Computerhandel: Wettbewerb im Preisboxen

Beim Kampf um Marktanteile kennen die PC-Produzenten keine Tabus mehr. Mit jedem sich bietenden Vertriebsweg wird experimentiert. Die Kunden haben die Qual.

Top Business 3/1994

Es war immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben. Jetzt nicht mehr. Zumindest für den, der einen Computer will. Denn die klassische Luxusmarke Apple gibt sich überhaupt nicht mehr elitär.

Schuld daran ist Michael H. Spindler. Seit der bullige Berliner (Spitzname: „Diesel“) im Sommer 1993 John Sculley als Apple-Chef abgelöst hat, zählt nur noch Masse. Macintosh-Modelle gehören seit Monaten zum Sortiment der Billigkette Escom Office, sind bald in Filialen des Metro-Ablegers Media Markt/Saturn-Hansa erhältlich und werden sogar im neuen Quelle-Katalog angepriesen.

Nicht nur das Apple-Management sagt der Exklusivität adieu. Hardware von Compaq oder IBM steht neuerdings fast überall im Regal, wo es Computer gibt – auch bei Vobis, Saturn-Hansa und Allkauf. „Wir können dem Kunden nicht vorschreiben, wo er unsere Produkte kaufen soll“, erklärt Peter Scholtes, Marketingleiter des IBM-Geschäftsbereichs Personal Systems (PS) in Stuttgart, „wir müssen da sein, wo die Leute uns wollen.“ Deshalb legte der EDV-Riese im vergangenen Herbst eigens für die deutschen Media-Märkte die Baureihe PS/1000 auf. Und Compaq-Chef Eckhard Pfeiffer zielt mit dem „Presario“-Label auf preisbewußte Käuferschichten und hohe Stückzahlen.

Das Chaos auf dem PC-Markt könnte größer nicht sein als im Vorfeld der CeBIT 1994: Während die Discounter mit hausgemachten Designer- und Premium-Marken ihre Rendite zu steigern versuchen, fluten traditionelle Computerproduzenten alle erreichbaren Absatzkanäle gleichzeitig. Aus Angst, weitere Marktanteile an die No-Names zu verlieren, liefern sie gar Ware für schrille Lockvogelangebote.

IBM-Flop mit Billig-Sbop

Bei den brachialen Schaukämpfen, Monat für Monat über eine Sintflut von Zeitungsbeilagen ausgetragen, halten sich die Preis-Boxer jedoch mit verbalen K.o.-Schlägen auffallend zurück. Keiner der Rivalen weiß, welchen Gegner er eines Tages als Verbündeten brauchen wird. So läßt sich Deutschlands PC-König Theo Lieven, Chef der Vobis Microcomputer AG in Würselen bei Aachen, um nichts in der Welt zu Spott über IBM hinreißen.

Auch nicht über den Pilotladen „Ambra – Computers 4 U“, mit dem ihn IBM-Topmanager Erwin Staudt 1993 herausgefordert hatte. „Wir werden bei den Preisen mitziehen“, drohte Staudt damals vor Branchengrößen auf der Konferenz PC trends ’94, „bis keiner am Markt mehr Lust hat, diese Spinnereien mitzumachen.“ Indes: Der als No-Name getarnte IBM-Shop – provozierend nah am Aachener Vobis-Stammhaus gelegen – fand so wenig Kunden, daß der Konzern den Aufbau einer deutschen Ambra-Kette kleinlaut von der Tagesordnung strich.

Theo Lievens diplomatische Zurückhaltung (“Da kann ich nix zu sagen“) könnte sich bald als klug erweisen. Werner Senger, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes Büro- und Informationssysteme e. V. (BVB) in Bad Homburg, sieht nämlich angesichts dahinschmelzender Preisvorteile bereits die „Gefahr für die No-Names, daß der Konsument wieder ein Markengerät nimmt“ – was für Mitgliedsfirmen des BVB (wie IBM) eine erfreuliche Entwicklung wäre.

Lieven, der dieses „Worst-Case“-Szenario sehr ernst nimmt, hat dafür längst Notfallpläne auf der Festplatte. Deshalb finden Vobis-Kunden heute schon in allen Filialen eine kleine Auswahl gängiger Compaq-Modelle.

In den „Superstores“ der Kette in Berlin und Bielefeld sowie am Firmensitz in Würselen ist die Auswahl an Markencomputern reichhaltiger: Sie umfaßt neben Macintosh-Varianten von Apple und Notebooks von Toshiba sogar Geräte des texanischen Herstellers Dell, der sein angestammtes Direktmarketing damit um die Einzelhandelsschiene ergänzt.

Verkehrte Welt: Während Dell-Chef Nick Pike so die Stagnation im Versandgeschäft wettmachen will, experimentiert die Konkurrenz mit eigenen Mail-Order-Abteilungen. Ob IBM oder Vobis, Escom oder Digital Equipment – die Bestellung über Telefon, Fax oder Bildschirmtext soll zusätzliche Stückzahlen bringen, ohne große Kosten zu verursachen.

Ob dieser Vertriebsweg jemals mehr wird als ein Mitnahmegeschäft – bei Vobis und Escom jeweils deutlich unter fünf Prozent vom Umsatz -, wissen auch Insider nicht. Die deutsche IBM zumindest erwartet einiges von ihrer neuen Direktvertriebs-Tochter im hessischen Nieder-Roden: Dort regiert Kevin Moore, ein Mann mit Dell-Erfahrung.

“Es gibt kaum Hersteller, die eine Vertriebsform aussparen“, mokiert sich Fritz Jagoda, Geschäftsführer der Eschborner Unternehmensberatung Diebold Deutschland GmbH. BVB-Vize Senger hingegen verteidigt den mehrgleisigen Vertrieb mit Marktzwängen: „Den richtigen Weg gibt es nicht.“ In einer Befragungsaktion will sein Verband jetzt erstmals ermitteln, welcher Vertriebsweg welchen Kundenkreis am besten anspricht.

Wenige PC-Manager gestehen ihre Unsicherheit offen ein wie Werner Sülzer. Der Chef der deutschen Olivetti-Tochter in Frankfurt hält es für „sehr schwierig, das Verbraucherverhalten zu antizipieren“. Zu seinem Distributionsmix gehört auch Escom, doch auf keinen Fall will er auf jene Vertriebspartner verzichten, die den PC-Markt in den 80er Jahren aufgebaut haben: „Ich sehe momentan bei einigen Herstellern den fast manischen Drang, die Fachhändler, die man früher umworben hat, zu vergrätzen.“

Womöglich ein Fehler. Denn auf praxisgerechte Komplettlösungen, bei denen Software, Hardware, Zubehör und Kommunikation fertig gebündelt sind, verstehen sich die Discounter nicht. In vielen Billig-Shops bedienen Aushilfen, die nicht einmal bei gängiger Standardsoftware firm sind.

Fachhandels-Potentiale

Deshalb gibt Richard Seibt, Leiter der PC-Software-Sparte der deutschen IBM, dem Fachhandel eine Chance: „Der Weg geht zu qualifizierter Beratung.“ Allerdings gegen faire Bezahlung. Gerade Kunden, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, so Seibt, sind jedoch gern bereit, diesen Service zu honorieren.

Stimmt die Prognose, dann liegt die Einkaufskooperative Comteam GmbH & Co. KG, Lilienthal, voll im Trend. Die meisten der 124 Mitglieder haben genau diesen Weg eingeschlagen: Ihre Stärken heißen Vernetzung und Software, die Hardware kommt meist aus deutschen Montagefabriken wie Actebis oder Aquarius. „Eine IBM- oder Compaq-Autorisierung“, so Comteam-Geschäftsführer Karl-Ulrich Schönemeyer, „hat kaum einer.“ Dieser Schönheitsfehler ist bald keiner mehr: Die IBM beliefert neuerdings die Großhändler Computer 2000 und Merisel, mit denen Comteam Rahmenverträge hat.

Und schon gehen die Discounter in die Gegenoffensive. Escom-Chef Manfred Schmitt will auf der CeBIT ein „Partnerkonzept“ promoten, das ihm auch Zugang zum ländlichen Raum verschaffen soll. „Wir wenden uns an Softwarefirmen, die preisaggressive Hardwarelieferanten suchen“, erklärt der Heppenheimer Unternehmer, „im Lauf des Jahres wollen wir auf 300 Escom-Partner kommen.“ Auch Theo Lieven werden ähnliche Ambitionen nachgesagt.

No-Name-Profite in der Provinz, Marken-Ramsch in der Großstadt. In der PC-Branche gilt vollends das Toyota-Motto: Nichts ist unmöglich.

Ulf J. Froitzheim

Sendemasten: Trickreich getarnt

Mit großem Raffinement verstecken die Netzbetreiber ihre Funktürme in den Städten.

WirtschaftsWoche 12/1994

Aus wie vielen Funkstationen sein Unternehmen Deutschlands drittes digitales Mobiltelefonnetz knüpft, behält Rudolf Rösler lieber für sich. Denn das wüßten auch die Mitbewerber der E-Plus Mobilfunk GmbH nur zu gerne. Mit schelmischem Unterton verrät der für den Netzaufbau in Südbayern zuständige Manager allerdings, warum seine Kollegen von DeTeMobil (D1) und Mannesmann Mobilfunk (D2) nicht in der Lage sein werden, auf die Schnelle nachzuzählen: „Wir können die Sender so anbringen, daß man sie nicht sieht.“

Kein Wunder: Beim Antennenhersteller Allgon GmbH in Brackel bei Hamburg heißt das kleinste Modell im Hausjargon nur „Ritter Sport“. Die quadratische Planarantenne mit einer Kantenlänge von 30 Zentimetern ist in beliebig vielen Farben und Mustern lieferbar. Allgon wirbt sogar mit dem Attribut „unauffälliges Design“. Bei Bedarf passen die Spezialisten die Antennen sogar individuell dem Untergrund an, indem sie etwa die Struktur einer Backsteinmauer auf das Blech kopieren. Oder sie motzen das biedere Stück Technik zum Designobjekt auf, indem sie es mit einem bunten Papagei verzieren. Selbst das Auffällige ist Tarnung: Eine Antenne stellt sich der Laie nun einmal anders vor.

Die Mimikry gehört im europäischen Mobilfunk zum alltäglichen Geschäft. Sendestationen, die unaufdringlich im Stadt- und Landschaftsbild versteckt sind, bringen den Netzbetreibern nur Vorteile. Abgesehen davon, daß ihnen die Konkurrenz nicht so leicht in die Karten gucken kann, halten sie damit auch die Landschaftspfleger und Denkmalschützer bei Laune. Und natürlich werden
auch die aufkeimenden Elektrosmog-Ängste nicht weiter geschürt, wenn ein Großteil der bislang 2500 Sendemasten je D-Netz im Verborgenen funkt.

Virtuos bauen die Hochfrequenztechniker inzwischen für jede Topographie und Umgebung ein maßgeschneidertes Gehäuse. Manche Tarnung ist so perfekt, daß ihre Urheber sie sogar voller
Stolz vorzeigen. So ist auf Schloß Berlepsch im Werratal die D2-Antenne im Fahnenmast des Schloßturms integriert. Und auch auf dem Dach des berühmten Bier-Klosters Andechs sieht der Laie nur einen unscheinbaren Blitzableiter. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine Rundstrahleranlage von Mannesmann Mobilfunk, die Autofahrer im Ammerseegebiet und natürlich
Yuppies im Klosterbiergarten mit dem D2-Netz verbindet. Das historische Sakralbauwerk – von den Ausbreitungsbedingungen her ein idealer Standort – wurde nicht verschandelt: Das Kabel der Antenne, die im Ernstfall auch Blitze ableitet, führt hinter einer altmodischen Kupfer-Verblendung
hinunter zur Terrasse, wo der Umsetzer versteckt ist.

Denkmalpfleger arbeiten vielerorts aktiv mit den Mobilfunk-Ingenieuren zusammen – bis hin zur Komplizenschaft bei der Vorspiegelung falscher architektonischer Tatsachen. So wurde etwa im Schwarzwald neben einen alten, geschützten Bauernhof eine kleine Nebenhütte gebaut, die stilistisch perfekt zum Haupthaus paßt: das Quartier für eine D-Netz-Basisstation. In einem anderen Fall ließ die DeTeMobil aus optischen Gründen zusätzlich zur Antenne mehrere Attrappen installieren, um das Erscheinungsbild des Hauses zu wahren. Derart kostenträchtige Lösungen versuchen die Betreiber freilich zu vermeiden, wo es geht. Als billige Befestigungspunkte sehr beliebt sind deshalb Hochhausdächer, Kirchturmspitzen und mächtige Futtersilos.

Obwohl die Mobilfunkwellen von D 1 und D2 mittlerweile fast jeden Punkt der Bundesrepublik erreichen, werden in den nächsten Jahren mehrere tausend Sendeantennen montiert. Aufmerksame Bürger können derzeit in Berlin und Leipzig Montagetrupps beobachten, die den Start des neuen Mobilfunknetzes E-Plus vorbereiten. Währenddessen schließen DeTeMobil und Mannesmann Mobilfunk die letzten Versorgungslücken oder passen sich in allen Ballungszentren mit dem Bau von Kleinstzellennetzen an die schnell steigenden Teilnehmerzahlen an – vor allem mit unauffälligen Flachantennen à la „Ritter Sport“, die jeweils einen Sektor von 60 bis 120 Grad abdecken.

Den Verdacht, daß das Senderversteckspiel etwas mit dem wachsenden Widerstand gegen Elektromagnetische Umweltverschmutzung (EMUV) zu tun haben könnte, weisen die Erbauer der
Netze weit von sich. „Unsere Stationen in der Stadt haben nicht wesentlich mehr Sendeleistung als ein Handy“, kontert Roland Werb von der Münchner DeTeMobil-Filiale. Ein dichteres Netz verringere sogar die Belastung der Anwohner. Denn die kleinsten Funkzellen werden mit nur zwei Watt gefahren, größere dagegen benötigen 10 bis maximal 50 Watt.

Die Angst vor den unsichtbaren Strahlen erfaßte im vergangenen Jahr sogar den CDU-Generalsekretär Peter Hintze. Er wollte im Konrad-Adenauer-Haus partout keinen D2-Sender über dem Kopf haben. Inzwischen gab er den Widerstand gegen die gut sichtbare Anlage auf. Er ließ sich überzeugen, daß er direkt unter der seitlich abstrahlenden Antenne sogar am wenigsten abbekommt.
Ulf J. Froitzheim

Dezente Zwitter

Understatement ist in, auffällige Mobiltelefone sind out. Jetzt geht die Miniaturisierung in die zweite Runde: Wer als D-Netz-Kunde nicht auffallen will, kann jetzt auch seine Autoantenne verstecken und das leidige Loch in der Karosserie einsparen.

Hersteller wie die Kathrein-Werke AG in Hildesheim, die Richard Hirschmann GmbH in Esslingen und die Fuba Hans Kolbe & Co. in Hildesheim bieten Frequenzweichen an, die es erlauben, über eine einzige Antenne zu telefonieren und Radiosender zu empfangen. Diese dezente Lösung spart unter dem Strich allerdings kein Geld, denn die Weichen sind noch nicht billig. Auch raten manche Fachhändler mit dem Argument davon ab, der Rundfunkempfang sei nicht optimal. Dennoch könnte sich die neue Technik auszahlen. Denn inzwischen werden immer mehr Telefone aus Autos geklaut. So hat die Allgon GmbH in Brackel regelrechte Tarnantennen im Sortiment – die Ausführung für den Golf GTI sieht der ganz normalen Radioantenne des Sechzehnventilers zum Verwechseln ähnlich, ist aber mit einer Weiche und einem Verstärker ausgerüstet.

Käufer von Neuwagen können die Bescheidenheit künftig sogar auf die Spitze treiben. Denn die neuesten Entwicklungen verschwinden komplett in der Karosserie. Vorbild ist das Diversity-Konzept, das etwa BMW seit einigen Jahren für den UKW-Empfang nutzt: Mehrere Antennen werden dabei in Stoßstangen, Rückspiegeln und Heckscheiben eingelassen. Sensoren überprüfen im Millisekundentakt, welche von ihnen gerade den besten Empfang hat, und schalten blitzschnell um.

Der Hersteller Fuba Hans Kolbe nutzt diese Erfahrung jetzt für neuartige Mobilfunk-Scheibenantennen, die der Laie für eine Heckscheibenheizung hält. Die Neuheit, die in zwei bis drei Jahren in Serie gehen soll, hat einen zusätzlichen Vorteil: Die Strahlung geht ausschließlich nach außen. Die Fahrerzelle bleibt frei von elektromagnetischen Feldern.  ujf

Zwitter im Dock

Notebooks werden immer besser und beliebter. Kommt das Aus für stationäre Rechner im Büro?

Reisende mit mobilen Computern hat die Security-Truppe des Münchner Flughafens „Franz Josef Strauß“ ganz besonders auf dem Kieker. Während auf anderen deutschen Flughäfen das Handgepäck einfach geröntgt wird, müssen Reisende mit Rechner in München in eine extra Schleuse, ihr Gerät auspacken und auf eine Waage legen. Entspricht das Gewicht des Laptops oder Notebooks nicht dem offiziellen Sollwert, darf die kleine graue Kiste nicht an Bord – es könnte Sprengstoff drin sein.

WirtschaftsWoche Nr. 10/1994

Doch die amtlichen Aufpasser verlieren beim Wiegen zusehends den Überblick. Fast täglich kommen neue Modelle von DIN-A4-großen Notebooks, kleineren Sub-Notebooks und winzigen Palmtops auf den Markt, immer öfter blättern die Kontrolleure vergeblich in ihrer Liste. Notgedrungen, doch mit sichtlich schlechtem Dienstgewissen, lassen sie in solchen Fällen den Fluggast durch – und notieren fürs nächste Mal Typ und Gewicht der Rechenmaschine.

Die Ausstattungsvielfalt der neuesten Geräte läßt sich bald nur noch mit Hilfe einer umfangreichen Datenbank übersehen: Aus einem wachsenden Sortiment von Basismodellen, Zusatzspeichern, Modems und Reserveakkus kann inzwischen jeder Käufer seinen individuellen Mobilcomputer zusammenstellen ebenso unverwechselbar wie sein Auto. Die Extras, die dank eines weltweiten Standards mit dem Bandwurmkürzel PCMCIA (Personal Computer Memory Card International Association) auf fast alle Fabrikate und Modelle passen, sind ein zentrales Thema auf der diesjährigen Cebit.

Mit enormer Dynamik preschen die Tragbaren aus ihrer Marktnische hervor und machen den stationären Personalcomputern immer stärkere Konkurrenz. „Wir haben 1993 bei Notebooks europaweit etwa 35 Prozent zugelegt“, freut sich Werner Sülzer, der als Geschäftsführer der Deutschen Olivetti GmbH in Frankfurt unter anderem die Ladenkette Escom mit leistungsfähigen Leichtgewichten beliefert. Der US-Hersteller Apple, der dieses Marktsegment erst sehr spät entdeckte, macht inzwischen Milliardenumsätze mit seinen Powerbooks; im November war die erste Million der nicht ganz billigen Geräte verkauft. Auch andere führende Hersteller wie IBM, Compaq, Toshiba oder Hewlett-Packard liefern einander ein packendes Wettrennen um das jeweils leichteste, leistungsstärkste und preiswerteste Modell.

Der kompakte Notebook-PC entwickelt sich dabei zur treibenden Kraft der ganzen Hardwarebranche. Die Halbleiterhersteller sehen sich gezwungen, Prozessoren zu entwickeln, die immer weniger Strom verbrauchen und den Akku weniger schnell leeren. Ausgerüstet mit einem intelligenten Energiemanagement reicht eine Akkuladung inzwischen schon für bis zu zehn Stunden Betriebszeit.

Ähnliches gilt für die Entwicklung flacher Bildschirme, deren bedeutendstes Marktsegment im Bereich mobiler Computer liegt. Auch die Speicherproduzenten wurden zu Höchstleistungen getrieben. So glänzt das 1,8 Kilogramm leichte Sub-Notebook des japanischen Herstellers Toshiba mit einer Festplatte, auf die 120 Megabyte passen, mehr als viele Personalcomputer in Büros zu bieten haben. Apples neueste Version, die nur 100 Gramm schwerer ist, trumpft mit stolzen 200 Megabyte auf. Den Rekord hält Toshiba mit einem halben Gigabyte – mit diesem Volumen mußte vor zehn Jahren noch so manches Firmenrechenzentrum auskommen.

Die Mikrofestplatte hat dabei lediglich einen Durchmesser von 6,3 Zentimetern, ist zwei Zentimeter dick und wiegt ganze 220 Gramm. Alte Argumente fUr den Einsatz stationärer Rechner fallen derweil reihenweise der technischen Weiterentwicklung zum Opfer: Notebooks sind zunehmend grafik- und netzwerkfähig, Funktionen, die bisher Personalcomputern vorbehalten waren.

Um sich angesichts des hohen Ausstattungsniveaus selbst billiger Notebooks noch von der Konkurrenz abzuheben, investieren viele Hersteller jetzt in die Wettbewerbsfaktoren Ergonomie, Komfort und Robustheit. Der japanische Hersteller NEC machte voriges Jahr den Anfang mit einem intelligenten Verschlußriegel, der bequem mit einer Hand geöffnet werden kann, so daß der Laptop zum Aufmachen nicht abgelegt werden muß. In den Labors von AT&T wirft der Forscher Suresh Goyal immer wieder mutwillig nagelneue Computer auf den Fußboden, um das ideale Material für stabile Notebookgehäuse zu finden. Toshiba setzt auf Lithium-Batterien mit extralanger Betriebsdauer und eine Verschlüsselungskarte, ohne die der Rechner sich totstellt. Apple schließlich erfand für seine Duo-Zwitter die Powerlatch-Technik, die das Notebook solange im Dock festklammert, bis alle Dateien gesichert sind.

Kein Wunder, daß die Nachfrage nach Notebooks immer mehr anschwillt. Der Besitz der tragbaren Geräte ist längst kein Luxus oder Statussymbol mehr: Nach Einschätzung von Hans-Jörg Bullinger, dem Leiter des Fraunhofer-Instituts rur Arbeitswirtschaft und Organisation (lAO) in Stuttgart, ist „mobiles Computing eine der wichtigsten Herausforderungen für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in den späten neunziger Jahren“.

Schon heute müssen sich die Unternehmen überlegen, wie sie künftig die Flexibilität nutzen wollen, die ihnen die mobilen elektronischen Gehilfen erlauben. „Fundamentale Änderungen der Arbeitsgewohnheiten“ seien dringend geboten, fordert Professor Ludwig Nastansky von der Universität-Gesamthochschule Paderborn: „Die vorhandenen Infrastrukturen können die neue, preisgünstige Technologie noch gar nicht verkraften“, so der Wirtschaftsinformatiker vom Institut für Kommunikation, Organisation und Planung. Mit anderen Worten: Die Anschaffung von Notebooks für den Außendienst zwingt dazu, den Innendienst entsprechend zu modernisieren.

So sind es vorerst die jungen Unternehmen, die die Vorteile der mobilen Datenverarbeitung konsequent ausnutzen. Als die Hamburger Verlagsgruppe Hoffmann & Campe vor einem Jahr ein Redaktionssystem für ihre neue Zeitung „Die Woche“ anschaffen mußte, verzichtete sie weitestgehend auf stationäre Computer. Statt dessen benutzen die Mitarbeiter sogenannte Duo-Modelle von Apple: Diese Zwitter bestehen aus einem Notebook und einer sogenannten Docking Station, die das Gerät am Büroarbeitsplatz bei Bedarf mit einem großen Bildschirm, einer normalen Tastatur, dem Stromnetz und dem redaktionellen Datennetz koppelt.

Dieser Hybridlösung, die in ähnlicher Form auch von Herstellern wie Zenith Data, Toshiba und Compaq propagiert wird, gehört die Zukunft. Denn damit sparen sich die Redakteure der „Woche“ die umständliche und zeitraubende doppelte Datenhaltung – das größte Ärgernis all jener, die im Büro einen stationären Computer und unterwegs ein Notebook benutzen.

Nur die Münchner Flughafenwache ist noch nicht auf den Dreh gekommen. Statt mühsam lange Listen zu führen, könnte sie die Gewichtsdaten sämtlicher Notebook-Komponenten elektronisch abspeichern. Am besten auf einem Notebook.

Ulf J. Froitzheim

Computersimulation: Probefahrt im Cyberspace

In das allgemeine Lamento über den technologischen Rückstand Deutschlands stimmt Andreas Rößler nicht ein. „Bei industriellen Anwendungen haben wir weltweit die Nase vorn“, triumphiert der Stuttgarter Arbeitswissenschaftler. Sein Fachgebiet wirkt auf den ersten Blick exotisch: Mit Hilfe „virtueller Realität“ simuliert er beispielsweise das Interieur von Häusern, die noch gar nicht gebaut sind.

WirtschaftsWoche 3/1994

Stuttgart gilt bei Insidern als Mekka des Cyberspace, wie die künstliche Welt aus dem Computer auch genannt wird. Dort suchen Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sowie des Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) nach Abkürzungen des Weges von der Idee zum Produkt. Erste Nutznießer des ungewöhnlichen Know-hows sind Büro-Einrichter, die in imaginären Räumen Möbel rücken können, oder der Mannheimer Pharmakonzern Boehringer, dessen neue Abfüllanlage für Diagnostik in der synthetischen Bilderwelt des Cyberspace optimiert wurde.

Im kommenden Jahr werden nun auch Forscher von Mercedes-Benz die klobigen Bildschirmbrillen aufsetzen. Der Konzern ist industrieller Partner eines Sonderforschungsbereichs, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft eingerichtet hat. Das Ziel: „Rapid Prototyping“, zu deutsch: „Verkürzung von Entwicklungszeiten“.

Unter Federführung des Instituts für Arbeitswissenschaften und Technologiemanagement der Universität Stuttgart soll eine Software entstehen, die den Entwickler eines Produkts intuitiv arbeiten läßt. Mit imaginärer Knetmasse perfektioniert er per Handbewegung die Form des Gegenstands, der vor seinen Augen im Raum zu schweben scheint – in diesem Fall eines Autoteils. Der Computer checkt Abmessungen und Montagefreundlichkeit, schließlich werden die Daten an einen Roboter übermittelt, der ein maßstabgetreues Formmodell fräst.

Bisher werden, wenn sich ein Produkt entwicklungsbedingt ändert, mit hohem Zeitaufwand jeweils neue Prototypen hergestellt.

Das Mercedes-Engagement ist bisher noch eine Ausnahme in der Cyberspace-Szene. Denn die deutsche Großindustrie nähert sich der neuen Simulationstechnik nur sehr zögernd. „Aus diesem Grund können wir viele Ideen momentan nicht umsetzen“, hält Rößler den Konzernen vor.           UJF

Pralle Daten

Weltweite Multimedianetze revolutionieren Arbeit und Freizeit. In den USA und Großbritannien fiel bereits der Startschuß.

WirtschaftsWoche 3/1994

AI Gore hatte nie viele Freunde in der Industrie. Das änderte sich schlagartig, als der einstige US-Senator an der Seite von Bill Clinton in den Wahlkampf zog. Mit seinem Rezept für eine Datenautobahn, ein weiträumiges Netz von Rennpisten für digitale Informationen aller Art, machte er der High-Tech-Elite des Landes den Mund wäßrig. Heute, nur ein Jahr später, sind viele Industriebosse schwer enttäuscht von dem grünen Vize: Den schönen Worten sind keine Taten gefolgt.

Gore, der zu diesem Thema neben einer Regierungskommission bisher nicht viel Konkretes vorweisen kann, scheint die Kritik allerdings nicht sonderlich zu beeindrucken. Im Gegenteil: Der Chefintellektuelle der demokratischen Partei legt es geradezu darauf an, daß die Industrie beim Aufbau der „nationalen Informationsinfrastruktur“ dem Staat die Initiative abnimmt.

Für die Wirtschaft – und das gilt für alle Industriestaaten – gibt es Gründe genug, das elektronische Wegenetz des globalen Dorfs von morgen mitzugestalten. Experten vergleichen den langfristigen Einfluß der neuen Technik auf die Gesellschaft bereits mit dem des Fernstraßenbaus in Deutschland nach dem Krieg.

So wird sich in der neuen, von der Informationstechnik bestimmten Welt nicht nur das Konsumverhalten der privaten Verbraucher wandeln. Auch viele Arbeitsabläufe werden sich dramatisch verändern.

Die Innovationen sind wie geschaffen für Gehbehinderte, Automuffel und notorische Stubenhocker. Unter anderem wird es im Jahre 2000 möglich sein, mittels fernsehtauglichem Personalcomputer, Telefon und Modem einen Film aus einer Videodatenbank ins Pantoffelkino zu zaubern, Waren zu bestellen, sich an interaktiven Fortbildungskursen zu beteiligen und vom heimischen Arbeitszimmer aus an einer Telekonferenz mit Kollegen und Geschäftspartnern teilzunehmen.

Die Infrastruktur – von Kabelfemsehnetzen über das Datenkommunikationssystem Internet bis zum Supercomputerverbund der National Science Foundation (NSFnet) – steht bereits zum Teil.

Europa, heute noch besser mit Hochleistungsnetzen bestückt als die USA, dürfte von den Staaten in dem Rennen um die Datenautobahn in den kommenden Jahren überholt werden. Auf dem alten Kontinent geht erst 1998 die Ära der staatlichen Fernmeldemonopole endgültig zu Ende – nach Ansicht von Experten um Jahre zu spät.

„Europa müßte den Telekommunikationsmarkt so schnell wie möglich liberalisieren“, so Gerhard Sundt von der Frankfurter Unternehmensberatung Gartner Group GmbH. Dann erst könnten sich schlagkräftige paneuropäische Allianzen formieren, die in der Lage wären, den Kontinent flächendeckend mit Multimediarennstrecken zu überziehen. Das neue Zweckbündnis zwischen France Telecom und ihrem Bonner Pendant Deutsche Bundespost Telekom erscheint Sundt dafür nicht potent genug.

Während Telekom-Chef Helmut Ricke noch Jahre warten muß, bis er seinem Unternehmen an der Börse Kapital für Investitionen besorgen darf, hat die Vision vom grenzenlosen Informationsverkehr an der New Yorker Wall Street bereits einen Goldrausch ausgelöst. Spekulanten – selbst eifrige Nutzer schneller Datennetze – jagen die Aktien potentieller Profiteure des Multimediarausches auf Rekordniveau. Besonders hoch im Kurs stehen die „Baby-Bells“, jene sieben regionalen Telekom-Netzbetreiber, die bei der Deregulierung des US-Telefonmarktes vor zehn Jahren aus dem Bell-System (heute AT&T Corp.) herausgelöst worden waren.

Am schärfsten beäugt wird derzeit die Bell Atlantic Corp. in Philadelphia. Denn Atlantic-Kapitän Raymond Smith hat im Oktober das Aufgebot für eine Elefantenhochzeit bestellt: Das Riesenbaby von der Ostküste (Jahresumsatz: 12,6 Milliarden Dollar) hat sich einen Kabelfernsehjumbo angelacht. Die beantragte Fusion mit der Tele-Communications Inc. (TCI), deren Wert auf 13,2 Milliarden Dollar taxiert wird, hat gute Chancen, im Guinness-Buch der Rekorde zu landen. Der Kaufpreis liegt bei umgerechnet 50 Milliarden Mark. Selbst Alfred Sikes, unter US-Präsident Ronald Reagan Chairman der Telecom-Kontrollbehörde FCC und heute Technologiechef des Verlagshauses Hearst in New York, schwärmt schon jetzt vom „Deal des Jahrhunderts“.

Der von langer Hand geplante Coup verändert die amerikanische Telekommunikationsindustrie grundlegend. So macht erstmals eines der Baby-Bells seinen Schwestern vor der eigenen Haustür Konkurrenz: Über die Fernsehkabel des Marktführers TCI will Smith auch Telefongespräche, Faxe und Daten übertragen. Das spült zusätzliche Dollar in die Kassen und bedeutet für über zehn Millionen Haushalte in 49 Bundesstaaten den Einstieg in die Multimedia-Ära. Während die europäische Telekom-Industrie bei diesem Thema fast ausschließlich professionelle Anwender im Visier hat, vertraut Smith dabei voll auf Computersimulation den Massenmarkt, Stichwort Video-on-Demand: Aus einer elektronischen Videothek kann der Benutzer per Fernbedienung fast jeden beliebigen Film bestellen.

Innerhalb der Europäischen Union sind derartige Ansätze bisher nur auf dem liberalisierten britischen Markt zu beobachten. Dort testen mehrere amerikanische Anbieter neue Kommunikationsangebote – selbst solche, die es nicht einmal in den Vereinigten Staaten gibt. So beliefert Videotron Corp., eine Tochter der kanadischen Telekom-Holding BCE, von London aus eine halbe Million Teilnehmer mit ihrem Zweiwegfernsehen Videoway. Es ermöglicht das Einkaufen am heimischen Bildschirm, interaktive Computerspiele und Sportübertragungen, bei denen der Zuschauer per Fernbedienung selbst Regie führen kann. Die Monatsgebühr von etwa 80 Mark ist keine Hürde, weil man über dieselbe Leitung billig telefonieren kann.

Auch in Manchester, Liverpool und Birmingham werden die Straßen für neue Kabel aufgerissen. Mit Southwestern Bell, US West und Nynex tummeln sich dort gleich drei Baby-Bells. Insgesamt wollen die Anbieter binnen drei Jahren zwei Milliarden Dollar in den Ausbau der Technik stecken. Weitere zehn Milliarden Dollar sind angepeilt.

Europäischer Vorreiter ist Großbritannien auch bei der Telearbeit: Gartner-Mann Sundt schätzt, daß dort jeder fünfte Arbeitnehmer – zumindest gelegentlich – daheim am Computer arbeitet; die Hälfte davon kann bereits per Modem mit dem Büro kommunizieren. „Der Produktivitätszuwachs ist erheblich“, hat Sundt beobachtet, „denn die 75 Minuten, die der Pendler pro Tag durchschnittlich im Auto verbringt, nutzt er lieber produktiv für den Arbeitgeber.“

Die britische Marktforschungsgesellschaft Ovum Ltd. sagt denn auch einen anhaltenden Boom der elektronischen Heimarbeit voraus: Die Zahl der festen Tele-Arbeitsplätze in Europa und Nordamerika soll von heute 600.000 auf 5,3 Millionen im Jahr 1997 und 11,7 Millionen im Jahr 2000 steigen. Das jährliche Geschäft mit Hardware, Software und Gebühren explodiert laut Ovum in den kommenden sechs Jahren von 2 auf 33 Milliarden Dollar.

Den Bewohnern von Telluride im US-Bundesstaat Colorado machen derlei Prognosen Angst: Seit US West einen Internet-Anschluß für Fernarbeiter in ihr stilles Bergdorf gelegt hat, befürchten sie einen massiven Zuzug aus der Stadt.

Viele Wissenschaftler, Ingenieure und Computerspezialisten arbeiten via Internet bereits heute in virtuellen Teams weltweit zusammen. Softwareprogrammierer in Indien oder Osteuropa sind so mit ihren Auftraggebern in Deutschland oder den USA elektronisch vernetzt. Selbst das abgelegenste Dorf wird so direkter Nachbar von Berlin, Tokio und New York.

Ulf J. Froitzheim