2,00 € für eine Standardbrief-Marke?

Liebe Deutsche Ex-Bundes-Post,

soooo hässlich sind Deine Briefmarken nun nicht, dass ich meinen würde, ich müsste mir wirklich meine eigenen Marken gestalten. Nicht, dass ich individuelle Postwertzeichen mit selbstgeschossenen Fotos nicht originell fände. Aber der Preis, den Du verlangst, ist jenseits von Gut & Böse.

Ein 20er Bogen kostet nämlich netto 23,80 Euro – zusätzlich zum Porto. Ein Standardbrief kommt damit auf zwei Euro Frankierkosten. Fürs Aufdrucken des eigenen Motivs berechnest Du also einschließlich 19 Prozent Mehrwertsteuer 1,42 je Marke (28,32 je Bogen). Briefmarken

Nichts gegen einen originellen Digitaldruck-Service. Und der Gesamtpreis von 39,92 Euro wäre dafür noch akzeptabel, „2,00 € für eine Standardbrief-Marke?“ weiterlesen

Vorsicht, Kamera (denkt mit)!

Neue Software macht Fotoapparate endlich idiotensicher. Doch warum muss sich der Fortschritt an Deppen orientieren?

Was haben wir doch damals den Mund voll genommen in dem kleinen Fotogeschäft, in dem ich als Student jobbte. Als „idiotensicher“ verkauften wir die seinerzeit revolutionären Kameras mit Autofokus und Belichtungsvollautomatik. Ein Kollege ätzte, jetzt fehle eigentlich nur noch die Motivklingel, die dem Knipser signalisiert, wann er auf den Auslöser drücken soll. Wer damals fotografierte, dachte sich nämlich etwas dabei.

Bald war freilich klar, dass die Automatisierung dem technikgläubigen Laien ungeahnte Möglichkeiten gab, seine Schnappschüsse kreativ zu ruinieren. Die Abzüge zeigten nicht nur unterbelichtete Mitmenschen vor gleißenden Landschaften, sondern auch verschwommene Gestalten vor gestochen scharfem Hintergrund – wenn nämlich der Entfernungssensor zwischen den Köpfen hindurch gepeilt und das Objektiv auf „unendlich“ justiert hatte. Der künstlerische Schaden ließ sich potenzieren durch eine Innovation namens Aufhellblitz. Der sollte eigentlich die Schatten aus den Gesichtern vertreiben. Fortan wunderten sich die Touristen aber über unförmige weiße Flecken auf ihren Nachtaufnahmen der Skyline von Manhattan: Myriaden von Motten, die beim hoffnungslosen Versuch der Kamera, per Automatikblitz den gegenüberliegenden Wolkenkratzer zu illuminieren, in den Photonenhagel geraten waren.

Getrieben vom Ehrgeiz, Intelligenz und Kamerabedienung immer weiter zu entkoppeln, ist die Fotoindustrie inzwischen über sich selbst hinausgewachsen. Ihre neuesten Produkte nehmen nicht nur Technik-Analphabeten die letzte Berührungsangst, sie motivieren sogar notorische Kunstbanausen zu wahren Knips-Exzessen. Wer je bei einem Kollegen über die Schulter auf ein kleines Kameradisplay starren musste, um höflich Hunderte schlechter Urlaubsbilder an Auge und Hirn vorbeizappen zu lassen, wünscht sich zurück in die Zeit der Diaschauen. Damals war jedes missratene Bild verlorenes Geld. Heute belichtet man erst mal drauflos, es gibt ja zu jedem Fehler ein Gegenmittel: Statt einem einzigen Schärfemesser das Fokussieren anzuvertrauen, lässt man Dutzende von Sensoren eine Mehrheitsentscheidung treffen. Droht der Knipser das Bild zu verwackeln, hält die Kamera-Elektronik in Echtzeit dagegen. Vorletzter Schrei war die „Smile“-Funktion, bei der die Kamera erst auslöst, wenn die fotografierte Person „Cheese“ oder etwas Ähnliches sagt. Seither gibt es von manchem griesgrämigen Charakterkopf kein frisches Foto mehr.

Womit die Hersteller jetzt werben, geht allerdings zu weit. „Motiverkennung“ heißt ihr aktuelles Zauberwort. Sie meinen zwar nicht unsere gute alte Motivklingel, die schrillen würde, wenn eine hübsche Frau unseren Weg kreuzt. Aber was sich hinter dem harmlosen Begriff verbirgt, ist Graus genug für jeden anständigen Fotografen, bei dem die Bilder noch im Kopf entstehen. Es gibt bereits Modelle mit virtuellem Visagisten. Ist deren „Make-up-Funktion“ aktiviert, zaubern Chip und Software Falten und Pickel weg. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur vollautomatischen Smile-Make-up-Software, die missmutige Mundwinkel schon während der Belichtung nach oben zieht.

Unter uns: Die Prototypen sind bestimmt längst in der Erprobung. Oder was glauben Sie, warum Ihnen die Bundeskanzlerin neuerdings so penetrant aus allen Zeitungen ins Gesicht lächelt?

ULF J. FROITZHEIM greift als freier Journalist gern auch mal zur Kamera. Unvermeidliche kosmetische Eingriffe erledigt er lieber von Hand.

Aus der Technology Review 12/2009, Kolumne FROITZELEIEN

KODAK: Lange Leitung

Kodak 4
Via Internet können Hobbyfotografen bald digitale Bildkarten versenden, Online-Alben anlegen oder Abzüge bestellen. Die Nachfrage ist höchst ungewiß.

MIT DIGITALER FOTOGRAFIE wollte George Fisher den Celluloid-Riesen Kodak für die Zukunft fit machen. Statt dessen wurde sie für den Vorstandschef eines der größten Probleme. Im ersten Halbjahr produzierten Kodaks Versuche mit Bit-Bildern 100 Millionen Dollar Miese. Grund: Amateure verschmähen teure Digitalkameras, deren Bilder so grobkörnig sind, daß man einen Schnappschuß nicht mal als Miniposter an die Wand hängen kann.

Mit dem Kodak Picture Network ziehen Fisher und sein Marketingmanager Carl Gustin jetzt die Konsequenz aus der Treue der Knipser zum Film. Für fünf Dollar pro 24er Rolle scannen Kodak-Labors die Negative ein. Mit den Abzügen erhält der Kunde ein Paßwort, das ihm via Web Zugang zu einer Reihe von Services verschafft – etwa E-Postkarten mit eigenen Bildern an beliebige Mail-Adressen zu senden.

Wer will, kann die Bilder auf seine Festplatte laden, retuschieren oder verfremden und von diesen Elaboraten online Papierbilder nachbestellen. Geplant sind virtuelle Fotoalben, die man für Freunde und Verwandte in aller Welt öffnen kann. „KODAK: Lange Leitung“ weiterlesen

FOTOGERÄTEMARKT: Duales System

Da die highTech-Specials den Anzeigenabsatz ankurbeln sollten, widmete der Verlag sie den großen Messen. Daher war in der Ausgabe 37, die am 4. September 1992 erschien, die Photokina angesagt. Mein Text – Aufmacher des Specials – ist sicherlich interessant für Technik-Archäologen, die nach verschüttetem Wissen über die Anfänge der Digitalfotografie schürfen wollen. Keine Ahnung, warum wir damals vom „digitalen Negativ“ sprachen: Das Pixelbild ist ja eher mit dem Diapositiv verwandt.

WirtschaftsWoche 37/1992
FOTOGERÄTEMARKT: Koexistenz von Film und Elektronik
Koexistenz von Film und Elektronik

Trotz eines Riesenangebots an brandneuen Kameras läuft beim Fachhandel wenig. Jetzt soll das digitale Negativ die Umsätze beleben.

Wenige Wochen vor der Kölner Fachmesse Photokina herrscht bei Japans Kamerakonzernen Katerstimmung. Nicht mal mehr auf die knipswütigen Deutschen, bisher ihre treuesten Kunden, ist Verlaß. Litt der Fachhandel in den alten Bundesländern bereits 1991 unter Stagnationserscheinungen, klagen Branchensprecher mittlerweile über deutliche Umsatzeinbußen. Fotoapparate sind – trotz sinkender Preise – nicht mehr gefragt wie früher. Nur im Osten der Republik geht das Geschäft bislang gut, weil der Nachholbedarf noch immer nicht gedeckt ist.

Die fernöstlichen Produzenten sehen die Flaute im Land der Leica mit höchster Besorgnis. Denn Deutschland ist nicht nur ihr wichtigster Exportmarkt nach den USA. Hier konnten die Japaner bisher auch noch gutes Geld verdienen. In den Vereinigten Staaten dagegen, „FOTOGERÄTEMARKT: Duales System“ weiterlesen