In einer idealen Welt, in der alle Menschen fair und respektvoll miteinander umgehen, wären Berufsverbände und Gewerkschaften überflüssig. Alle Selbständigen und Angestellten würden mit ihrer Arbeit genug Geld verdienen, um einer Familie einen angemessenen Lebensstandard zu bieten. Leistung würde adäquat honoriert, niemand über den Tisch gezogen. Keiner würde die Macht des Stärkeren ausspielen. Wer sagt, dass das leider eine Utopie bleiben wird, ist kein Pessimist, sondern Realist.
Ergo können wir auf Berufsverbände und Gewerkschaften nicht verzichten. Wir brauchen sie, und sie müssen stark sein. So stark, dass sie als Lobby der im jeweiligen Beruf Tätigen ernst genommen werden. So stark, dass sie sich genügend Hauptamtliche leisten können, die ihren Mitglieder Service bieten, die sie juristisch beraten und vertreten. So stark, dass sie, wenn gar nichts anderes hilft, auch mal einen Streik durchstehen, an dem sich dann aber auch alle (!) Mitglieder beteiligen.
Und was heißt stark? Nicht nur finanzstark, sondern auch mitgliederstark. Alles steht und fällt mit dem Organisationsgrad. Egal, ob Berufsverband oder Gewerkschaft: Wer den Anspruch aufgibt, als legitimer Vertreter und Sprecher aller Angehörigen des Berufs anerkannt zu werden, gibt sich selbst auf und kann eigentlich zusperren.
Und was ergibt sich daraus wiederum zwingend? Dass sich alle, die in diesem Beruf ihren Lebensunterhalt verdienen oder ihn erlernen, die Mitgliedschaft auch leisten können müssen.
Bayerischer Beitrag galoppiert dem Preisindex davon
Wer mich kennt, weiß, wem ich hier predige – schließlich lautet der Untertitel meiner Wortpresse „Journalismus unter Druck“ – aber vielleicht nicht, warum gerade jetzt. Ein paar Dutzend meiner lieben Kolleginnen und Kollegen im Bayerischen Journalisten-Verband haben vor einer Woche entschieden, dass unser Mitgliedsbeitrag um 54 Euro pro Jahr steigen soll, auf dann 408 Euro. Ab Oktober sollen also jedes Quartal statt 88,50 Euro 102 Euro abgebucht werden. Betroffen davon sind über 5000 von knapp 7000 Mitgliedern, der Rest zahlt ermäßigte Beiträge (etwa als Rentner, Student oder Berufsanfänger) oder gar nichts (in der Elternzeit). Bis vor sieben Jahren lag der Beitrag noch bei 300 Euro im Jahr. Demnächst sollen es 36 Prozent mehr sein. Die Inflationsrate stieg seit 2012 um 9 Prozent – beziehungsweise um 24 Prozent gegenüber dem Jahr 2003, in dem wir beschlossen hatten, von 276 auf 300 Euro raufzugehen. Egal, wie man rechnet, der BJV-Mitgliedsbeitrag steigt weit schneller als der Preisindex. Der DJV-Bundesverband hatte übrigens nichts davon; die zusätzlichen Einnahmen der letzten 13 Jahre blieben in München.
Der Maßstab für einen Beitrag, der sich an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitglieder orientiert, wären deren Einkünfte. Einige DJV-Landesverbände erheben deshalb bereits gestaffelte Beiträge, um niemanden zu überfordern. Während die heutigen Tarifgehälter von Tageszeitungsredakteuren um maximal 22,8 Prozent über denen von 2003 liegen, sind die Honorareinkünfte der Freien bestenfalls gleichgeblieben, in vielen Fällen aber gesunken. Hinzu kommt, dass heute viele Aufgaben, für die vor 16 Jahren noch angestellte Redakteure nach Tarif bezahlt wurden, von Kolleginnen und Kollegen erledigt werden, die von denen Segnungen des Tarifs nichts haben, entweder weil ihr Arbeitgeber Tarifflucht begangen hat oder sie freiberuflich für einen miserablen Tagessatz Redaktionsdienst schieben. Das reale Einkommen des durchschnittlichen BJV-Mitglieds ist also nicht annähernd so stark gewachsen wie der Beitrag.
Mitgliedschaft als Statussymbol der Besserverdiener?
Daraus folgt, dass eine Mitgliedschaft von einer Selbstverständlichkeit mehr und mehr zum Luxus wird, zum Statussymbol der Besserverdienenden. Um sich klar zu machen, wie hoch und wie unfair verteilt die finanzielle Belastung ist, lohnt sich ein Vergleich mit der klassischen Faustregel, die man von DGB-Gewerkschaften wie ver.di kennt: ein Prozent vom Brutto. Schon die gewährleistet keine volle Beitragsgerechtigkeit, denn in den untersten Einkommensgruppen ist am Ende des Geldes oft noch einiges vom Monat übrig, in den oberen ist es zum Glück umgekehrt. Als Messlatte ist die altlinke Beitragsformel aber gar nicht schlecht. Ein 50-jähriger Zeitungsredakteur mit 25 anerkannten Berufsjahren bekommt ein Brutto-Tarifgehalt von 74.263,50 im Jahr (13,5 Gehälter à 5501 Euro), also im Monatsdurchschnitt 6188,63 Euro. Ein Prozent wären 61,89 Euro. Ein Prozent vom Brutto vieler Freier wären 20 Euro. Über 30 Euro müssten nur relativ wenige berappen. Anders gesagt: Ein Regelbeitrag von 34 statt bisher 29,50 Euro monatlich kostet die Tarifredakteure nur 0,55 Prozent ihres Einkommens – gerade mal ein gutes Drittel des prozentualen Anteils, den so manche von Honorarkürzungen gebeutelte Freie abzwacken muss (1,5 %).
Wie aber kommt es, dass die Mitgliederversammlung meines Verbandes diese eklatante Beitragserhöhung absegnen konnte, die sachlich nicht einmal begründet ist, wie ich weiter unten noch erläutern werde?
Das hat drei Gründe. Der erste, nur vermeintliche harmlose: Die Kolleginnen und Kollegen, die die 34 Euro beschlossen haben, dachten sich nichts Böses dabei. 4,50 Euro mehr sind doch nur ein Weißbier weniger im Wirtshaus. Wer sich das nicht leisten kann… schreibt vielleicht für ein lausiges Zeilengeld dieselbe Zeitung voll wie der Kollege, der so großzügig wie gedankenlos über das Geld Anderer verfügt. Der Redakteur verzichtet auf die dritte Flasche, der freie Lokalreporter muss schon beim Preis für die erste schlucken.
Zweiter Grund: Die Leute, die ihr Weißbier nicht abzählen müssen, sind auf Mitgliederversammlungen überrepräsentiert. Tarifbeschäftigten tut weder der Preis des Bahntickets weh noch die Übernachtung bei einer zweitägigen Versammlung, vor allem aber haben sie Zeit. Ihnen stehen mindestens 30 Tage Urlaub im Jahr zu, während für viele Freie sogar die Sechs-Tage-Woche ganz normal ist. Von 38-Stunden-Wochen und Arbeitszeitkonten träumen die nur.
Bloß keine schlafenden Hunde wecken!
Grund Nummer drei wiegt allerdings wohl am schwersten, und der hat nichts damit zu tun, dass jemand von seinem eigenen Kontostand auf den Anderer schließt: Es ist die Tatsache, dass ein Vorstand, der nicht mit Geld umgehen kann, es trickreich vermieden hat, schlafende Hunde zu wecken. Eine Beitragserhöhung, die über den Ausgleich der Inflationsrate hinausgeht, ist fraglos eine wichtige Entscheidung über Angelegenheiten des Vereins und muss als solche auf der Tagesordnung stehen. Das war aber bei der Versammlung am 25. Mai in Pullach nicht der Fall.
Dass eine Erhöhung geplant war, wurde zwar nicht verschwiegen, aber geschickt unauffällig kommuniziert. So gab es unterhalb der Tagesordnung einen Hinweis auf ein längliches Interview im BJVreport mit dem scheidenden Schatzmeister, in dem dieser in der dritten Spalte endlich die Katze aus dem Sack ließ. Weder das Vereinsrecht noch die Satzung des BJV verpflichtet jedoch dessen Mitglieder, die Mitgliedszeitschrift aufmerksam, vollständig oder überhaupt zu lesen.
Das gleiche gilt für den mit „Liebe Kolleginnen und Kollegen“ überschriebenen Text im Einladungsfaltblatt, der allein schon typographisch signalisiert, dass es um nichts Wichtiges geht. Er ist aus einer 8-Punkt-Condensed-Schrift gesetzt, die mühsam zu lesen ist, ohne Hervorhebungen. Erst im fünften Absatz kommen „Ihr BJV-Vorstand und Ihre BJV-Geschäftsführung“ nach einer Lawine nichtssagender Floskeln langsam zur Sache, also zum Geld. Wäre ich als zu diesem Zeitpunkt noch amtierendes Mitglied ebendieses Vorstands gefragt worden, ob diese Zeilenschinderprosa auch in meinem Namen verbreitet werden darf, hätte ich mein Veto eingelegt. Ich vermute die Urheber des anonymen Werks im Geschäftsführenden Vorstand. Außerdem unterstelle ich Vorsatz: Die KollegInnen könnten das ja alle besser. Sie sind keine so miserablen Schreiber. Wenn ich es darauf anlegte, dass die Leser spätestens im zweiten Absatz aussteigen, würde ich wohl ähnlich verquast formulieren.
Ein No-Go: Drohung mit schlechtem Service
Diejenigen, die sich unverdrossen durch den Text quälten, mussten den Eindruck gewinnen, dass an einer Erhöhung kein Weg vorbeiführte. Da wurde die „angespannte Haushaltslage des BJV“ strapaziert, für den Fall einer Ablehnung damit gedroht, „das Serviceangebot für unsere Mitglieder in den kommenden Monaten drastisch zu beschneiden“, der Verlust der Handlungsfähigkeit an die Wand gemalt und ein Alternativhaushalt „ohne Beitragserhöhung, dafür mit massiven Sparansätzen“ angekündigt. Motto: Wenn Ihr mit Nein stimmt, seid Ihr schuld. Wenn Sie das erpresserisch oder nötigend finden, sind wir schon zwei.
Allein, dieser angebliche Sparhaushalt war ebenso wenig einsehbar wie die von der Verbandsspitze präferierte Variante mit dem Beitragszuschlag. Die genauen Zahlen waren geheime Kommandosache und blieben dies bis zur Versammlung. Selbst der Landesvorstand (LaVo), dem neben den fünf Geschäftsführenden die Beisitzer, Bezirks- und Fachgruppenvorsitzenden angehören, hatte sie erst auf seiner Sitzung am 6. Mai als Tischvorlage erhalten. Der Alternativhaushalt ohne Erhöhung war offenbar noch nicht fertig; er fehlt in der Tabelle.
Faule Tricks mit der Tagesordnung
Damit nicht genug: Das Thema Haushalt hatte gar nicht auf der Tagesordnung der LaVo-Sitzung gestanden. Abgehandelt wurde es unter TOP 4 „Innerverbandliches – MV Pullach – Wahl der Antragskommission“. Niemand, der nicht dem innersten Führungszirkel angehört, bekam die Chance, die Zahlen vorab gründlich zu studieren. Ich selbst habe an dieser Sitzung nicht teilgenommen, hätte mir die Zeit aber irgendwie aus den Rippen geschnitten, wenn ich geahnt hätte, was geplant war. Auch im Nachgang wurde mir der Haushaltsvoranschlag nicht offiziell gemailt, sondern aus dem Kreis der Teilnehmer zugespielt.
Dass diese Geheimniskrämerei gewollt war, steht außer Frage. Sie entspricht nicht dem Usus im BJV. Der frühere Schatzmeister Peter Nützel hat seine Etat-Voranschläge so frühzeitig dem Vorstandskollegium vorgelegt, dass sie vollständig mitsamt Erläuterungen im BJVreport veröffentlicht werden konnten. Vor der Mitgliederversammlung konnten alle Mitglieder sich genau informieren, wie es um die Finanzen bestellt war.
Doppelter Etat für billige Location
Das hätte diesmal peinlich werden können, denn wer sich mit einem bisschen Hintergrundwissen in die Zahlen vertieft, stößt auf jede Menge Ungereimtheiten. Deren krasseste ist, dass die Höhe des Etatpostens „BJV Jahreshauptversammlung“ nicht nur in eklatantem Widerspruch zu früheren Aussagen des 1. Vorsitzenden steht, sondern sich auch in den Spalten „2019/I“ (Spar-Entwurf bei 29,50 € Beitrag) und „2019/II“ (Voll-Haushalt bei 34 € Beitrag) um 5000 Euro unterscheidet. Wohlgemerkt: Mit „Jahreshauptversammlung“ ist just jene Mitgliederversammlung am 25./26. Mai in Pullach gemeint, auf der entweder der höhere oder der niedrigere Etatansatz zu verabschieden war. Demnach hätten die Mitglieder zu entscheiden gehabt, ob sie ad hoc mit dem Rotstift an die Kosten der laufenden Tagung herangehen sollten, auf der sie sich befanden.
Eine Live-Etatkürzung auf offener Bühne ist natürlich purer Nonsens. Da nicht klar war, ob die Erhöhung durchgeht, konnte die Geschäftsführung gar nicht mehr Geld ausgeben, als im Spar-Haushalt eingeplant war. Interessant ist der Umkehrschluss: Der an die (dann tatsächlich erfolgte) Zustimmung zur Beitragserhöhung geknüpfte üppigere Haushalt gewährt der Geschäftsführung nun nachträglich, 5000 Euro mehr zu verjubeln, nämlich nicht „nur“ 15.000, sondern 20.000 Euro. Meines Wissens wurden aber beim Caterer keine Champagnerkisten geordert, um auf die geglückte Erhöhung oder den knappen Wahlsieg des Vorsitzenden anzustoßen. Wofür das Extra-Geld gedacht sein könnte, ist ein völliges Mysterium.
Um diese Beträge einordnen zu können, muss man wissen, dass der BJV ursprünglich – Stand: 24.9.2018 – sogar 25.000 Euro eingeplant hatte, den üblichen Betrag für zweitägige Bayerische Journalistentage. Für eintägige (in den Jahren ohne Vorstandswahl) kalkuliert der BJV mit 18.000 Euro.
Schlichte, einfache und erfundene Gründe
Nun könnten wir uns darüber freuen, dass unser Vorstand es geschafft zu haben scheint, um 5.000 bis 10.000 Euro unter den üblichen Kosten für solche Treffen zu bleiben. Leider strafen die Fakten die Annahme Lügen, es sei gut gewirtschaftet worden (siehe unten). Als unwahr erweist sich auch der erste Satz im Kleingedruckten auf dem Einladungsflyer. Dort heißt es nämlich:
„Eigentlich hätte Sie diese Einladung zur Mitgliederversammlung schon im März erreichen sollen. Wenn wir uns nun erst im Mai in Pullach treffen, dann hat dies einen schlichten Grund: Der BJV steht vor wachsenden Aufgaben.“
„Ach“, hätte der große Loriot dazu gesagt. Nun geht es nicht um die Ergründung der Logik dieser Aussage, nämlich warumwiesoweshalb ein größeres Arbeitspensum dazu führt, Pflichtveranstaltungen auf die lange Bank zu schieben. Sondern darum, dass der 1. Vorsitzende dem Landesvorstand im Herbst 2018 einen völlig anderen Grund für die Verschiebung in den Mai und die Wahl des Bürgerhauses Pullach genannt hatte.
Die Vorgeschichte: Nach der Vorstandsklausur im April 2018 hatten unsere Geschäftsführenden fünf Monate (!) für die Erkenntnis gebraucht, dass am Wunsch-Standort Ingolstadt Ende März kein bezahlbarer Saal passender Größe frei sein würde. Daher war ein halbes Jahr vor diesem Termin noch offen, wohin wir würden ausweichen müssen. Allerdings fand ich in derselben Woche zwei geeignete Konferenzsäle, die noch frei waren, und gab die Tipps sofort an die Geschäftsstelle weiter. Drei Wochen nach der Sitzung, auf der er als Kostenrahmen die üblichen 25.000 Euro wiederholt hatte, schickte der Vorsitzende eine Rundmail an den Vorstandsverteiler, in der es heißt:
„… informiere ich an dieser Stelle, dass die Mitgliederversammlung 2019 nun terminiert ist. Diese findet statt am 25. und 26. Mai in Pullach. Der Grund ist einfach: Diese Versammlung kostet uns zu den ursprünglichen Planungen rund ein Drittel der Tagungskosten.“
Wer sich die Preisliste des Bürgerhauses herunterlädt und die normalerweise benötigten Leistungen addiert, kommt tatsächlich auf eine Größenordnung von etwas über 8.000 Euro, also etwa einem Drittel der budgetierten 25.000 Euro. Die Aussage in der Mail vom 15.10.2019 war also offenkundig korrekt: Wir kommen in Pullach sehr, sehr billig weg. Da man immer einen Puffer für unvorhergesehe Zusatzkosten einplant, hätte also in einem seriösen Etat ein Posten von 10.000 Euro gestanden. Tja, warum stehen dann selbst im Sparhaushalt 15.000 Euro und im schließlich genehmigten sogar 20.000 Euro, also 50 bzw. 100 Prozent mehr, als man braucht?
Rangierbahnhof für erstaunliche Geldpuffer
Schaut man sich an, in welchen Punkten sich die beiden Etat-Alternativen sonst noch unterscheiden, stößt man auf allerlei Ungereimtes. Für die Fachgruppen, die pro Jahr mit 8.000 Euro auskommen, sind 12.000 bzw. 15.000 reserviert, für „Rechtshilfe“ (Rechtsschutz-Fälle, die vor Gericht gehen) sind es 30.000 bzw. 40.000 Euro – also unterschiedlich üppige Puffer bei typischen Kosten von 20.000 bis 25.000 Euro pro Jahr. Die Bewirtungskosten stehen einmal mit 15.000 und einmal mit 17.500 Euro zu Buche, Neuanschaffungen mit 6.000 bzw. 10.000 Euro – bei tatsächlichem Bedarf in den beiden letzten Jahren von um die 2.000 Euro. Auf ähnliche Weise wurde Geld im Fortbildungsetat geparkt: Hier waren 2018 von 6.000 Euro nicht einmal 2.500 Euro in Anspruch genommen worden, und doch sind erneut 6.000 (Sparversion: 5.000) Euro veranschlagt.
Anders gesagt: Auch in dem Haushalt, der ohne Beitragserhöhung eine schwarze Null ergibt, ist nichts auf Kante genäht. Der einzige (!) „massive Sparansatz“, der zu „drastischen Einsparungen beim Service für die Mitglieder“ geführt hätte, findet sich beim BJVreport, dessen Redaktion mit 20.000 Euro weniger hätte auskommen müssen.
Es wäre leicht gewesen, 17.000 von diesen 20.000 Euro an anderer Stelle aus dem Etat zu nehmen: nur 10.000 Euro für Pullach, 25.000 bei der Rechtshilfe, 3.000 für Neuanschaffungen, 10.000 für die Fachgruppen, 3.000 für Fortbildung. An den Ausgaben 4 bis 6 des BJVreport noch je 1.000 Euro zu sparen, wäre dann kein Hexenwerk mehr. Einer Kürzung von 160.000 auf 157.000 Euro hätte freilich nicht mehr die zur Begründung einer heftigen Beitragserhöhung nötige Dramatik innegewohnt.
Übrigens: Wer noch Zweifel daran hat, dass Budgetposten willkürlich und beliebig zurechtgeschnitzt wurden, bis in Excel unter dem Strich die Schwarze Null stand, werfe einen Blick auf die Ausgaben für die Berufsgenossenschaft (BG). Im Etat I sind 2850 Euro angesetzt, im Etat II 3000 Euro, so als könne man bei dieser Pflichtversicherung wie im Wirtshaus aufrunden: „Hier sind 3.000 Euro, stimmt so, Rest ist für die Kaffeekasse.“
An den Kosten schrauben, nicht an den Beiträgen
Leider ist es zu spät, diese kontraproduktive Erhöhung zu stoppen. Ich hätte gerne in Pullach das Meine dazu beitragen, um Austritte zu verhindern und die Mitgliederwerbung nicht unnötig zu erschweren. Doch ich war unabkömmlich wegen meines anderen Ehrenamts als Verwaltungsrat der VG Wort. Nach der ursprünglichen Terminplanung hätte es keine Kollision gegeben. Der BJV hätte sich zwei Monate vor der VG Wort versammelt. Was mich bitter macht, ist die Tatsache, dass der Geschäftsführende Vorstand die beiden von mir vorgeschlagenen Tagungsstätten, die am 23./24. März noch frei waren und innerhalb des Budgetrahmens lagen, zugunsten der Terminverschiebung verworfen hat – wissend, dass er damit alle BJV-Mitglieder, die zugleich stimmberechtigte VG-Wort-Mitglieder sind, von der Teilnahme an der einen oder anderen Wahlversammlung ausschließen würde. Und das sind nicht „wenige“ Kolleginnen und Kollegen, wie die BJV-Pressesprecherin auf Facebook postete, sondern an die Hundert.
Der BJV hätte ganz andere Stellschrauben zum Sparen. Statt die Beiträge an die Kosten anzupassen, müsste er die Kosten an sein Schrumpftum anpassen. Wir haben die gleiche Mitgliederzahl wie vor 20 Jahren, vor der Scheinblüte der Nullerjahre, leisten uns aber Strukturen wie zu den besten Zeiten. Das Projekt anzupacken, würde den Willen zu einer Reform bedeuten, die konsequent die Interessen der Mitglieder in den Mittelpunkt stellt. Wie ich am Anfang schrieb, ist unsere Stärke, dass wir Berufsverband und Gewerkschaft in einem sind. Das haben wir in den vergangenen Jahren nicht gelebt. Ein Verein, in dem zuletzt vier von fünf Spitzenfunktionären bei Tageszeitungen angestellt waren, müsste sich konsequenterweise GBTZRR nennen, „Gewerkschaft Bayerischer Tageszeitungs-Redakteure und Redakteurinnen“. Auch nach dieser Wahl dominiert dieser Flügel, dem nur 15 Prozent der Mitglieder angehören, noch unseren Verband mit einer 60-Prozent-Mehrheit (drei von fünf der Führungskräfte, gegen deren Willen nichts passiert), und er stellt natürlich die neue Schatzmeisterin.
Von der GBTZRR zurück zum BJV
Sie dürfte inzwischen wissen, wieviel wir auf der Hohen Kante haben – eine wichtige Information, weil die Rücklagen maßgeblich für die Einschätzung sind, wie schlimm es wäre, wenn wir in einem Jahr tatsächlich mal wieder ins Minus rutschten. Uns normalen Mitgliedern wird die Info verschwiegen. Die Heimlichtuerei erklären manche Funktionäre damit, dass die Verleger nicht erfahren sollen, wie prall gefüllt unsere Kasse ist. Arbeitskämpfe sind freilich ein dummes Argument, denn für diesen Zweck sind die Rücklagen nicht da. Der Streikfonds ist ein separater Topf und muss dies auch sein, was jeder Laie schon daran erkennt, dass Streikausfallgelder niemals im Jahresabschluss ausgewiesen werden. Im Übrigen sind die Verleger nicht blöd. Wieviel uns die Streiks kosten, können sie sich leicht selbst ausrechnen.
Interessant ist übrigens auch, dass Streiks ausschließlich an Tageszeitungshäusern stattfinden. Aus meinen 35 Jahren im BJV erinnere ich mich an keinen einzigen Fall, in dem in einem Tarifkonflikt eine Zeitschrift, ein Sender oder ein Onlinemedium lahmgelegt worden wäre. Da nun – wie oben erklärt – unsere GBTZRR-Fraktion durchaus in der Lage ist, höhere Beiträge zu bezahlen als die allermeisten Freien, wäre es nur fair, wenn sie die Streikkasse auch alleine füllen würde. Solidarität ist, wenn die Bessergestellten diese nicht von den wirtschaftlich Schwächeren einfordern.
Bevor jetzt wieder jemand das Totschlagargument aus dem Rumpelkeller holt, dafür nähmen ja die Freien doch sehr viel mehr Rechtsschutz in Anspruch und dies gleiche sich aus: Tut es nicht. Selbst wenn die knapp zwei Fälle pro Monat, die der BJV vor Gericht für seine Mitglieder ausficht, ausschließlich Freie beträfen, lägen die Kosten pro Freie/n dafür bei unter 10 Euro im Jahr. Und ich wage zu bezweifeln, dass beim Aufkommen an Rechtsberatungen durch unsere Justiziare, dem größten BJV-internen Kostenblock, signifikante Unterschiede zwischen Angestellten und Freien bestehen.
Kein „weiter so“, keine Strafzinsen für Mitgliedergeld
Was wir brauchen, ist ein Plan, wie wir mit möglichst wenig Geld möglichst viel für die Mitglieder aus allen Sparten unseres Berufs erreichen können. Dieser hilflos zusammengeschusterte Etat steht für das Gegenteil: viel einkassieren und trotzdem an vielen Stellen knausern. Wer die Grundrechenarten beherrscht, kann aus dem Etat herauslesen, dass die Beitragserhöhung im kommenden Jahr einen Überschuss in der Größenordnung von 200.000 Euro in die Kassen des BJV spülen würde, wenn Kosten und Mitgliederzahl stabil blieben. Solange es kein Konzept gibt, was der BJV-Vorstand den Mitgliedern mit diesem Vermögen Gutes tun möchte, fließt dieses Geld in die Rücklagen und muss bei Negativzinsen angelegt werden, denn der Verband darf nicht damit spekulieren.
Der jetzt beschlossene Etat steht leider für ein „Weiter so“ – und verleiht dem Mitgliederschwund neuen Schub. Ihn aufzustellen und zu beschließen, war ein fahrlässig mitgliederschädigendes Verhalten. Die Erhöhung stärkt den BJV nicht, sie schwächt ihn.
Das einzig Gute ist, dass dieser Etat nur noch sieben Monate Laufzeit hat. Der neue Vorstand hat es in der Hand, sich für 2020 etwas Besseres zu überlegen. Auch wenn es das noch nie gegeben hat, könnten wir schon im März (!) eine Beitragssenkung (!!) beschließen – und eine Reform ins Rollen bringen, die sich aus unserer Kreativität speist statt aus unserem Geld.
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