Tunichtgut & Sprichnichtdrüber

"Öffentlichkeit machen" – so hieß etwas unscharf das Motto des Kongresses, bei dem ich soeben die Ehre hatte, mich auf dem Podium zuerst in einen sonderbar plüschigen Sessel und sodann in die Nesseln setzen zu dürfen. Mein Publikum: Mitglieder des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), die sich für PR interessieren, viele von ihnen Freie, die ohne Einkommen aus der "Auftragskommunikation" kein so gutes Auskommen hätten. Mein Part in der Diskussionsrunde war der des kritischen Wirtschafts- und Medienjournalisten, der zwischen Oberkommunikatoren von Bahn und Post, einem Krisenkommunikationsexperten und dem PR-Magazin-Chef Thomas "Roki" Rommerskirchen die Sicht derer vertrat, deren Arbeit dem einen oder anderen Unternehmenskommunikator die eine oder andere Kommunikationskrise einbrockt: Eine Krise liegt bekanntlich nicht dann vor, wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert ist, sondern wenn die Öffentlichkeit erfährt, es sei irgendwo etwas Schlimmes passiert. Nur was die Leute wissen, macht sie heiß (unabhängig vom Wahrheitsgehalt, wie jeder Spin Doctor weiß).

Machen wir unseren Job gut, sind die Welt und ihr mediales Abbild weitgehend deckungsgleich: Dann berichten wir über alles, was schlimm ist, und es ist auch wirklich alles schlimm, von dem wir behaupten, es sei schlimm.

Machen wir ihn schlecht, übersehen wir die wahren Skandale und stellen die falschen Sünderlein an den Pranger.

Wagt man sich nun als recherchierender Journalist in eine Höhle von PR-Löwen, gar noch ermutigt von einem munteren Morgenmagazin-Moderator, der sich in seiner Eisbrecher-Frage bei den PR-Granden nach deren frischesten Lügen erkundigt, und von einem grandiosen Nestbeschmutzer namens Prof. Dr. Klaus Kocks, hat man es allerdings sehr leicht, Giftpfeile auf sich zu ziehen: Man braucht nur die Kollegen der öffentlich-rechtlichen Magazinsendungen ein wenig in Schutz zu nehmen, schon hat man sich ähnlich blamiert, lächerlich oder unmöglich gemacht, als sei einem beim Treffen des Netzwerks Recherche das Geständnis rausgerutscht, man habe schon mal einem PR-Menschen ein Wort oder gar einen ganzen Satz geglaubt.

Wie sonst soll man es verstehen, wenn niemand, wirklich niemand auf dem Podium und im Publikum (der ARD-Moderator musste ja neutral bleiben) einem beispringt, wenn man sagt, dass nicht ALLE ARDZDF-Magazinjournalisten grundsätzlich so arbeiteten wie von der PR-Seite pauschalisiert wird? Demnach wäre es nämlich so, dass die Kollegen von Monitorpanoramafaktfrontalreport NIEMALS mit ernsthaftem Rechercheinteresse bei den Unternehmen und Behörden aufkreuzten, sondern IMMER und aus Prinzip mit fertig getexteter und geschnittener Story in Hinterkopf und/oder Schnittraum. Dann würden die Kamerateams nur noch losgeschickt, um das Werk abzuschmecken mit dem genretypischen Gewürz. Also um die ignoranten, korrupten und kriminellen Unternehmer/Beamten/Politiker zur Abgabe von "Siehste!"-O-Tönen zu provozieren oder die Fassade des Technokratensilos abzufilmen, damit der Off-Kommentar, es sei leider selbstverständlich wie immer niemand im Hause zu einer Stellungnahme vor der Kamera bereit gewesen, ein Bild hat.

Nein, ich bin nicht so naiv zu übersehen, dass in den Anstalten ein paar Bekloppte einsitzen, die nach dem Motto "forget the facts, they kill the story" der konstruierten Wirklichkeit der  PR-Leute und Spin Doctors ihre eigene Konstruktion entgegensetzen. Ihre déformation professionelle gehört schleunigst therapiert, so wie der von ähnlich gestrickten Print-Kollegen oder Krawallbloggern. Aber der kritische, investigative Journalismus ist nicht noch nicht ausgestorben, noch nicht flächendeckend verdrängt von Format und Pose.

Es gehören ja immer zwei Seiten dazu: Gute PR-Leute sind die, die sich Gedanken machen, wie solche Rituale überhaupt entstehen konnten. Wer kritische Reporter auflaufen lässt, wer mit ihnen Katz und Maus spielt, wer sie bewusst auf der falschen Fährte laufen lässt, um sich anschließend beim Intendanten über die imkompetenten Journalisten zu beschweren, wer abblockt und Reportern nachspioniert, der braucht sich nicht zu wundern, wenn der Anruf bei ihm bestenfalls als lästige, fruchtlose Pflichtübung empfunden wird. Je kritischer und investigativer ein Journalist ist, desto öfter begegnet er solchen Presseschweigern – bis sich das Vorurteil festsetzt, alle PRler mutierten, wenn’s ernst wird, doch bloß zu Maurermeistern, nach der Devise: "Tut die Firma nix Gutes, sprich nicht drüber!"

Gewissenhafte Profis ärgern sich zu Recht, wenn sie mit den schwarzen Schafen in einen Sack gesteckt werden. Das haben Journalisten mit PRlern gemein. Man sollte meinen, dass sie mit dieser Herausforderung umgehen  können: indem sie keine Vorurteile bestätigen, sondern durch Offenheit überraschen. Ich bin sicher, dass es diese guten PRler gibt. So wie es die seriösen Magazinreporter gibt. Oder?

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Eine Antwort auf „Tunichtgut & Sprichnichtdrüber“

  1. Hallo Ulf,

    hier ein kleiner Gruß vom Niederrhein. Ich habe einen Blick auf die Nachlese von der DJV Tagung geworfen.

    Kleiner Kommentar zu Passus „Es gehören ja immer zwei Seiten dazu“: Schön wäre es, wenn man als PRler immer souverän zur Presse sein könnte. Doch da werfen einem die eigenen Chefs so manches Mal Unprofessionalität vor ….

    Frohes Schaffen,
    Gruß
    Petra

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