Wie deutsche Investmentgesellschaften agilen Jungunternehmern den Start ins Geschäftsleben erleichtern und welche Ideen erfolgreich sind.
Aufstrebende Firmengründer zu enttäuschen ist für Waldemar Jantz Routine. Jeder zweite, der dem Managing Partner der TVM Techno Venture Management schreibt, erhält eine Absage. Weitere 30 Prozent der Aspiranten scheitern an gezielten Nachfragen des Münchner Venture-Capital-Spezialisten. Nur das verbleibende Fünftel hat eine Chance, zu einem persönlichen Treffen eingeladen zu werden – und am Ende vielleicht von einem der millionenschweren TVM-Fonds zu profitieren.
Kein Zweifel: In der Informationstechnik ist eine neue Gründerzeit angebrochen. Motiviert nicht zuletzt durch die Interneteuphorie und ein florierendes Geschäft mit Computerspielen, drängen junge Informatiker in die unternehmerische Selbständigkeit. Zwischen 700 und 1000 Kandidaten, schätzen deutsche Wagnisfinanzierer, suchen dieses Jahr Geldgeber. Ihre Ideen sind nicht immer originell. „Der 193. Internet Service Provider“, stöhnt Jantz, „interessiert uns nicht.“ Auch Systemintegratoren, die im Kielwasser großer Konzerne wie SAP und Microsoft schwimmen, haben schlechte Karten. Bei der ebenfalls in München ansässigen Atlas Venture fallen rund 97 Prozent der Anträge durch den Rost.
Die Investoren glauben den Grund zu kennen, warum immer noch viele unausgegorene Ideen auf ihren Schreibtischen landen: Das Wort Business-Plan ist ein Fremdwort im Sprachschatz der meisten Informatiker. Ohne überzeugendes Geschäftskonzept gibt’s jedoch kein Geld für die Jungunternehmer. Doch „welche deutsche Universität bietet denn schon Unternehmensführung als Lehrfach an?“, macht Atlas-Venture-Partner Werner Schauerte seinem Unmut Luft, „in den USA kann man an jeder Hochschule Kurse dafür belegen“. In Deutschland hingegen beginnen gerade erst zarte Pflänzchen heranzuwachsen. So erhält die European Business School in Oestrich-Winkel bei Rüdesheim zum Wintersemester den ersten Lehrstuhl für Existenzgründung, gesponsert von der bundeseigenen Deutschen Ausgleichsbank und dem Bonner Wirtschaftsministerium. An der Isar plant derweil der Förderkreis Neue Technologien (FNT), der eng mit den örtlichen Unis zusammenarbeitet, eine „Münchener Entrepreneur-Akademie“.
Die Technologieholding VC (TH) in München greift zur Selbsthilfe. Auf Anfrage verschickt die Holding Business-Pläne als Vorlage. „Die Einstiegshilfe Business-Plan“, so VC-Geschäftsführer Falk Strascheg, „muß man schon nehmen, wenn man zum Gespräch eingeladen werden will.“ Auch die Unternehmensberatung McKinsey leistet Starthilfe. Vor einigen Monaten luden die Unternehmensberater angehende Existenzgründer in München und Berlin zu Business-Plan-Wettbewerben ein. Die Teilnehmer konnten dabei nicht nur bis zu 30.000 Mark gewinnen, sondern bekamen auch einen erfahrenen Manager als Ratgeber an die Seite gestellt.
In München kam die Veranstaltung so gut an, daß die Technologieförderer vom FNT solche Wettbewerbe jährlich veranstalten wollen. Für Geschäftsführer Curt Winnen und seinen Vereinsvorstand Eberhard Färber, im Hauptjob Chef des Softwarehauses Ixos, ist der Wettbewerb „das ideale Werkzeug, um ein Gründerumfeld zu institutionalisieren“.
Die Softwarelandschaft braucht mehr als jede andere Branche finanzielle Aufbauspritzen. Der Grund: Im Internetzeitalter gibt es für solche Produkte keine geschützten nationalen Märkte mehr. Außerdem werden die Innovationszyklen immer kürzer. Um da mitzuhalten, braucht man jede Menge Kapital. Doch Geldinstitute rücken allein für eine tolle Idee nichts heraus. „Von Banken bekommt man nur Geld für Dinge, die man wegschmeißen kann“, spottet der Holländer Peter Vos, dessen Paderborner Softwarefirma Onestone mit Geld aus dem TVM-Topf derzeit auf den US-Markt drängt.
„Ein Unternehmen dieser Branche braucht ein Eigenkapital von fünf bis zehn Millionen Mark“, steckt Waldemar Jantz den Rahmen ab. Als Gegenleistung verlangen die Venture-Capital-Firmen freilich Mitspracherechts – etwa bei der Besetzung wichtiger Managementpositionen in Vertrieb und Marketing. Mit erfahrenen Branchenprofis, die bereits Zugang zu den richtigen Etagen haben, lasse sich die Markterschließung durchaus um ein Jahr abkürzen, schätzt Schauerte.
Dem Münchner Jungunternehmer Gregor vom Scheidt hingegen kam neben Können für seinen unternehmerischen Einstieg auch der Zufall zu Hilfe. Dem 26jährigen Informatikdoktoranden (und 1992er Bundessieger bei „Jugend forscht“) war während seines Studenten jobs als Programmierer von Softwarespielen eine Idee gekommen, wie sich zeitraubende Routinearbeiten mit einem Programmierwerkzeug automatisieren lassen. Er versuchte sein Glück beim Münchner Business- Plan-Wettbewerb. Sein Coach Keith Gruen, einer der Gründer des erfolgreichen Hotelsoftwareherstellers Fidelio und ein alter Hase in der Branche, fand das Konzept so überzeugend, daß er beschloß, es gemeinsam mit seinem Schützling in die Tat umzusetzen. Seit Juli teilen sich vom Scheidt und sein sechs Jahre älterer Rat- und Geldgeber Gruen nun die Geschäftsführung der NxN Digital Entertainment GmbH.
Für FNT-Geschäftsführer Winnen ist diese Konstellation, die in den USA unter der Bezeichnung „Business Angel“ geläufig ist, „ein Glücksfall“. Er hofft, daß das Beispiel Schule macht. Weitere prominente Mitstreiter zur Gründung eines „Angel-Clubs“ hat er schon gefunden. Die beiden ehemaligen Geschäftsführer von Microsoft und Orade, Christian Wedell und Franz Niedermaier, wollen sich bei FNT mit Managementwissen und Finanzspritzen engagieren. Derweil verhandelt “ Engel“ Gruen gerade um die erste Unterstützung: rund vier Millionen Mark. Dabei soll es nicht bleiben.
In fünf Jahren will NxN 250 Mitarbeiter beschäftigen, davon die Hälfte in Großbritannien, USA und Singapur. „Unser Traum“, verrät der gebürtige Kalifornier, „wäre es, in der zweiten Runde mit einer kalifornischen Venture-Capital-Firma zusammenzuarbeiten.“ Der rechtzeitige Blick über den Atlantik ist ein Muß in der Softwarebranche. Ob ein Produkt zum Hit wird, entscheidet sich stets in den USA. Viele deutsche Newcomer drängen über den großen Teich oder wandern sogar aus:
❏ Stephan Schambach, Erfinder der Internet-Shopping-Software Intershop, verlagerte sein Hauptquartier von Jena ins kalifornische Burlingame;
❏ Dirk Bartels, Gründer des Hamburger Objektsoftwarehauses Poet, ist jetzt President der Poet Holdings Inc. in San Mateo;
❏ Alex Pinchev, Entwickler einer kostensenkenden Steuersoftware für große PC-Netze, zog mit seiner Neugründung Maincontrol nach Vienna in Virginia.
Mit einer Identität als US-Unternehmen haben es die Europäer leichter, den US-Kapitalmarkt anzuzapfen, auf dem das Geld nach wie vor munter sprudelt. Das hat auch Michael Hoppe erkannt, dessen Firma FIT derzeit große Stückzahlen ihrer Organisationssoftware „Focus Manager“ in den Media-Märkten umschlägt. In spätestens sechs Monaten will er eine Fit Inc. gründen, die dann mit amerikanischem Kapital und amerikanischen Mitarbeitern den amerikanischen Markt abgrasen soll.
Dabei wäre es aus finanziellen Gründen gar nicht mehr unbedingt nötig, in die USA zu gehen. Nicht zuletzt durch den Neuen Markt, der den Anlegern lukrative Ausstiegsmöglichkeiten beschert, verbessert sich hierzulande das Umfeld für Venture-capital. „Sogar Investoren, die sich früher gescheut haben, mit Hochtechnologie-Firmen überhaupt zu reden“, weiß Werner Schauerte, „fangen an, neugierig zu werden.“
Das Hauptproblem derzeit ist der Mangel an erfahrenen Fonds-Managern – Folge der Branchenkrise Ende der achtziger Jahre, die diesen Beruf hatte unattraktiv werden lassen. Die Venture-capital-Firmen könnten expandieren, wenn sie die richtigen Leute bekämen. Bedauert Waldemar Jantz: „Es gibt viel Geld, aber nicht genug Geld mit Know-how.“
Hoffentlich sind die neuen Experten so weit, bevor den Exponenten des neuen Softwarebooms die Puste ausgeht.
ULF J. FROITZHEIM
(Text im Heft am Schluss leicht gekürzt)
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