Der Zukunftsladen

Im Future Store in Rheinberg testet die METRO Group technologische Innovationen für den Handel von morgen – unter realen Bedingungen

Auf den ersten Blick ist der Future Store ein ganz normaler Supermarkt: Hier tätigen Kunden aus Rheinberg, einer Kleinstadt bei Duisburg, ihren alltäglichen Einkauf – ob Hausfrauen mit Kindern oder das ältere Ehepaar von nebenan. Von Laboratmosphäre keine Spur. Doch der Extra-Markt der Metro Group hat es in sich. Das fällt schon im Eingangsbereich auf: In der Nische neben der Information sind keine Schließfächer untergebracht, sondern Ladestationen mit Dutzenden tragbarer Touchscreen-Computer. Über den Stirnseiten der Gondeln preisen keine Papp-Plakate die Sonderangebote an, sondern Flachbildschirme; an den Regalen zeigen elektronische Etiketten den aktuellen Preis an. Wer durch die Gänge streift, passiert immer wieder Infoterminals, die ihn als elektronische Wegweiser zu den gesuchten Waren leiten und zahlreiche Produktinformationen sowie Zubereitungstipps anbieten. Verblüffend die Obstwaage: Noch bevor sich der Kunde fragen kann, wo denn hier wohl die Tasten mit den bunten Bildchen versteckt sind, hat sie per Kameraauge seine Chiquitas erkannt „Der Zukunftsladen“ weiterlesen

MY WORLD: Karstadts einstürzende Neubauten

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Gut ein Jahr ist es her, da ließ Karstadt-Vorstandsmitglied Klaus Eierhoff im Internet ein merkwürdiges Ensemble von Hochhäusern errichten, an denen weder die Proportionen stimmten noch die Perspektive, von der architektonischen Ästhetik ganz zu schweigen. An den Bauwerken hingen als Fremdkörper Firmenembleme etwa von Sega und Dual, Talkline und IBM, und das Ganze nannte sich „My World“.

Nun geht Eierhoff zu Bertelsmann, und prompt hat Karstadt die virtuellen Wolkenkratzer aus dem Weg geräumt. Erst kurz zuvor hatte ein Schweizer Markenexperte im Fachblatt „werben & verkaufen“ den Karstadtschen Web-Auftritt verbal hingerichtet. Die neue „My World“ hat mit der alten bis aufs Logo kaum noch Ähnlichkeit. Die eigentliche Schwäche besteht indes weiter: Man findet nicht die Waren, die man sucht, und zu den Waren, die man findet, nicht die Informationen, die man sucht. Wer einen PC bestellen will, stößt erst einmal auf exotische Betriebssystem-Upgrades und Motherboards, und hat er einen PC gefunden, wirft die Datenbank wirre Dinge aus wie „Festplattenkapaz:>1000“. Unter „Geschenktips“ wimmelt es von Staubsaugern, Bügeleisen und ähnlich anzüglichen Präsenten. Daß es den Partyservice nur in vier Städten gibt, erfährt man erst, nachdem man seine Postleitzahl übermittelt hat. Immerhin steht über der enttäuschenden Antwort fett das Wort „Entschuldigung!“. Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht weniger erstaunlich, daß die profane „My World Uhr Limited Edition“ (DM 89,95), die zur Funkausstellung in limitierter Auflage von 330 Stück erschien, auch zwei Monate später noch vorrätig war.

 

ONLINE-LÄDEN: Keine Chance für Drücker

GO-KopfEntwarnung für Fachhändler: Der Einkaufsbummel in Internet, AOL & Co. läßt die Kundschaft bislang kalt. Grund: Push-Marketing zieht bei den Onlinern nicht.

 

Eberhard Schöneburg
Eberhard Schöneburg

Eberhard Schöneburg träumt von der Börse. Offenbar beflügelt vom Ansturm auf die T-Aktie, will der Fachhochschulprofessor aus Friedrichshafen schon in naher Zukunft selbst Anteilsscheine unters Volk bringen. Derzeit gehören ihm als Gründer der Neurotec Hochtechnologie GmbH in Oberursel zwar nur zehn Prozent seiner Firma; der Rest liegt zu gleichen Teilen bei der Berliner Elektroholding (BEH) und der Karstadt AG. Doch Schöneburg ist sich seines Erfolgs so sicher, daß er demnächst einen seiner Finanziers auskaufen will, um sodann mit frischem Kapital von der Börse auf Expansionskurs zu gehen.

Ob die Rechnung des ehrgeizigen Informatikers aufgeht, hängt in erster Linie von den deutschen Internet-Surfern ab: Nur wenn viele von ihnen oft genug die Web-Adresse www.my-world.de in ihren Browser tippen, kann Neurotec auf genügend Folgeaufträge bauen.

Karstadt glaubt an den Erfolg von „My World“

Wenn die imaginäre Einkaufsstadt mit der fremdartigen Architektur eine nennenswerte Stammkundschaft an sich bindet, muß Karstadt-Vorstand Klaus Eierhoff jenen 65 Millionen Mark nicht nachtrauern, die er im vergangenen Frühjahr für seinen Vorstoß in den Cyberspace bei Konzernchef Walter Deuss lockergemacht hat – „ohne  Wirtschaftlichkeitsrechnung“, wie Schöneburg betont. „ONLINE-LÄDEN: Keine Chance für Drücker“ weiterlesen

Showdown im wilden Osten

Der Einzelhandel probt den Wildwuchs. Im Osten schießen Einkaufszentren auf der grünen Wiese aus dem Boden. Im Westen locken die Innenstädte mit mondänen Passagen – Shopping um jeden Preis.

centroFlora-Park, Magdeburg: 80000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf verkehrsgünstigem Areal am Rande der Stadt. Keine zwölf Kilometer entfernt, in Hermsdorf: der etwas kleinere Elbe-Park. Hier warten 60000 Quadratmeter auf neue Kaufkraft im Osten der Republik.

Das Werbeduell der benachbarten Rivalen, die beide ein Spektrum von Food über Elektronik bis zu Möbeln abdecken, tobt unerbittlich: Als Basismedium dienen den Kontrahenten monatlich erscheinende „Center-Zeitungen“, die örtlichen Anzeigenblättern beigelegt werden. Die großen Mieter wie Toys’R’Us, Brinkmann oder Promarkt geben dem Werbefeuerwerk mit eigenen Anzeigen weiteren Zündstoff. Um auch das Potential der kleineren Center-Geschäfte abzuschöpfen, bringt das Regionalblatt „Magdeburger Volksstimme“ monatliche Sonderseiten.

Bisher scheint es, als wäre der Eibe-Park, der von einer Tochter der Bayerischen Beamtenversicherung gemanagt wird, im Nachteil: „Der Flora-Park ist sehr gut besucht“, weiß René Körtge, Anzeigenleiter bei der „Volksstimme“, „Elbe bei weitem nicht so.“ Deshalb suchen die Mieter der Hermsdorfer Shopping Mall ihre Kundschaft mittlerweile anderswo: „Einer unserer Händler“, so Günter Hüls, Center-Manager im Elbe-Park, „berichtete, daß 18 Prozent seiner Kunden aus Niedersachsen kämen.“

Verdrängungswettbewerb mit Umgehungsstraße?

Als steige die Kaufkraft der Bevölkerung proportional zur Anzahl der Läden, genehmigen die Behörden in den neuen Ländern fast jeden Bauantrag der Investoren. Gemessen am neuerlichen Bauboom müßte der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland längst eingesetzt haben: Nach einer Statistik des Kölner Euro-Handelsinstituts (EHI) wuchs die Verkaufsfläche der Einkaufszentren 1993 um fast ein Viertel auf 4,2 Millionen Quadratmeter. 21 Center kamen hinzu; jetzt sind es 135. Ende 1995 sollen es mehr als 150 sein. Dabei treiben riesige Neubauten auf billigem Boden, wie sie sich im Osten der Bepublik eingebürgert haben, die Durchschnittsgröße steil nach oben – sie liegt bereits heute bei 31100 Quadratmetern.

Verbände warnen vor Einkaufsruinen

Die gigantischen Neubauten erregen längst die Gemüter: Welche Folgen für die Innenstädte hat die Auslagerung des Handels an den Stadtrand? Hubertus Tessar, Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE), Köln, warnt: „Wir werden in den neuen Ländern bald die ersten Ruinen von Einkaufszentren sehen.“ Zwar sind sich die Fachleute einig, daß die westdeutschen Kommunen aus den Fehlern der 70er Jahre gelernt haben. Den Lokalpolitikern im „wilden Osten“ will dennoch keiner ein gutes Zeugnis ausstellen.

So grollt Thomas Werz, Geschäftsführer für Städtebau und Verkehr bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Köln: „Jeglicher Aufbau eines innerstädtischen Handels ist im Osten unmöglich, weil die grüne Wiese überhandnimmt.“ Er verweist darüber hinaus auf Schätzungen, wonach in den neuen Bundesländern bald über die Hälfte der Verkaufsfläche außerhalb der Städte liegen wird.

Die Freunde des Einkaufs in der City geben sich freilich nicht geschlagen. Um den gewachsenen Stadtzentren neue Attraktivität zu verleihen, setzen sie auf die Renaissance der Konsumtempel in Zentrumslage: So baut die britische Stadium Group in Oberhausen das Centro, einen Einkaufs- und Erlebnispark mit 70000 Quadratmetern Verkaufsfläche (siehe Kasten).
Der Aachener Wirtschaftsgeograf Professor Peter Gräf wiegelt die Einwände des Einzelhandels ab und fordert: „Der Handel muß aus den eingefahrenen Bahnen heraus, muß aktiv werden.“ Die alteingesessenen Händler sollen „den Werbekampf mit dem Einkaufszentrum aufnehmen“, meint Gräf, räumt aber ein, daß viele sich das „massive Werbekonzert“ wahrscheinlich nicht leisten können.

Auch im „wilden Osten“ sind die Stadtväter um die Ansiedlung neuer Einkaufstempel bemüht. So erhält die Stadt Dessau von der ECE Projektmanagement GmbH aus Hamburg ein Einkaufszentrum mit 29000 Quadratmetern unmittelbar neben dem Rathaus. Ähnliche Projekte laufen in Schwedt und Hoyerswerda.
Das Dessauer Konzept stammt aus dem Westen. Gerd Seitz, Geschäftsführer der zur Hamburger Otto-Gruppe gehörenden ECE, schwärmt von seinen positiven Erfahrungen in Koblenz, wo die Innenstadt mit erheblichem Kaufkraftschwund gekämpft habe: „Unser Löhr-Center hat nachweislich die Zentralität der Stadt gesteigert. Davon profitiert jetzt der ganze innerstädtische HandeL“ Eine ähnliche Entwicklung hätten die Zentren im saarländischen Neunkirchen und im westfalischen Hamm ausgelöst.
Obwohl der HDE schon die heute fertigen Verkaufsflächen in der Summe für überdimensioniert hält, baut ECE als Marktführer unter den Betreiberf1rmen munter weiter. In den nächsten drei Jahren will das Unternehmen zehn weitere Shopping-Center in Ostdeutschland fertigstellen. Die meisten sollen die Infrastruktur unterversorgter Stadtteile verbessern.

Gerd Seitz will es sogar mit dem übermächtigen Saale-Park aufnehmen, Deutschlands größtem Einkaufszentrum (knapp 93000 Quadratmeter) in Günthersdorf zwischen Halle und Leipzig: Wenn alles nach Plan läuft, eröffnet ECE 1996 mitten in der Trabantenstadt Leipzig-Grünau das Allee-Center – nach dem Vorbild der ECE-Objekte Perlacher Einkaufspassagen (PEP) und Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München.“Wir glauben, daß wir die 100.000 Einwohner im Einzugsgebiet stark an unser Objekt binden können“, so Seitz, „weil sie zu Fuß, mit dem Fahrrad oder selbst mit dem Auto schnell donhin kommen.“

An Mietern für die Ladenlokale mangelt es der Otto-Firma angeblich nicht. Schon vor Baubeginn seien in der Regel 60 Prozent oder mehr vergeben.

Ideen-Import im Pott

Mit Attraktionen aus Amerika geht der Einkaufs- und Freizeitpark Centro im April 1996 an den Start.

Von allem, das nichts mit der Vermietung von Büro- oder Verkaufsflächen zu tun hat, läßt Eddie Healey am liebsten die Finger. Die Vielzweckarena in Oberhausens Neuer Mitte (13000 Sitzplätze), immerhin als Konkurrenz zur Dortmunder Westfalenhalle konzipiert, verpachtet der englische Developer auf 20 Jahre an einen Subunternehmer, die New Yorker Ogden Services. Das Unternehmen, in den USA führend in der Bewirtschaftung von Sport- und Konzerthallen, schafft damit den Einstieg in den deutschen Markt.
Das Ogden-Management überläßt nichts dem Zufall: Tourneen werden mit Musikern und Sportlern so ausgehandelt, daß sie möglichst viele Ogden-Standorte durchlaufen. Mit Pizza, Hotdogs und Getränken machen die Arenen der Firma Millionenumsätze. Vice-President Frank Russo: „Centro Oberhausen ist für uns das meistversprechende Projekt in Deutschland.“
Auch der Kino-Komplex in Oberhausen läuft unter amerikanischem Management: Die Firma des ehemaligen Disney-Managers Don Iwerks baut für 15 Millonen Dollar das Erlebniskino Cinetropolis mit den Attraktionen Fox Giant Screen Theatre (Imax-Filme auf 18-Meter-Leinwand). Turbo Ride (Kino mit Bewegungssimulation), Cinedrome (tagsüber Kino in 360-Grad-Rundprojektion, abends computergesteuerte Live-Video-Diskothek) und Virtual Adventures (Videospiele für Gruppen). Daneben plant Time Warner ein Multiplex-Theater für gewöhnliche Filme.

 

Titelgeschichte der Ausgabe 33/1994 der w&v werben & verkaufen

Haarsträubende Geschichten

chip-kaufberatungWer sich vor windigen Willis und schraubenden Siggis schützen will, sollte nicht alles glauben, was in bunten Werbebeilagen steht. Mit solchen Discount-Hallodris muß der Kunde überall rechnen – selbst in Läden, die vor ihnen warnen.

Sein Hemd ist bunt, seine Weste auffallend weiß. Heller Borsalino und dunkle Brille verleihen ihm einen mafiösen Touch. Er beweist seine „Kompudenz“ durch die Art, wie er Computer „kontifugiert“: Willi Windig, Zerrbild des deutschen Computerhändlers, ist sogar zu dämlich, seine Kunden nach Strich und Faden übers Ohr zu hauen. Sein Kumpan Siggi Schrauber ist keinen Deut vertrauenswürdiger.

Die derben Späße, die sich die Werbeagentur des Großdiscounters Escom seit Juli mit der Konkurrenz erlaubt, lenken die Aufmerksamkeit der PC-Branche wieder auf Themen, die vor lauter Preiskampf schon vergessen schienen: Beratung. Qualität und Service. Freilich bringt das Heppenheimer Unternehmen diese Themen nicht aus Gründen des Verbraucherschutzes aufs Tapet. sondern um damit Geld zu verdienen. „Haarsträubende Geschichten“ weiterlesen