Handelsblatt zeigt Fitness-Schwäche

Vom Handelsblatt darf man erwarten, dass es dpa-Wirtschaftsmeldungen nicht unbesehen  übernimmt. Es ist aber passiert:

„Die Fitness First Germany GmbH … gehört mit McFit und Health City zu den drei großen Anbietern im Land.“

Tja, das stimmt nicht. McFit ist der Größte von der Mitgliederzahl her, aber Injoy und Kieser haben die meisten Studios. Fitness First (um die es in der Meldung geht) liegt nur auf Rang 4, Health City kommt mit 22 Standorten unter „ferner liefen“.

Lauffs Leviten lesen!

Es ist viiiieeelll Text, den Werner Lauff uns zum Jahreswechsel zumutet, aber jeder Medienmensch sollte sich die Zeit für seinen medienjährlichen Rück- und Ausblick nehmen – vor allem die Führungskräfte der Branche. Lauff hat buchstäblich alles, was in der Medienwelt derzeit abgeht, analysiert, sortiert, strukturiert, in den Zusammenhang gestellt. Die Einzelfakten kennt man, aber hier wird das große Bild sichtbar.

Pflichtlektüre! (bei Kress.de)

„Die Verantwortung spüren

…Ein Ereignis wird binnen Stunden zum dominierenden Thema. Danach bleibt es wochenlang in den Schlagzeilen, wobei jede Sekundärmeldung – eine These, eine Forderung, ein Gerücht – recht zu sein scheint. Von einem Tag auf den anderen verschwindet das Thema dann wieder in der Versenkung, als sei der Fortgang der Angelegenheit kein Wort mehr wert…

…Der Wettbewerb um Nachrichten ist so groß, dass zum Nachdenken kaum Zeit bleibt. Die meisten Redaktionen sind mit zu vielen Themen befasst und können weder Erfahrung noch Expertenwissen abrufen. … Journalisten werden permanent zum Verdichten animiert. Doch viele Hochrechnungen auf tiefere Absichten oder gar Strategien, die auf diesem Weg zustande kommen, liegen weit neben der Sache. Die häufigsten Probleme sind assoziative Fehlschlüsse, Fehlgewichtungen von Anlass oder Äußerungsmodus sowie elementare Unkenntnis über die Historie, die Zusammenhänge und die Interessen der handelnden Personen. …

Viele dieser oberflächlich zustande gekommenen Artikel in Nachricht-Kommentar-Feature-Mischform können fatale Auswirkungen haben. Sie können blutige Reaktionen hervorrufen. Sie können Wirtschaft und Währung in Gefahr bringen. …“

‚tschuldigung, wissen wir doch auch nix!

Manfred Bissinger kennt man eigentlich, jedenfalls als Journalist und/oder Hamburger. Zuletzt saß der alte Haudegen in der Chefetage der Ganske-Verlagsgruppe (Hoffmann & Campe, Jahreszeiten) und verantwortete das Corporate Publishing. Seit über einem Jahr macht Ex-Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer diesen Job, auch er kein Unbekannter in der Branche.

Bei Spiegel Online wussten sie es nicht, als sie aus Agenturmaterial und eigenen Sätzen einen Beitrag über Carsten Maschmeyers Anzeige für Christian Wulffs Buch montierten:

Immerhin zeigen die Hanseaten die Noblesse, sich für den Fehler an Ort und Stelle zu entschuldigen. Die Kollegen von der Online-SZ wussten es auch nicht, sind aber in den Feierabend gegangen, bevor sie sich entschuldigen konnten:

Jedenfalls haben die Münchner den Hamburgern geglaubt, dass diese mit Bissinger selbst gesprochen haben. Aber wie kann es dann sein, dass die Rechercheure keine Ahnung hatten, dass sie mit einem Rentner reden, der nur nebenher noch ein bisschen seinen früheren Brotgeber Thomas Ganske berät? Seltsam, seltsam, das alles.

P.S.: Die Wikipedia ist auch nicht aktuell.

Eine Lanze für den Leserbriefredakteur

Wenn in einer großen Zeitungsredaktion jemand einen wirklich undankbaren Job hatte, war es der Leserbriefredakteur. Er fischte aus dem Eingangskorb die Texte heraus, die interessante Gedanken enthielten, und filterte Hassreden, Wichtigtuerei und dummes Zeug weg. Er kürzte bei Bedarf Redundantes und verdichtete die Pro- und Contra-Äußerungen auf verdauliche Länge. Dafür hassten ihn alle, die sich nicht 1:1 (oder gar nicht) im Blatt wiederfanden, und auch sein Sozialprestige innerhalb der Redaktion war meist eher bescheiden.

Wie wertvoll die Arbeit eines Gatekeepers bei Leserbriefen war/ist, erkennt man, wenn man den Fehler macht, im falschen Online-Forum seine Meinung abzugeben – etwa bei welt.de, einer Website, die für solche Zwecke den Dienst disqus nutzt.

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Seit wann sind 655 Euro stolz?

Vorsicht! Spendenaufruf!

Der Bayerische Journalisten-Verband hat einen wöchentlichen Newsletter, der bisher weder für Ironie noch gar für Sarkasmus bekannt war. Das scheint sich geändert zu haben. In der Meldung über das Benefiz-Gans-Essen der mittelfränkischen Kollegen steht, die Teilnehmer hätten für das Bildungs- und Sozialwerk (BSW) des Verbandes „stolze 655 Euro“ gespendet. Bitte nicht missverstehen: Die Teilnehmer können schon stolz sein auf ihre Spenden. Dennoch ist dies wirklich keine stolze Summe mehr, wenn man es an den früheren Einnahmen des BSW oder auch an dessen Finanzbedarf misst.

Die Kollegen verweisen denn auch darauf, dass das BSW seit 1978 eine Million Euro ausgeschüttet hat, also durchschnittlich etwa 30.000 Euro pro Jahr. Damit hat es Seminare gefördert, aber auch in Not geratenen Kolleginnen und Kollegen geholfen. Um das Niveau zu halten, müsste also fast jede Woche irgendwo in Bayern ein Charity-Gänsemahl steigen.

Früher, in den goldenen Zeiten, musste niemand fette Vögel verdrücken, um zu helfen. Damals gab es jeden Februar einen großen Benefiz-Presseball, auf dem neben allerlei A-, B- und C-Promis auch Verleger schwoften und ihren berufstypischen Geiz für einen Abend vergaßen. Irgendwann dämmerte es ihnen, dass es einen schlechten Eindruck macht, nur einmal im Jahr in die Spendierhosen zu schlüpfen, den Rest der Zeit aber an den Honoraren zu knausern. Fortan… tja! … knauserten sie ohne Pause, machten sich rar – mit der mittelbaren Folge,  dass der Presseball verendete und es jetzt den Gänsen an den Kragen geht.

Darum meine Bitte an Bayerns Besserverdiener: Lassen Sie die armen Gänse leben! Kopieren Sie einfach die folgende Bankverbindung in Ihr Homebanking-Programm, möglichst unter „Daueraufträge“:

Bildungs- und Sozialwerk des BJV e.V., Konto 412 0000 bei der Sparda-Bank München eG, Bankleitzahl 700 905 00.