Gemobbt in Berlin

Manchmal ist mir mein Beruf regelrecht peinlich. Journalist zu sein, ohne sich dafür zu genieren, war schon erheblich leichter als anno 2010. Im Moment schäme ich mich noch mehr dafür, einer Untergliederung desselben Verbandes anzugehören wie ein paar Tausend teils leidensfähige, teils sadistische Kolleginnen und Kollegen in der und rund um die Bundeshauptstadt, nämlich des DJV. Diverse Aktive der Landesverbände in Berlin und Brandenburg geben sich allergrößte Mühe, den Deutschen Journalistenverband von innen heraus zu zerstören, weil die Dinge nicht in ihrem Sinne laufen. Gegen das, was im Verband derzeit gruppendynamisch abgeht, sind die Aufführungen auf der CSU-FDP-Gurkentruppen-Wildsau-Bühne der reinste Kuschelrock. Leider erlauben das Vereinsrecht und die Satzung des Bundes-DJV nicht, ganze Landesverbände wegen permanent verbandsschädigenden Verhaltens ihrer Vorstände auszuschließen. Wir haben das 2004 in einer Art Notwehrsituation versucht – was heute passiert, hat eine lange Vorgeschichte – aber Juristen sagten "geht nicht". Nicht einmal mit einer Dreiviertelmehrheit. (Es klappt allerdings auch nicht, in so einem Fall einen Alternativ-Verein hochzuziehen. Nicht in Berlin.)

Nur ein Gutes hat die Show, die unsere neupreußischen Mitmenschen da abziehen: Sie zeigt, dass die Print- und Fernsehjournalisten endgültig im Internet-Zeitalter angekommen sind. Die Kombattanten liefern sich Flamewars nach allen Regeln dieser schmutzigen Kunst. „Gemobbt in Berlin“ weiterlesen

Das, äh, die Grauen im Bayerischen Rundfunkrat

"In Bayern scheinen die Uhren immer noch anders zu gehen als im Rest der Republik."

"Amtsmüde Parteisprecher aller Couleurs dürfen sich jetzt wieder Hoffnungen machen, dass sie eines Tages mit lukrativen Posten bei öffentlich-rechtlichen Sendern belohnt werden."

epd

Der aktuelle BJVreport befasst sich mit dem bevorstehenden Wechsel von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm auf den Intendantenposten beim BR und auch mit der Rolle von Dr. Wolfgang Stöckel, dem 1. Vorsitzenden des BJV und stellvertretenden Vorsitzenden des Fernsehausschusses im Rundfunkrat. Einige Informationen daraus sind durchaus diskussionswürdig. Immerhin brachte Stöckel…

"Im BR-Rundfunkrat hätten die unabhängigen Mitglieder gar keine Chance, einen Kandidaten durchzusetzen, der nicht CSU-nah sei, sagte Rundfunkratsmitglied Wolfgang Stöckel dem epd."

epd

…etwas Transparenz in die Funktionsweise bayerischer Hinterzimmerdiplomatie. Der Redakteurin offenbarte er, im Rundfunkrat Mitglied eines Zirkels um den emeritierten Professor Hans Georg Lößl gewesen zu sein, der am Rosenmontag (also am 15. Februar 2010) im Münchner Bahnhofshotel seinen Favoriten Wilhelm beschnuppert (und dann dessen Wahl forciert) habe. „Das, äh, die Grauen im Bayerischen Rundfunkrat“ weiterlesen

BJVreport: Covers ab 2002

60 Jahre und kein bisschen weise

1949, vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, erlebte Deutschland eine Gründungswelle. Nicht nur die Bundesrepublik feierte daher dieses Jahr ihr 60-jähriges Bestehen, sondern auch eine ganze Reihe von gesellschaftlich mehr oder minder relevanten Institutionen und Organisationen – und unter ihnen auch die Deutsche Journalistenschule und der Deutsche Journalisten-Verband, kurz: DJS und DJV.

Welch ein Kontrast: Das DJS-Jubiläum war ein rauschendes Sommerfest im Münchner Prinzregententheater, die Festrede zelebrierte Angela Merkel höchstselbst mit sichtlichem Vergnügen, abends conferencierte Günther Jauch die Tombola. Die Fete war eigentümlich heiter, wenn man bedenkt, welche Berufsaussichten die Absolventen von heute haben.

Der DJV dagegen beging seinen Geburtstag, einen Monat verfrüht, im grauen November, und der Rest vom Fest passte zur Jahreszeit: Unprätentiöser Jubelakt Jubiläumsakt im Kongresstrakt einer städtebaulichen Missgeburt anonymen 90er-Jahre-Bettenburg in Neukölln, deren Adresse "Sonnenallee" der einzige Farbtupfer war – und mit dem für Kulturgedöns fragen zuständigen Staatsminister Bernd Neumann (einem jener Politiker, die man nur unter Androhung von Waffengewalt lächelnd aufs Foto bekommt) als Gesandtem der Obrigkeit. „60 Jahre und kein bisschen weise“ weiterlesen

Live Blogging aus Berlin: Saboteure im Estrel

Journalisten können entgegen anderslautenden Gerüchten aus der Blogosphäre normalerweise bis zehn zählen und sind auch in der Lage, eine blauen von einem grünen Stimmzettel zu unterscheiden.

Also war es wohl kein Versehen, dass beim Verbandstag des Deutschen Journalisten-Verbandes ein eklatant falscher Stimmzettel in der Urne im zweckentfremdeten Sektkübel landete: Bei der Wahl der drei Beisitzer aus vier Kandidaten warf ein Teilnehmer statt des grünen Kärtchens Nr. 7 Jg. 2009 unbemerkt ein blaues Kärtchen mit der Nummer 10 aus dem Vorjahr ein. Da die Gewählten nicht auf dem Kärtchen selbst, sondern auf einem gesonderten DIN-A4-Bogen aufgeführt waren, ließ sich beim Auszählen nicht eruieren, welcher Stimmzettel ungültig war.

Folge 1: Der Wahlgang muss wiederholt werden – und zwar sicherheitshalber per Hammelsprung…

…bei dem alle Schlange stehen müssen. Strenge Wahlbeobachter an der Tür passen auf, ob die Delegierten auch brav den rosa Stimmzettel und das grüne Stimmberechtigungskärtchen in die beiden separaten Urnen werfen.

Folge 2: Es bleibt weniger Zeit für Diskussionen über die eigentlichen Themen des Verbandstags.

Wenn es nicht so peinlich wäre, sollte man fast die Gelegenheit nutzen, dass das Hotel Estrel nicht nur DJV-Tagungshotel, sondern Haupt-Quartier der zum 9. November in die Hauptstadt abkommandierten Polizisten ist: Der Täter dürfte Fingerabdrücke auf dem blauen Stimmkärtchen hinterlassen haben. Die Handschrift der Sabotageaktion, sagen viele Teilnehmer, komme ihnen allerdings ziemlich vertraut vor.