Strategie – Die E-Business-Holding der Deutschen Post beschleunigt den Wandel der trägen Behörde zur modernen Dienstleister-AG.
Als der fortschrittsgläubige CDU-Minister Christian Schwarz-Schilling anno 1989 stolz verkündete, die äußerst träge Behörde Deutsche Bundespost werde nun in drei privatwirtschaftlich geführte Unternehmen aufgespalten, galt die profitable Telekom mit ISDN und Kabel-TV als Perle.
Die Postbank hatte immerhin den Ruf, solide zu ein. Die behäbige „gelbe Post“ war das Sorgenkind, das durch ein möglichst langfristiges Briefmonopol vor der rauen Wirklichkeit des Wettbewerbs geschützt werden müsse.
Folgen der Postreform
Die Realität heute: Das Postministerium ist wegrationalisiert, der Reformer Schwarz-Schilling berät heute als Consulter den Telekom-Konkurrenten Telegate; die Postbank war alleine nicht lebensfähig und wurde von ihrer großen Schwester adoptiert; Telekom-Chef Ron Sommer zählt trotz Fax-, Handy- und Internet-Boom täglich seine Sorgen. Dafür steht Post-Sanierer Klaus Zumwinkel – ein ehemaliger McKinsey-Mann – weitaus besser da, als es zu Zeiten der Postreform irgendwer für möglich gehalten hätte.
Die einstige Zustellbehörde mutierte unter seiner Regentschaft zum börsennotierten Konzern, der sich gerne global gibt („Deutsche Post World Net“) und Gewinne in Milliardenhöhe erwirtschaftet. Größter Renditebringer ist ausgerechnet das vor zehn Jahren totgesagte Briefgeschäft. Es ist inzwischen so profitabel, dass der Vorstandschef im vorigen Jahr nur mit Mühe die Forderung abwehren konnte, das Porto zu senken.
Was Kritiker als unverdiente Folge des Briefmonopols schmähen, ist für die Post selber das Resultat einer rigorosen Anpassung ans digitale Zeitalter: In industriell arbeitenden Verteilzentren lesen Automaten Adressen und maschinengerechte Frankierungen, sortieren die Briefe, verwandeln elektronisch angelieferte Rechnungen oder Rundschreiben in E-Mails, papierene Briefe und Faxe.
Postboss Zumwinkel, der nach seiner McKinsey-Zeit einige Jahre lang das Versandhaus Quelle gemanagt hat, richtete das Unternehmen so aus, als komme der Normalbürger im postalischen Businessplan nur noch als Empfänger der Briefe und Pakete gewerblicher Großabsender vor. Ohne sich um die Proteste von Landräten und Dorfbürgermeistern zu scheren, schloss Zumwinkel 14.000 kleinere Postämter, die mit dem zeitaufwändigen Verkauf von Briefmarken an Kleinkunden Verluste produzierten. Er strich 140.000 Stellen und die Abendleerung zigtausender Briefkästen.
Viele Bürger waren sauer, doch die Post wurde börsenreif. Jetzt bewegt sich der halbstaatliche Konzern ganz behutsam wieder auf die verprellten Verbraucher zu – zumindest auf diejenigen, die über einen PC mit Internetanschluss verfügen. Ihnen steht vom Herbst an rund um die Uhr die „elektronische Filiale“ offen. Im Online-Postamt kann der Kunde digitale Postwertzeichen auf seinen Rechner laden. Die druckt er mit einem handelsüblichen Printer auf seine Briefumschläge. Und er kann das normale Filialsortiment vom Packset über Schreibwaren bis zur traditionellen Briefmarke besteIlen. In erster Linie für Gewerbetreibende ist ein Paket-Abholdienst geplant, bei dem die Termine online gebucht werden.
Hinter der neuen Kundennähe steht die Deutsche Post E-Business GmbH, die seit einem Jahr die elektronischen Aktivitäten des Konzerns koordiniert und neue, web-affine Geschäftsideen ausbrüten soll. Chef der Post-Tochter ist Martin Raab (siehe Interview). Der E-Business-Chefstratege sieht seine Aufgabe nicht zuletzt darin, die Firmenkultur so zu gestalten, dass der Absender nicht mehr einseitig als Einnahmequelle und der Empfänger als Kostenfaktor gesehen wird. „Im E-Commerce dreht sich das um“, erklärt Raab, „der Empfänger entscheidet, ob er in den Laden geht oder bestelIt.“ Ein naheliegender Gedanke: Ist der Online-Einkauf für den Konsumenten attraktiv, profitiert die Post. Denn: Sie liefert nach wie vor den Löwenanteil der Pakete deutscher Versandhändler aus.
Dass die Verbraucher trotz der schlechten Stimmung in der B-to-C-Branche weiterhin am Einkauf via Internet interessiert ind, ist für Raab keine Frage. So geht er in seinen Planungen für Evita, das Shopping-Portal der Post, unverdrossen von einer positiven Geschäftsentwicklung aus. Bis zum Jahresende will der E-Business-Chef dem Vernehmen nach die Zahl der angeschlossenen Shops von bislang 150 auf 200 steigern. Überdies sind weitere Deals wie der mit der Lufthansa geplant. Die präsentiert Evita als bevorzugten Shopping-Partner und umgekehrt. Die Hoffnung, kostendeckend arbeiten zu können, hat Raab nicht aufgegeben: ,,2003 wollen wir den Break-even erreichen.“ Über genaue Zahlen schweigt er sich eisern aus.
Eigene Ideenschmiede
Allerding hat das Portal selbst als Verlustbringer einen Wert für die Postler. Denn die Hauptaufgabe des Zumwinkel-Adlatus Raab und seiner Leute besteht darin, die Geschäftsbereiche des Konzerns web-fit zu machen. Ihnen also zu helfen, durch computergerechte Prozessketten personalintensive und fehlerträchtige Arbeitsgänge zu beseitigen.
Für solche Optimierungen ist Evita ein gutes Testgelände: Hier treffen Kunden und Lieferanten, Paketdienst und Postbank, Marketing und Logistik aufeinander. Die Rationalisierung der Paket- und Fracht-Aktivitäten ist nach Einschätzung von Analysten dringend geboten. So erzielten die Geschäftsbereiche Express und Logistik im vorigen Jahr mit 14 Milliarden Euro zwar wesentlich mehr Umsatz als die vorerst noch vom Monopol geschützten Briefsparte (elf Milliarden Euro). Sie erwirtschaften aber mit einem operativen Gewinn (Ebitda) von 189 Millionen Euro nicht einmal ein Zehntel von deren Gewinn.
Hineinregieren kann der E-Biz-Boss den Spartenchefs nicht. Die verantworten elektronische Innovationen in ihren Unternehmensbereichen, so Raab. Seine Aufgabe sei es, Know-how zuzuliefern und Initiativen anzustoßen. Um Zugriff auf möglichst viele schlaue Ideen zu bekommen, betätigt sich die E-Business-Holding seit Anfang des Jahres auch als Wagnisfinanzierer für Startups aus dem Umfeld Logistik und E-Commerce. Zwei Beteiligungen sind inzwischen unter Dach und Fach: Die Post engagiert sich bei Smartmission, einer Beschaffungsplattform für Krankenhäuser, und bei dem Schweizer Softwarehaus IQA, da auf die Pflege von Kundendaten spezialisiert ist.
Eine der Neuheiten, für die sich Raab begeistert: Der vom Kunden per Internet erteilte Auftrag, ein Paket abzuholen, oll automatisch auf dem Di play des zuständigen Fahrer erscheinen. Die Idee, jedem Bürger kostenlo ein E-Mail-Fach einzurichten (thomas.gottschalk@epost.de), haben die Bonner bei ihren schwedischen Kollegen abgeguckt.
Eine weitere Aktivität der Post, die dem E-Commerce auf die Sprünge helfen soll, ist ebenfalls nicht gerade neu: Da hauseigene Trustcenter Sign Trust soll eine der Haupt-Anlaufstellen für Bürger werden, die sich eine digitale Signatur zulegen wollen. Dieses „Produkt“ ist zwar ohne Zutun von Raabs Truppe entstanden, doch die E-Business-Holding kann den Kollegen bei der professionellen Vermarktung des spröden Thema helfen.
Über Etat für derartige Marketingaktionen schweigen sich die Postler aus. Dass Zumwinkel durchaus bereit ist, einen Teil seines Werbebudgets der E-Business-Holding zur Verfügung zu teilen, hat er bewiesen. Nach der Propaganda für die Aktie Gelb wurden Thomas Gottschalk und Bruder Christoph mittlerweile auf das Thema Evita angesetzt.
AUS <E>MARKET 23/2001.
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