Es wird Zeit dass Hobby-Ballermänner in den Cyberspace umziehen. Sicher ist sicher.
In grauer Vorzeit, als private Feuerwaffen noch als amerikanisches Problem galten, waren meine Frau und ich eingeladen zur Besichtigung eines Babys. Bevor wir eintreten konnten, musste der junge Papa einen mächtigen Stahlriegel aufsperren, der festungsartig die Tür verbarrikadierte. Er sei Sportschütze, erklärte unser Bekannter mit verantwortungsschwerer Miene, darum müsse er sein Waffenarsenal vor Einbrechern sichern. Ich fand das löblich, und wir hakten das Thema ab. Alles, was uns interessierte, war sein Söhnchen.
Heute muss, wer sich zum Vergnügen tödliche Waffen zulegt, hochnotpeinliche Fragen aushalten. Ob er etwa auch so drauf sei wie der Ambacher Sepp vom Deutschen Schützenbund (DSB). Der gewählte Repräsentant von anderthalb Millionen Deutschen, die das Lochen von Zielscheiben als Sport sehen, würde gern schon Drittklässler zur Waffe rufen – weil sie dabei so schön lernen, sich zu konzentrieren. Tabu sind für DSB-Mitglieder indes realitätsnahe Ballerspiele auf dem PC.
Es stimmt ja, Egoshooter und Online-Kriegsspiele sind zum Kotzen. Aber sicherer wäre es, wir verlegten all unsere Schießereien in den Cyberspace. Gemeingefährlich wird es erst, wenn die realen Vorbilder des virtuellen Killerspielzeugs in Griffweite hormonell instabiler Halbstarker geraten. Mal ehrlich: Die großkalibrige Aufrüstung, die manche sogenannten Sportschützen unter dem Deckmantel ihrer Vereinszugehörigkeit betreiben, ist weit beängstigender als „World ofWarcraft“. Und, fast hätte ich es vergessen, ohne scharfe Waffe tun sich auch eifersüchtige Ehemänner und durchgeknallte Väter schwerer, jene Familiendramen anzurichten, die mehr Menschen das Leben kosten als Amokläufe.
Das sportliche Vereinsleben muss unter dem Munitionsentzug nicht einmal leiden. Biathleten trainieren längst mit zielgenauen Lasergewehren. Die haben nichts mehr mit den lausigen Elektroflinten gemein, die sich aufJahrmärkten nie durchgesetzt haben. Natürlich müsste es in der virtuellen Schützenrealität auch anständig böllern. Aber wenn es möglich ist, mit Geräten wie der „Wii“ Golf zu spielen und das iPhone zum Bierglas zu machen, lässt sich bestimmt auch ein Schießgewehr konstruieren, das sich anhört und anfühlt wie echt – selbst wenn aus seiner Mündung nur friedliche Photonen auf die Zielscheibe prallen.
ULF J. FROITZHEIM, freier Journalist, ist Schütze, aber nur vom Sternzeichen her. An Oktoberfest-Schießbuden versagt er regelmäßig.
Aus der Technology Review 5/2009, Kolumne FROITZELEIEN
Anmerkung: falsch geschriebener Name korrigiert.
Sie sind der oder die 2703. Leser/in dieses Beitrags.