Ungesunder Menschenverstand

Lange haben wir uns ungeniert als Homo sapiens bezeichnet. Dann kam ein Virus über uns. Seither frage ich mich im sicheren Home Office, wann die Evolution unseres Großhirns endlich weitergeht.

 

Liebe Mit-Heimarbeiter und Mit-Heimarbeiterinnen an den Bildschirmen!

Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Das heißt: Sie haben eine ganz normale Körpertemperatur und leiden weder an irgendeiner Atemwegserkrankung noch an Panikattacken noch an Hypochondrie. Sie waren weder beruflich in China noch zum Skifahren in den italienischen Alpen, haben den linksrheinischen Karneval und alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern gemieden. Auch Ihre schulbefreiten Kinder nerven hoffentlich nicht rum, weil Sie ihnen zumuten, die fünfwöchigen Osterferien mutterseelenalleine am verhassten Computer daddelnd zu verbringen, stundenlang zu whatsappen oder sich sterbenslangweilige Netflix-Serien reinzuziehen, nur weil Mama und Papa ungestört und uninfiziert ihre Projekte abarbeiten wollen und ein Besuch bei Oma und Opa unverantwortlich wäre.

Ich hoffe außerdem, dass nicht Sie es waren, der oder die neulich bei Nacht und Nebel ins Altenheim geschlichen ist, um die letzten drei Großverbraucherflaschen Sterilium zu entwenden – und das vor dem eigenen Gewissen mit einem außergesetzlichen Notstand namens „Lieferengpass“ gerechtfertigt hat. Dass nicht Sie im Drogeriemarkt das Regal mit dem Hygiene-Handgel leergekauft haben, das zwar 99 Prozent der Bakterien umbringt, aber Viren aller Art in Frieden lässt. Und dass Ihre Mitmenschen bei Pasta-Appetit nicht mühsam Lasagne zubereiten müssen, weil Sie ihnen zuvorgekommen sind und die lokalen Restbestände aller anderen Nudelformen in Ihrem Vorratskeller gebunkert haben. „Ungesunder Menschenverstand“ weiterlesen

Dr. rer. dig. TV

Fernsehen war mal eine simple Sache. Die Digitalisierung macht‘s zur Wissenschaft.

Wir sitzen den ganzen Tag am Computer, und was machen wir abends? Wir wechseln von der „Lean-Forward-“ in die „Lean-Back“-Position, hocken uns also etwas gemütlicher vor einen anderen Bildschirm. Dank Breitbandanschluss könnten wir gleich am Schreibtisch bleiben und die Nachrichten, die Show oder den Spielfilm auf dem Monitor oder Laptop-Display anschauen. Wir müssten auch nichts dann sehen, wenn es läuft. In der Mediathek läuft es, wann wir wollen – die eine oder andere „Sendung“ sogar schon vor ihrer Ausstrahlung. Warten bis zur Sendezeit? Eigentlich eine Zumutung in einer Zeit, in der niemand mehr die Aussage paradox findet, etwa 15 Prozent der Fernsehzuschauer hätten schon keinen Fernsehapparat mehr. „Dr. rer. dig. TV“ weiterlesen

Ich muss meinen MP3-Player entkalken

Wahrscheinlich sind alle Geräte erfunden, die die Menschheit braucht. Warum sonst denkt sich jemand so etwas wie den Moxie Showerhead aus?

Die Firma Kohler muss man nicht kennen, es sei denn, man arbeitet als Sanitär-Installateur in Amerika. Dann allerdings kommt man kaum vorbei an dem Unternehmen, das im 19. Jahrhundert vom österreichischen Milchbauernsohn Johann Michael Kohler in Wisconsin gegründet wurde und in einem Kaff residiert, das nach der Gründerfamilie benannt ist. Die Kohler Company aus Kohler, Wi. stellt Badezimmer-Armaturen her und wirbt mit dem Slogan „The Bold Look of Kohler“, zu deutsch: die verwegene Optik von Kohler.

Wer gelegentlich in den USA unterwegs ist und vielleicht schon mal im Privathaus transantlantischer Freunde nächtigen durfte, weiß natürlich, dass der Standard-Geschmack dortiger Eigenheimbesitzer nicht ganz mit progressiv-europäischen Auffassungen von verwegenem Design kompatibel ist. „Ich muss meinen MP3-Player entkalken“ weiterlesen

Ein Stern für Fehlkonstrukteure

Produktmanager sollten öfter mal bei Amazon vorbeischauen. Von dem dort herummeckernden Kunden könnten sie echt etwas lernen.

Na, schmeckt der Kaffee/Cappuccino/Latte? Schön für Sie. Ich muss im Moment mit Pulverplörre vorlieb nehmen. Meine Espressomaschine hat sich vor ein paar Tagen unter Absonderung beängstigender Gerüche in den Elektroschrott verabschiedet, löblicherweise erst ein gutes Jahr nach Ablauf der Gewährleistung. Nun warte ich sehnsüchtig auf die Paketbotin, die ein hoffentlich langlebigeres Exemplar bringt. „Ein Stern für Fehlkonstrukteure“ weiterlesen

Nicht ganz dicht, was?

Moderne Armbanduhren sind Accessoires für Wasserscheue.

Nicht im Traum wäre ich früher darauf gekommen, vor irgendwelchen Haushalts-, Heimwerker- oder Freizeitaktivitäten meine Armbanduhr abzulegen. Wurde sie schmutzig, hielt ich sie einfach kurz unter den Wasserhahn. Warum auch nicht? In meiner Teenagerzeit in der Flowerpower-Prilblumen-Ära hatte ich fürs Leben gelernt, dass eine anständige Uhr mehr oder minder wasserdicht ist „Nicht ganz dicht, was?“ weiterlesen