Galgenhumor ist in manchen Situationen das einzige, was hilft, die eigene Ohnmacht zu ertragen. Wie ohnmächtig wir Normalbürger des globalen „Westens“ sind, spüren wir spätestens seit drei Wochen täglich – ob wir Radio hören, Zeitung lesen, den ARD-Brennpunkt oder eine euphemistisch „Talkshow“ genannte Sendung anschauen. Als kürzlich auf Twitter der Name des Kriegsverbrechers im Kreml auf eine Weise verballhornt wurde, die ihn in eine Reihe mit dem bisher größten (Kriegs-) Verbrecher der Geschichte stellt, konnte ich nicht anders, als diesen Hashtag – #VladolfPutler – auch zu verwenden. Wer immer noch vom „russischen Präsidenten“ oder „Herrn Putin“ spricht, verharmlost diese Bestie in Menschengestalt. Und wer vor der Armseligkeit des Verhaltens unserer „Realpolitiker“ nicht angewidert ist, sollte dringend seinen moralischen Kompass zur Reparatur geben. Deshalb hier ein paar leider nötige Anmerkungen von einem Angehörigen der sogenannten Nachkriegsgeneration, der sich leider lange keine großen Gedanken über Osteuropa gemacht hatte.
Odessa, 1990
Nachdem meine Mutter, 1930 geboren, vor ein paar Jahren nach einem Sturz mit Kopfverletzung eine vaskuläre Demenz entwickelt hatte, habe ich mich durch ihre alten Familienalben und Kartons mit Foto-Abzügen gewühlt und ihr ein dickes Fotobuch zusammengestellt, das den Bogen von ihrer Kindheit bis in die Gegenwart schlägt; das soll helfen, verschüttete Erinnerungen anzuregen. Gegen Ende ihres Berufslebens hatten meine Eltern sich ein paar Schiffsreisen gegönnt, darunter eine Schwarzmeerkreuzfahrt auf der M.S. Fyodor Dostoyevskiy. Die Sowjetunion hatte während der Perestrojka westliche Touristen als wachstumsträchtige Zielgruppe erkannt und ein fertiges Schiff erworben, nämlich die erst 1987 in Dienst gestellte M.S. Astor. Sitz der Reederei war Odessa. Und so kam es, dass meine Mutter ihren 60. Geburtstag in der Hafenstadt an der ukrainischen Schwarzmeerküste feierte. Zum Landgang gehörte ein Besuch im Opernhaus (Foto oben), das kurz nach der Dresdner Semperoper gebaut worden war und mich auf den ersten Blick auch an diese erinnerte. „Stoppt Vladolf Putler! Rettet Mariupol!“ weiterlesen