Die Patientin isst nichts. Oder doch?

Sommer 2014, eine Reha-Klinik im Sauerland, Teil eines bedeutenden Konzerns der Krankheitsbewirtschaftungsindustrie mit altgriechisch und lateinisch anmutenden Firmennamen. Eine alte Dame wird eingewiesen, postoperatives Durchgangssyndrom nach einem Sturz im Altenheim mit Kopfverletzung. Mit anderen Worten: Die Patientin hat wahrscheinlich noch die meisten Tassen im Schrank, ist aber zumindest für einige Wochen nicht in der Lage, sie der Reihe nach zu gebrauchen.

Aufgabe der Klinik ist die neurologische Frührehabilitation. Eine Frau Mitte 80, die dank fähiger Intensivmediziner noch am Leben ist, aber vorerst nicht begreift, wo sie ist oder wie spät es ist, muss man sich vorstellen wie ein ängstliches, mit der Wahrnehmung seiner Umwelt überfordertes kleines Kind, dem Erinnerungen aus acht Jahrzehnten im Kopf herumspuken – Erinnerungen, die diese kindliche Greisin nicht sortieren kann. Sie weiß noch, dass Tassen und Becher zum Trinken da sind und wie man sie in etwa handhaben muss, um nichts zu verschütten. Sie weiß aber nicht, dass sie sechs oder sieben Becher am Tag leertrinken muss. Sie weiß schon gar nicht, dass vor allem das Gehirn viel Flüssigkeit braucht, um sich einigermaßen zu regenerieren. „Die Patientin isst nichts. Oder doch?“ weiterlesen

Zucker für die Affen

Weiß irgendjemand hier noch nicht, dass es ungesund ist, viel Zucker zu essen und große Mengen süßer Getränke in sich hineinzuschütten? Ah, brav… alle wissen es, sie halten sich nur nicht dran. Dann ist das mal geklärt. Damit zum stern vom Donnerstag und seiner Titelstory:

Die Zuckermafia

Das Blatt, vom Gründer Henri Nannen einst als Lieschen Müllers Wundertüte konzipiert, springt seinen Lesern diese Woche mit einer ziemlich unverschämten Aufmachung ins Gesicht: ein knallroter kandidierter Apfel am Stiel, wie man ihn von Wiesn, Wasen und Dom kennt. Um ans Gesunde zu kommen, muss man sich durchs Ungesunde beißen, eine Kruste aus Kristallzucker, ein wenig Zitronensaft und reichlich Lebensmittelfarbe. Was will uns diese Text-Bild-Schere sagen? Dass Jahrmarkttandler alle Mafiosi sind? Nein, es geht um „die raffinierten“ (was sonst) „Methoden der Industrie“, ums  „Tricksen, Täuschen, Tarnen“ und die Aufklärung, wieviel Zucker „in unserem“ Essen steckt.

Wie es scheint, verfügt die Redaktion über weniger Raffinade Raffinesse als die Industrie. Sonst hätte vor der Imprimatur jemand gemerkt, dass der rote Apfel die mit Abstand offenste, ehrlichste und trickloseste Art darstellt, Menschen zum Zuckerkonsum zu verführen: Weniger kann man das süße Gift nicht verstecken. Das Cover konterkariert also die Story, die es verkaufen soll. Um diese Titelgeschichte wäre es allerdings nicht schade, denn wer mit Fakten trickst, Unwissenheit tarnt und Leser täuscht, sind die beteiligten Redakteure.

Da wäre zum Beispiel eine willkürlich zusammengestellte Auswahl von Lebensmittel-Markenprodukten, in denen der Zucker laut Bildunterschrift „gut versteckt“ sein soll, „Zucker für die Affen“ weiterlesen