aus Computerwoche Spezial 5/1998
Infrastruktur – Standortfaktor Netztechnik
Niedrige Steuern und eine verkehrsgünstige Lage genügen heute nicht mehr, um einen Wirtschaftsstandort attraktiv zu machen. Ein guter Anschluß an die globale Infobahn ist mindestens ebenso wichtig. Das Stadt-Land-Gefälle droht trotz neuer Techniken für die „Letzte Meile“ größer zu werden.
Wolfgang Clement ist der erste Ministerpräsident in Düsseldorf, der sich nicht mehr mit kohlschwarzem Gesicht und Grubenlampe auf dem Kopf vor den Kameras der Journalisten aufzubauen braucht, um beim Wählervolk anzukommen. Kaum jemand weiß besser zu vermitteln als der Nachfolger von Johannes Rau, daß die wahren Bodenschätze an Rhein und Ruhr heute in einer Teufe von wenigen Dezimetern lagern, mitten in den Städten unter dem Trottoir. Sein Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, das diese erst wenige Jahrzehnte alte Ressource zielstrebig auszubeuten trachtet: Kohle machen ohne Zeche.
Daß die allgegenwärtige Kupferdoppelader, mit der die Telekom die Teilnehmer an ihre Ortsvermittlungen angeschlossen hat, zum wertvollen Rohstoff avanciert ist, liegt an einer Technik namens Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL). Hinter diesem Fachausdruck, unter dem sich bis vor zwei, drei Jahren nur hauptberufliche Nachrichtentechniker etwas vorstellen konnten, verbirgt sich eine hochkomplexe Signalverarbeitungssoftware, die selbst voluminöseste Multimedia-Inhalte so dicht zusammenpackt, daß sie durch normale Telefonstrippen passen. Seit dem Frühsommer testet die Telekom diesen potentiellen ISDN-Killer in Dortmund, Düsseldorf, Köln und Bonn; für die bisherigen High-Tech-Hochburgen München, Stuttgart und Frankfurt hieß es erst einmal: „Bitte warten!“
Dem Rau-Erben Clement, der die lange Wartezeit bis zu seiner Beförderung im Ministerium für Wirtschaft und Technologie zugebracht hat, geht der Fachjargon der Telekommunikatoren längst genauso locker über die Lippen wie seinem Vorgänger die Bergmannssprache. „Globales Dorf nur für Städter“ weiterlesen