist bei weitem nicht die Regel. Selbst Bestsellerautoren arbeiten beinahe immer mit Verlagen zusammen – mit der Begründung, dass ihre Bücher dank der Betreuung durch gute Lektoren noch besser und erfolgreicher werden.
Herr Froitzheim, ich denke, dass Sie die einige Auswirkungen der EU-Urheberrechtsreform unterschätzen – gerade hinsichtlich Artikel 13. Ich will aber eher etwas kommentieren:
Für die Freischreiber habe ich viel Sympathie. Gleichwohl fand ich die Rede an einigen Stellen mindestens nicht hilfreich. Natürlich hätte gesagt werden müssen, dass die 50:50-Ausschüttungspraxis nicht generell galt, sondern im Bereich „Wissenschaft/Fachbuch“. Auch haben Sie natürlich dahingehend völlig recht, dass es sich um eine Richtlinie handelt und nicht um die konkrete Ausgestaltung in Prozentzahlanteilen einzelner VG.
Sie schreiben anderer Stelle: „Dass die Autoren-BGs ‚nach Vogel‘ je wieder halbe-Aufteilung zustimmen würden, wie sie im Bereich Wissenschaft früher galt, ist unvorstellbar. Wer etwas anderes behauptet, betreibt Panikmache“.
Für Panikmache halte ich es nicht. Immerhin schreiben Sie selber: „Seither sehen die Verlage es so, dass man ihnen etwas weggenommen habe, zumal die Fachbuchverleger zunächst erfolgreich gegen unseren Versuch prozessierten, ihren Anteil ein bisschen abzuschmelzen.“
Ich fühle ich mich – auch wenn ich einiges der Kritik an den Freischreibern teile – noch am ehesten von den Freischreibern vertreten, obwohl es sich um eine andere Urhebergruppe handelt. Man muss schon sagen: Wer vertritt denn überhaupt Interessen von Fachbuchautoren? Ich sehe niemanden. Jetzt könnten Sie sagen: „Werden Sie doch Mitglied der VG WORT!“.
Würde ich und vielleicht auch andere. Nur sorgt ja gerade die 50:50-Ausschüttungspraxis schon für eine etwas höhere Hürde. Zusammen mit anderen Faktoren.
Man könnte sagen: „Gründen Sie doch eine Interessensvertretung!“. Tatsächlich wäre diese bitter nötig. Nicht nur wg. Vertretung in der VG WORT. Sie wäre bitter nötig, um für bessere Autorenhonorare zu streiten. Dafür, dass auch hier Autorenhonorare auf Basis des Netto-Preises und nicht wie es die Regel zu sein scheint auf Basis des Netto-Buchpreises gezahlt werden. Wir haben hier ja zwei Töpfe, die formal zwar natürlich nicht zusammengehören, blickt man auf das, was unterm Strich herauskommt allerdings schon. Werden hier Autorenhonorare quasi auf Basis dessen bezahlt, was der Buchhandel durchschnittlich so übrig lässt und müssen Fachbuchautoren – wie es gängige Praxis war – noch 50% der Ausschüttungen abgeben, dann überlegt man es sich schon sehr, ob man überhaupt noch ein zweites – geschweige den drittes Buch – bei einem Verlag schreibt.
Es ist nun keineswegs so, dass ich verlegerische Leistung nicht zu würdigen wüsste. Das Gegenteil ist der Fall und in ein generelles Verlagsbashing mag ich nicht einstimmen. Nur muss man schon sagen, dass dreifach zu Lasten von Autoren und damit den eigentlichen Urhebern eingestrichen wurde: 1. Nettobuchpreis, statt Netto-Preis, bei den Honoraren, 2. bei den jährlichen Bibliothekstantiemen und 3. bei der Einmalzahlung für ein veröffentlichtes Buch.
Ich maße mir nicht an, für „die“ Fachbuchautoren zu sprechen. Das tun schon verwirrend viele oder glauben es zu tun. Selbstverständlich kenne ich nicht jeden Fachbuchautor. Nur: Kein einziger, mit dem ich gesprochen habe, hat den Eindruck tatsächlich von der VG WORT vertreten zu werden. Keiner. Im Gegenteil. Und der negative Eindruck verstärkt sich weiter, wenn dann noch darüber jubiliert wird, dass – sofern diese EU-Urheberrechtsreform kommt – Verlage zukünftig wieder beteiligt werden dürfen. Aber das Leben ist ja gnädig: Man muss nicht unbedingt Fachbücher schreiben und wenn, dann nicht unbedingt bei einem Verlag.
(Jetzt hoffe ich aber erstmal, dass es hier keine Zeichenbegrenzung gibt 🙂 )
Für Panikmache halte ich es nicht.
Doch. Ich erklär‘s Ihnen: Die VG Wort funktioniert nach dem Konsensprinzip. Die 50 Prozent waren historisch bedingt, sie stammten aus der VG Wissenschaft, die nach der Fusion mit der VG Wort zu deren „Abt. Wissenschaft“ wurde. Wort hatte also 30 %, Wissenschaft 50 % – und die Regelung, dass Verteilungspläne nur mit Zustimmung aller Berufsgruppen (also auch der Wissenschaftsverleger) geändert werden konnten, sorgte für Besitzstandswahrung. Nach dem Vogel-Urteil musste ein neuer VP her, und auch die Wissenschaftsverleger hatten keine andere Wahl, als einer Regelung zuzustimmen, die ihnen im Fall, dass der Autor bereit ist, den Verlag zu beteiligen, einen im Verteilungsplan für verschiedene Konstellationen unterschiedlich hohen Anteil sichert. Die Schraube lässt sich nicht zurückdrehen, denn es gibt mindestens zwei Autorengruppen (1+2), die ihr Veto einlegen würden. Einen Konsens aller BG für 50 % wird es nicht geben, no way.
„Wer vertritt denn überhaupt Interessen von Fachbuchautoren?“ Fragen Sie ver.di (kein Witz).
Jetzt könnten Sie sagen: „Werden Sie doch Mitglied der VG WORT!“.
Das setzt voraus, dass Sie mindestens seit 2016 einen Wahrnehmungsvertrag haben und seither mindestens 1200 Euro Tantiemen kassiert haben. Wenn Sie den noch nicht haben, schließen Sie ihn ab! (https://tom.vgwort.de)
Das kostet nichts und Sie können Ihre Veröffentlichungen melden, bekommen also Tantiemen.
Würde ich und vielleicht auch andere. Nur sorgt ja gerade die 50:50-Ausschüttungspraxis schon für eine etwas höhere Hürde. Zusammen mit anderen Faktoren.
Verstehe ich nicht. Erstens: Es gibt keine 50:50. Autoren bekommen derzeit 100 %, sofern sie nicht ausdrücklich angeben, dass sie den Verlag beteiligen. Zweitens: Es besteht keine Hürde und es gibt auch keine anderen Faktoren. Jeder Autor bekommt einen Wahrnehmungsvertrag kostenlos.
Man könnte sagen: „Gründen Sie doch eine Interessensvertretung!“
Was soll die denn erreichen? Etwas, das die etablierten Autorenverbände nicht erreichen? Wer soll Mitglied werden, wo soll die Verhandlungsmacht herkommen?
Tatsächlich wäre diese bitter nötig. Nicht nur wg. Vertretung in der VG WORT.
Innerhalb der VG Wort gibt es Mitbestimmung. Kommen Sie (sofern Sie einen Wahrnehmungsvertrag haben) am 24. Mai nach München auf die Versammlung. Da werden die Delegierten gewählt, die die wahrnehmungsberechtigten Autoren in der Mitgliederversammlung vertreten. Sie erfahren alles Wichtige und können Fragen stellen. Oder sogar selbst als Delegierter kandidieren.
Sie wäre bitter nötig, um für bessere Autorenhonorare zu streiten.
Das hat aber mit der VG Wort nichts zu tun. Die ist für die Zweitverwertungsrechte zuständig, also Bibliotheken und Kopien. Das Honorar ist Verhandlungssache zwischen Autor und Verlag. Und je mehr piratiert wird, umso weniger Geld nimmt der Verlag ein, umso weniger Spielraum hat er, gute Honorare zu bezahlen. Hohe verkaufte Auflagen sind der einzige Weg, als Autor mehr Geld mit Büchern zu verdienen.
Dafür, dass auch hier Autorenhonorare auf Basis des Netto-Preises und nicht wie es die Regel zu sein scheint auf Basis des Netto-Buchpreises gezahlt werden. Wir haben hier ja zwei Töpfe, die formal zwar natürlich nicht zusammengehören, blickt man auf das, was unterm Strich herauskommt allerdings schon.
Ich kann Ihnen gerade nicht folgen.
Werden hier Autorenhonorare quasi auf Basis dessen bezahlt, was der Buchhandel durchschnittlich so übrig lässt und müssen Fachbuchautoren – wie es gängige Praxis war – noch 50% der Ausschüttungen abgeben, dann überlegt man es sich schon sehr, ob man überhaupt noch ein zweites – geschweige den drittes Buch – bei einem Verlag schreibt.
Wie gesagt: 50 % sind Geschichte, so viel muss niemand abgeben. Aber der Buchhandel muss leben, und die Verlage haben Kosten, bevor das erste Exemplar verkauft ist. Wenn Sie es sich zutrauen, ohne Lektorat ein verkaufsfähiges Buch zu schreiben und zu gestalten, probieren Sie doch Self-Publishing. Es gibt dazu ein Buch von Matthias Matting.
Es ist nun keineswegs so, dass ich verlegerische Leistung nicht zu würdigen wüsste. Das Gegenteil ist der Fall und in ein generelles Verlagsbashing mag ich nicht einstimmen. Nur muss man schon sagen, dass dreifach zu Lasten von Autoren und damit den eigentlichen Urhebern eingestrichen wurde: 1. Nettobuchpreis, statt Netto-Preis, bei den Honoraren, 2. bei den jährlichen Bibliothekstantiemen und 3. bei der Einmalzahlung für ein veröffentlichtes Buch.
Ich glaube, dass kaufmännische Dinge nicht so das Ihre sind. Netto heißt ohne Mehrwertsteuer. Was dem Finanzamt zusteht, kann der Verlag ja nicht Ihnen geben. Der Rest: siehe oben.
Ich maße mir nicht an, für „die“ Fachbuchautoren zu sprechen. Das tun schon verwirrend viele oder glauben es zu tun. Selbstverständlich kenne ich nicht jeden Fachbuchautor. Nur: Kein einziger, mit dem ich gesprochen habe, hat den Eindruck tatsächlich von der VG WORT vertreten zu werden. Keiner. Im Gegenteil.
Das ist aber eine Gefühlssache, die eher damit zu tun hat, dass Ihre Kollegen zu wenig über die Aufgaben oder die Funktion einer Verwertungsgesellschaft wissen. Wir sind keine Interessenvertretung wie eine Gewerkschaft, sondern ein Verein, der auf gesetzlicher Grundlage Geld bei Geräteherstellern und Bibliotheken eintreibt und es an die Autoren (und vielleicht bald wieder, in geringerem Umfang als früher, an die Verlage) verteilt.
Und der negative Eindruck verstärkt sich weiter, wenn dann noch darüber jubiliert wird, dass – sofern diese EU-Urheberrechtsreform kommt – Verlage zukünftig wieder beteiligt werden dürfen.
Ohne die Verlage gäbe es die VG Wort gar nicht. Die Autoren hatten es alleine probiert, eine VG zu gründen, und waren gescheitert. Erst als 1958 die Verleger dazukamen, funktionierte es. Wir Autoren können die Verlage nicht aus der VG Wort rauswerfen, das ist rechtlich unmöglich. Sie war immer ein Verein auf gemeinsamer Basis, und dahinter stand auch ein breiter politischer Konsens. Oder wollen Sie den Verein auflösen und einen neuen gründen, ohne Verleger? Dann sind alle Verträge, die uns Autoren Geld bringen, obsolet und müssen ganz von vorn verhandelt werden. So lange fließen keine Einnahmen, aber die Personalkosten wären da. Am Ende verlieren wir Autoren jede Menge Geld. Also: Wir schneiden uns ins eigene Fleisch, wenn wir uns nicht mit den Verlegern arrangieren. Wer von Wirtschaft und Recht Ahnung hat, muss darüber eigentlich nicht lange nachdenken.
Aber das Leben ist ja gnädig: Man muss nicht unbedingt Fachbücher schreiben und wenn, dann nicht unbedingt bei einem Verlag.
Da haben Sie Recht. Probieren Sie es mit einem Buch auf eigene Rechnung. Tragen Sie das unternehmerische Risiko allein, sichern Sie sich so auch 100 % der Tantiemen. Wenn Ihnen die Vermarktung misslingt, haben Sie 100 % von nix. Vielleicht sind 8 % vom Nettoladenpreis und z.B. 70 % von der Bibliothekstantieme ja doch mehr. Was zählt, ist unter dem Strich. Von Prozenten allein kann man sich nichts kaufen.