Nur 42 ct./min. aus dem Mobilnetz

Kaum vergehen ein paar Jahre, schon reagiert die Bundesschneckenpostnetzagentur auf die Realität. Seit heute heißen die so genannten "Geteilte-Kosten-Dienste", die unter 0180er-Vorwahlen angeboten werden, "Service-Dienste". Das ist zwar auch nicht unbedingt immer wahr, aber längst nicht mehr so verlogen wie der alte Name, so dass das immerhin ein Fortschritt ist.

Kleine Erklärung für die Jüngeren, die sich immer gefragt haben, warum die Firmenhotlines mit der Strafgebühr für dreist anrufende Kunden im Branchenjargon unter "Shared Cost" oder "Geteilte Kosten" liefen:

Vor der bedingten Marktfreigabe im Telefongewerbe, also vor 1998, kostete ein innerdeutsches Ferngespräch umgerechnet rund 30 Cent pro Minute (traditionell drei Einheiten à 23 Pfennig, später fünf Einheiten à 12 Pfennig), ein mehrminütiges Ortsgespräch ab 12 Pfennig. Bei den 0180er-Vorwahlen beteiligte sich das angerufene Unternehmen damals tatsächlich an den Kosten: Der Anruf bei einer 01803-Nummer wurde nach Ortstarif berechnet, bei 01805-Nummern zahlte der Verbraucher "nur" 48 Pfennig (ab 2002 dann 24 Cent) pro Minute, also ein bisschen weniger, wenn er aus der Ferne anrief (und bei Firmen in seinem Ortsnetz ein Vielfaches des Bisherigen).

Schon bald sank der Marktpreis für Ferngespräche unter den 01805er-Tarif, doch der wurde erst auf 12 Cent halbiert, als man im Festnetz längst für weniger als zehn Cent quasseln konnte. Als die Mehrwertsteuer nach der vorletzten Wahl um 0,31 Cent stieg, tolerierte die BSchnPNA sogar eine Erhöhung in 6facher Größenordnung, also um 2 auf 14 Cent.

Zu dieser Zeit hatte der Begriff "Shared Cost" einen heimlichen Bedeutungswandel mitgemacht: Mit Kosten waren nicht mehr die Telefongebühren gemeint, sondern die Kosten des Callcenters oder die Minilöhne der Heimarbeiter, die die Anfragen annahmen.

Der Witz an der Sache: Offiziell durften die Firmen an den Beschwerden und Bestellungen ihrer Kunden nie über die Gebühr verdienen. Immer musste ein so genannter Mehrwertdienste-Anbieter dazwischengeschaltet sein. Einen solchen zu gründen, war aber kein großes Problem – und es gab genug Anbieter, die Firmenkunden mit Service-Paketen zu locken wussten, die darauf hinausliefen, dass die Anrufer sich an den sonstigen Telekommunikationskosten des angerufenen Unternehmens beteiligten. Dass sich das hinter dem "Costsharing" verbarg, durften die Kunden natürlich nicht wissen.

Jetzt also beginnt die neue Zeit der halben Ehrlichkeit. 01805 wird zur Lowcost-Variante der Premium Rate- (vulgo: Nepp-) Vorwahl 0900. Das Beste daran ist, dass der Nepp an den Menschen, die nur noch Handys haben, jetzt nur noch un-heimlich begangen werden kann: Seit heute darf niemand mehr schreiben "Kosten bei Mobilfunk gegebenenfalls abweichend" und dann 99 Cent pro angefangene Minute kassieren. Es sind jetzt maximal (zugleich minimal) 42 Cent pro Minute. Also nur noch ein 200-prozentiger Strafzuschlag für Kunden, die sich erfrechen mobil zu telefonieren, auf die normalerweise für dumme Fragen fällige Strafgebühr.

In einer Zeit mit 9,99-Euro-Flatrates und 9 Cent pro Minute für Gespräche vom Handy ins Festnetz ist das zwar immer noch eine deftige Selbstbedienung. Aber so lange Menschen freiwillig diese Nummern anrufen, wird es dabei bleiben. Die Welt will halt übers Ohr gehauen werden.

Sie sind der oder die 2597. Leser/in dieses Beitrags.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert