Presserat: „Bild“-Pranger schwerer Verstoß gegen Ziffer 1

Drei Tage lang konferierte der Deutsche Presserat vorige Woche mal wieder über Beschwerden, 15 Rügen kamen am Ende dabei heraus, 40 Prozent – also 6 Stück – betrafen „Bild“ (online bzw. Print). Ein der erfolgreichen Beschwerden hatte übrigens ich eingereicht (vermutlich nicht als einziger Beschwerdeführer). Es ging um einen Beitrag von Hans-Jörg Vehlewald mit der Überschrift „Hammerurteil zur TV-Gebühren-Erhöhung: Von diesem Richter werden wir zur Kasse GEZwungen“, in dem der Vorsitzende des 1. Senats des BVerfG, Prof. Stephan Harbarth, an den Pranger gestellt wurde.

Hier meine Beschwerde:

„Die Überschriften – vor allem „Von diesem Richter werden wir zur Kasse GEZwungen“ – verstoßen gegen Ziffer 1, da sie weder Achtung vor der Wahrheit zeigen noch eine wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit bezwecken und die Menschenwürde von Prof. Harbarth missachten. Alle BVerfGE werden vom gesamten Senat (hier: dem Ersten) getroffen. Damit ist jede Aussage, die diese Entscheidung auf die Person des Senatsvorsitzenden reduziert, unwahr. Es handelt sich erkennbar nicht um ein Versehen. Verfassungsrechtliche Unkenntnis wäre aufgrund der Sorgfaltspflicht ohnehin kein Rechtfertigungsgrund. Im Gegenteil dient die Darstellung dem Zweck, Prof. Harbarth persönlich an den Pranger zu stellen. Zu rügen ist auch das Wortspiel „GEZwungen“, das den insbesondere bei der Bild-Zielgruppe populären Irrtum bestärkt, es gäbe noch eine GEZ, zumal das Kürzel als Codewort derer bekannt ist, die den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk ungeachtet seiner in früheren BVerfGE manifestierten Bestands- und Entwicklungsgarantie abschaffen möchten. Mit wahrhaftigem Journalismus sind solche Manipulationen unvereinbar, zumal die Redaktion nicht einmal den Versuch unternimmt, eine Trennung von Nachricht und Kommentar vorzugaukeln. Sie inszeniert einen Skandal, wo keiner ist. Durch die Illustration der zur Empörung anstachelnden, wahrheitswidrigen Headline mit dem Porträt von Herrn Prof. Harbarth nimmt die Redaktion bewusst die Gefahr in Kauf, militante Gegner des Rechtsstaats oder auch der ARD und des ZDF zu Gewalttaten gegen den Verfassungsrichter zu ermuntern. Was das Gewaltpotential in den Kreisen angeht, die hier publizistisch angesprochen werden, ist exemplarisch auf den Fall Lübcke hinzuweisen. Inhaltlich falsch ist auch die Headline „Prunkpalast, üppige Gehälter und Pensionen: Dafür geben ARD und ZDF unsere Milliarden aus!“. Es sind nicht „unsere“ Milliarden, da der Rundfunkbeitrag den Anstalten zusteht – höchstrichterlich bestätigt.“

Sensibler Witwenschüttler

Wenn korrekt ist, was das Bildblog schreibt – und daran zu zweifeln gibt es nach Lage der Dinge keinen vernünftigen Grund –, ist einem so genannten Witwenschüttler seine Arbeit so peinlich, dass er Bildblog-Posts vergessen machen möchte, die sich seiner „Arbeit“ widmen. Genauer gesagt: Er reklamierte bei Google das neue Recht auf digitale Amnesie für sich. Wenn schon das Netz an sich ihn nicht vergisst, soll sich wenigstens die Suchmaschine nicht mehr an ihn erinnern dürfen.

Da der Mann Alexander Blum heißt, kamen die Bildblogger auf die geniale Überschrift „Die verlorene Ehre des Alexander Blum“.

Blum ist übrigens wohl jemand, für den sich ein Journalist noch mehr fremdschämen muss als für einen klassischen Witwenschüttler. Den Angaben aus dem Bildblog zufolge ist der Mann wohl eher der Kategorie Kinderschüttler zuzurechnen:

„Bild“ benutzt Kinder für Recherchen

„Bild“ benutzt Kinder für Recherchen II

Auch sonst gereicht die Arbeitsweise des Kollegen unserem Berufsstand nicht zu besonderer Ehre:

Von Dreckschweinen und Wiederholungstätern

Polizei deckt „BamS“-Ente auf

Wohl denn, möge er über das WWW lernen, was die ungleich sympathischere Barbra Streisand schon lange weiß!

Eine Rüge für den Presserat

Paul-Josef Raue, einst Mitglied der Gründungsredaktion des brand eins-Vorläufers Econy, befasst sich in seinem Blog mit der Auseinandersetzung zwischen brand eins und dem Presserat. Er fordert eine Reform des Selbstkontrollorgans.

Ich sehe das ähnlich. Da ich gute Kontakte in beiden Richtungen unterhalte (ich schreibe nicht nur für brand eins, sondern habe auf -zig DJV-Verbandstagen Kolleginnen und Kollegen mit in den Presserat gewählt), war ich schon etwas fassungslos, als ich von dieser ziemlich abwegigen Rüge erfuhr.

Hier mein Kommentar in Paul-Josef Raues Blog:  „Eine Rüge für den Presserat“ weiterlesen