Ein Freund hatte mir eine E-mail geschickt. Aus Italien. Kein echter Freund, nur „A.Friend@gefran.it“. Der Anonymus wollte mir nur einen guten Rat geben: Ich möge einen Blick auf die geile Website von „Horny Harry“ werfen. Ich wollte ein höfliches „Nein, Danke“ zurückmailen. Aber wohin? Dem voluminösen E-Briefkopf zufolge stammte die Mail „von: jimmycricket@cybernet.com“. Doch als „Authenticated sender“ nannte der Mail-Server einen „barry12@aol.com“. Kurz darauf kam eine identische Mail von Barrys drittem Ich „A.Friend@com.msu.edu“.
Da ich auf solche Friends gerne verzichte, freute ich mich über eine Nachricht meines Providers. „Bei vielen Online-Nutzern stapeln sich 20, 30 oder mehr Werbe-Mails täglich“, prahlte die Pressestelle, „Compuserve-Mitglieder bleiben davon verschont.“ Möglich sei dies durch einen Anti-Spam-Filter, „ein zuverlässiges System … um kommerzielle Massen-Mails zu blockieren“.
Gar so zuverlässig war der Schutz vor „Spam“, benannt nach dem von Monty Python bejubelten Büchsenfleisch, nicht. Bald gelang es „Kim & Ray“, in meiner Mailbox nach Singles und Paaren zu suchen, die Interesse haben an jenem „Zeug, das Erwachsene mögen“. Das vorgebliche Pärchen aus Dallas sucht Privatpornos und organisiert Rudelbums-Veranstaltungen. Ungebremst von Compuserve spammte auch „406@rocketmail.com“. Sein Produkt: geprüfte russische Qualitätspornos, garantiert „triple-X-rated“.
Ein paar Wochen später gibt Compuserve zu, daß auch die beste Filtersoftware die Werbeflut nie völlig stoppen kann. Um die Lecks einigermaßen abdichten zu können, folgte das Unternehmen dem Vorbild von Konkurrenten, deren Kunden schon länger unter „abuse@“ Spams abliefern können.
Es geht bei weitem nicht nur um kleine Ärgernisse. In Internet tobt ein regelrechter Kleinkrieg zwischen Spammern und Spam-Gegnern. Konsumentengruppen bewerten Provider danach, wie gut sie Werbeangriffe abwehren. In den USA drängen Organisationen wie die Direct Marketing Association auf ein Gesetz, das Spammen erlaubt, während eine „Coalition Against Unsolicited Commercial Email“ (CAUCE) es wie das Versenden von Junk-Faxen zum Straftatbestand machen will.
Kam digitaler Unrat bisher meist aus Übersee, wird er nun auch hier zum Problem: Im Oktober zählte das „Spam-Archiv“ 67 Fälle deutschsprachigen E-Mülls. Im Pulverdampf sind die Fronten kaum noch zu erkennen. So kam unlängst von greatdeals@biz-group.net via WILDWILD-THING.NET „An: (unbekannt)“ ein Angebot, das sich liest, als versuche ein Agent Provocateur aus der Anti-Spam-Szene mittels Spam an die Adressen von Möchtegern-Spammern zu kommen. Nach der frechen Lüge „Hier ist die von Ihnen angeforderte Info über unseren Service“ bot sich der Unbekannte an, Firmen Adreßmaterial zu besorgen und Werbebotschaften via „Extractor Pro Bulk E-Mail Software“ zu vebreiten. Hinter der Absenderadresse stand dezent: „könnte gefälscht sein“.
Spam-Opfer kann freilich nur werden, wer seine E-mail-Adresse an die große Glocke hängt. Das läßt sich vermeiden. Kürzlich präsentierten die Bell Labs das Konzept der „Target-Revocable E-mail Address“, mit der man sogar in Newsgroups seine echte Adresse aus der Schusslinie nehmen kann – sofern man in Softwaredingen bewandert ist. Dieses Angebot dürfte etwas seriöser sein als jenes, das „ed@junkx.com“ unter dem Betreff „Remove junk E-Mail“ in meine Mailbox praktizierte, unbehelligt vom Compuserve-Filter. Ein Spam mit dem Versprechen: „You can have junk Free e-mail for the rest of your Iife.“
Wer’s glaubt, dem ist nicht zu helfen.
Erschienen in Global Online 12/1997
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