Zukunft des Journalistenverbandes

Ist das nicht komisch? Diese Frage, ob der Journalistenverband nun eine Gewerkschaft ist oder nicht sein soll oder doch… Irgendwie geht es immer um Fragen von gestern.

So gibt es Schubladendenker, die sehen oder schmähen mich als "Gewerkschafter". Ein sehr schiefes Bild, denn ich bin seit 1992 mein eigener Chef, also Unternehmer; meine aktive Zeit im Bayerischen Journalisten-Verband liegt nun auch schon wieder ein Jahr hinter mir. Sicher, der Bundesverband DJV, dem ich als BJV-Mitglied seit 1982 angehöre, definiert sich per Untertitel als Gewerkschaft der Journalisten (und Journalistinnen, schon klar) aller Medien. Aber diejenigen, für die "Gewerkschaft" per se ein negativ besetzter Kampfbegriff ist, mit dem man all jene zu dummlinken Sozialromantikern stempelt, in deren Wertesystem noch Begriffe wie Kollegialität und Solidarität einen Platz haben, übersehen oder verdrängen einiges. Zum Beispiel, dass der Untertitel erst nach Jahrzehnten hinzukam, in den Achtzigern – um klarzustellen, dass die damals sich bildende IG Medien (heute ver.di) trotz ihres Anspruchs, Einheitsgewerkschaft zu sein, kein Monopol hatte auf die Vertretung der Arbeitnehmer in der Medienbranche.

Anno 2009 haben wir Journalisten andere Sorgen als damals, zumindest diejenigen unter uns, die diesen Beruf ernst nehmen und sich nicht für jeden Kommunikationsjob hergeben wollen. Redakteure bangen um ihre Arbeitsplätze, Freie um den Fortbestand ihrer Auftraggeber (respektive deren Honoraretats). Dem einen oder anderen mag egal sein, wie es den anderen geht, aber viele begreifen doch, dass wir in einem Boot sitzen. Dass es kein Widerspruch sein muss, wenn der DJV beides sein will – Verband für Freie und zugleich Gewerkschaft für Angestellte.

Er war es schon immer. Es tut Freien auch heute wie früher ganz gut, ihre Arbeitswelt zur Abwechslung mal aus Gewerkschafter-Perspektive zu betrachten. Schließlich empfinden viele Medienmanager die Gewerkschaftsmitglieder oder gar Betriebsräte in den Redaktionen als Problem – das heißt, dass man sich mit ihnen wohl auseinandersetzen muss – aber die Freien nicht einmal als das. Da hätte man gerne den Status eines Problems, jedenfalls lieber als ignoriert zu werden. In Medienhäusern, deren Chefs nicht selbst aus dem Journalismus kommen (sondern aus Unternehmensberatungen, Marketing oder Anzeigenverkauf), tut man sich generell schwer, als Unternehmer wahrgenommen zu werden, mit dem man auf Augenhöhe verhandelt. (Die Depenbrocks dieses Landes lassen wir mal außen vor.)

Heute heißt "Journalistengewerkschaft" zu sein allerdings mehr, als maß- und verständnislosen Verlagsleitern zu trotzen. Es heißt, den noch festangestellten Kollegen Perspektiven aufzuzeigen für eine Zukunft, in der auch sie möglicherweise nur noch auf freiberuflicher Basis gebraucht werden. Während die üblichen dogmatisch-ideologischen Gewerkschaftsfresser geifern, den verdammten "Arbeiterführern" gehe es – horribile dictu – um unverschämte "Besitzstandswahrung" (wollen die altklugen Jungschnösel und langergrauten Halbstarken, die so tönen, eigentlich sich selbst wegnehmen lassen, was sie sich mühsam erarbeitet haben?), hat ein Hybrid aus Berufsverband und Gewerkschaft wie der DJV die Chance zu zeigen, dass es um etwas viel Grundsätzlicheres geht: nämlich sicherzustellen, dass es auch in Zukunft noch möglich ist, vom Journalismus zu leben. Und dass es wichtig ist, dass es eine im wahrsten Sinn des Wortes kritische Masse an Berufsjournalisten gibt, weil die Kontrolle der Mächtigen in Wirtschaft und Gesellschaft nicht davon abhängen darf, dass ein paar Idealisten es sich finanziell erlauben können, die Wächterfunktion ehrenamtlich auszuüben.

Wer die Mediendienste liest, weiß: Die großen, etablierten Medienkonzerne haben mehrheitlich versagt bei der Aufgabe, krisenfeste Geschäftsmodelle zu entwickeln, die relevantem Journalismus eine stabile Basis geben. Wenn jemand den hinter dem Schutzwall des Tendenzschutzparagraphen verborgenen Kalkulationen der Verleger kritisch gegenüberstand, waren es nun mal die Journalistengewerkschaften und die Betriebsräte. Ob sie bessere Modelle gehabt hätten – bei denen vielleicht die Leser an realistischere, höhere Preise für wertvolle Inhalte gewöhnt worden wären, um die unmäßige Abhängigkeit von Werbekonjunktur und Inserentenlaunen zu mildern – kann im Nachhinein natürlich niemand wissen.

Schlechter hätten die Modelle allerdings auch kaum sein können. Auf die wahnsinnige Idee, Texte, Bilder, Töne und Videos in der vagen Hoffnung auf angemessene Werbeeinnahmen gratis ins Web zu stellen, sind nicht Journalisten gekommen. Es waren Verlags- und TV-Manager, die die Büchse der Pandora öffneten. Und während Journalisten darüber berichteten, welch dramatischen Fortschritt die Technik des Webs für Rubrikanzeigen darstellt, überließen Verleger dieses Geschäft in suizidaler Ignoranz kreativen Branchenfremden wie Ebay. Gleichwohl gelang es den "Herausnehmern", wie der freiberufliche Leitartikler und Gewerkschaftsboss Ernst Müller-Meiningen jr. einst die Verlegerfamilien seiner "Süddeutschen" verspottete, rechtzeitig ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Wer gemeinsam (leider nicht immer kollegial und solidarisch) im Regen stehen blieb, waren die Redakteure und die Freien.

Es ist Zeit, dass Journalisten kreative Ideen zur Selbsthilfe ersinnen und ihre Zukunft in einer Gesellschaft sichern, in der die Autorität etablierter Medien angeschlagen ist; in einer Gesellschaft, in der viele Bürger die Chance der (nicht mehr Neuen) Medien nutzen (wollen), im Konzert der Opinion Leaders mitzuspielen und gehört zu werden. Wenn es eine Community gibt, in der sich genug Profis zusammengeschlossen haben, um die Medienlandschaft so umzugestalten, dass sich die Bürger noch in ihr aufhalten wollen, dann fällt mir nur der Journalisten-Verband ein. Ganz sicher sind es nicht jene neuen, von Kaufleuten gegründeten Organisationen, die uns Presseausweise und Versicherungen andienen wollen, aber nicht den Hauch eines ernsthaften Mitspracherechts einräumen.

Nur muss sich der Journalistenverband dazu erst einmal neu erfinden, wozu gehört, dass sehr viel mehr Mitglieder aktiv werden. Die Zeit, in der man als Karteileiche ein vergleichsweise unbeschwertes Leben führen und den Funktionären die Arbeit überlassen konnte, ist vorbei.

P.S.:

Ich bin gefragt worden, warum ich nicht für den (Geschäftsführenden) Vorstand des BJV kandidieren will. Es gibt zwei Gründe: Erstens würde dies eine Kampfkandidatur gegen einen Amtsinhaber bedeuten, die ich weder diesem noch mir zumuten möchte. Das letzte, was dieser Verband brauchen kann, wäre ein Showdown zwischen zwei Kollegen, die jahrzehntelang zusammengearbeitet haben. Zweitens habe ich mich sehr deutlich für eine Verjüngung der Verbandsspitze eingesetzt, weil ich – ohne frühere Verdienste des bisherigen Teams schmälern zu wollen – einen Perspektivwechsel für überfällig halte. Ich selbst bin erheblich älter, als die Mitglieder der heutigen Führungsspitze waren, als sie antraten. Einen 50-Jährigen als Verjüngung auszugeben, empfände ich als unpassend. Ich könnte nur aus dem Blickwinkel der  Älteren sprechen, die schon mehr als genug vertreten sind. Jetzt sehe ich die Jungen, um deren Zukunft es noch mehr geht als um meine, in der Verantwortung, sich zu engagieren – wenn sie Wert darauf legen, können sie meinen Rat haben. Aber wenn sie nicht selbst in die Hufe kommen, bringt es niemanden weiter, wenn ich mich für sie verkämpfe.

Sie sind der oder die 1941. Leser/in dieses Beitrags.

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