Was will uns der eco-Verband sagen?

Gestern war Feiertag. Oder Gedenktag. Der Tag des Geistigen Eigentums. An so einem Tag erinnert man sich einer Sache, die in Vergessenheit zu geraten droht.

Aus diesem Anlass meldete sich per Presseinfo ein Verein zu Wort, der sich eco e.V. nennt, was mal als Abkürzung von "ecommerce" gedacht war. Heute ist es der selbst ernannte Verband der deutschen Internetwirtschaft, dessen Mitgliederliste nicht nur deshalb erstaunlich ist, weil in ihr noch (Stand: 27.4.2010) einheimische Branchenzombies wie Combots weiterleben, sondern weil sich der "deutschen" Internetwirtschaft neben bekannten IT- & Telekommunikationsfirmen und Verlagstöchtern auch allerlei Unternehmen mit Sitz in Amsterdam, Ankara, Athen, Belgrad, Brüssel, Budapest, Bukarest, Canberry (!), Chicago, Chisinau, Doha, Dublin, Genua, Graz, Hongkong, Isle of Man, Kiew, Krakau, Kuala Lumpur, Ljubljana, London, Mailand, Maribor, Moskau, Nicosia, Oslo, Paris, Palo Alto, Plovdiv, Riga, San Francisco, Seoul, Sofia, Stockholm, St. Petersburg, Taipeh, Tortola (British Virgin Islands), Warschau, Wien, Zürich und Zug zugehörig fühlen. So international wie der eco ist nicht mal die Bundesliga.

Der Vizechef von eco, Oliver Süme, seines Zeichens Fachanwalt für IT-Recht, ließ also gestern folgende kryptische Empörungsprosa verlauten:

"Die Rechteinhaber sollten sich nicht zu weiteren Repressalien gegen ihre eigenen Kunden hinreißen lassen. Denn die Märkte sind für den online-Vertrieb von kreativen Inhalten schon lange reif. Es wird Zeit, dass die Contentindustrie auf ihre Kunden zugeht, ihr Angebot ausbaut und attraktiver gestaltet. Aus der Sicht der Kunden bedeutet das Wort ‚Lizenz‘ heute noch in zu starkem Maße, dass der Zugriff auf gewünschte Inhalte kompliziert und teuer ist, oder ganz verwehrt wird. Und dass, obwohl viele grundsätzlich bereit wären, dafür zu bezahlen. Eine Verschärfung des Urheberrechts wäre dem gegenüber kontraproduktiv. Gebraucht werden vielmehr noch mehr neue Geschäftsmodelle, neue Vertriebsstrukturen und Kooperationsmodelle für die Bereitstellung qualitativ hochwertiger digitaler Inhalte. Die Entwicklung eines europaweiten Marktes für digitale Inhalte darf nicht länger durch eine nationale Lizenzpolitik der Rechteinhaber behindert werden."

Nun dachte ich eigentlich, ich kenne mich im Urheberrecht ein bisschen aus. Was dieser Jurist mir da mitteilen will, habe ich allerdings nicht so recht begriffen, vielleicht weil ich kein juristisches Staatsexamen habe. Ich will mich aber gerne schlau machen. Deshalb habe ich der Pressestelle des Vereins gerade folgende neugierige Fragen gesandt:

Welche Repressalien haben welche Rechteinhaber bis jetzt gegenüber welchen Kunden angewandt, und wer will diese Rechteinhaber zu weiteren Repressalien verführen?

Wie sehen diese neuen Repressalien nach Herrn Sümes Ansicht aus?

Wer will mich als Inhaber von Urheberrechten gegen meine Kunden (also Verwerter/Verlage) aufstacheln?

Wer will meine Kunden (Verwerter/Verlage) gegenüber ihren Kunden (Lesern/Inserenten) aufstacheln?

Wer ist mit den "Kunden der Contentindustrie" gemeint, die deren Angebot zu unattraktiv findet? Sind es Leser, Website-Betreiber als Syndication-Nutzer und/oder Werbetreibende?

Wie kommt Herr Süme darauf, dass eine Lizenz den Zugriff auf Inhalte "ganz verwehren" könnte? Wenn ich eine Lizenz erwerbe, ist damit doch zwingend ein Nutzungsrecht verbunden.

Und: Wer will hier ganz konkret was von wem billiger bekommen? Bitte nennen Sie Ross und Reiter.

Wer will das Urheberrecht verschärfen?

Verwechselt Herr Süme womöglich Urheberrecht mit Leistungsschutzrecht?

Was sind für den eco qualitativ hochwertige digitale Inhalte? Schärfere Fotos? Videos in höherer Auflösung? Oder etwa investigativer Journalismus anstelle der üblichen DPA- und OTS-Durchlauferhitzung?

An wen richtet sich die Forderung nach neuen Geschäftsmodellen?

Warum schlägt nicht der eco als Fachverband neue Geschäftsmodelle vor?

Wie kommt Herr Süme darauf, dass es generell einen europaweiten Markt für digitale Inhalte geben könnte? Bei Musik und Fotos ist das nachvollziehbar, aber wie sollen Sprachwerke (Text, Audio, Audiovisuelles) außerhalb ihres Sprachraums vermarktet werden?

Konkret: Wer soll welche Hindernisse beseitigen?

Was ist mit der "nationalen Lizenzpolitik der Rechteinhaber" gemeint? Alle Urheber unterliegen wie auch die Verwerter und Nutzer dem jeweiligen nationalen Urheberrecht.

Die Antworten werden nachgereicht.

Zwischenstand: Die Pressestelle hat sich telefonisch gemeldet, leider fehlte mir die Zeit für ein längeres Gespräch. Soviel vorab: Wortbeiträge sollen nicht gemeint sein. Tja, könnte man ja auch mal dazuschreiben, wenn man solche Äußerungen pauschalisiert in die Welt setzt.

Nachtrag: Die Deutsche Welle ist Mitglied des Lobbyverbandes der Internetwirtschaft, aber laut Auskunft der Pressestelle ein irgendwie ganz besonderes:

"Die Deutsche Welle ist nicht zahlendes Fördermitglied bei eco. Es handelt sich somit nicht um eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte Mitgliedschaft. Die Deutsche Welle verfolgt aktiv die Strategie, auch mit nichtöffentlichen und kommerziellen Partnern zusammenzuarbeiten. Vertrieblich, Inhaltlich und in Bereichen wie Technologietransfer. Und in diesem Zusammehang unter anderem im Rahmen von eco."

Dass ein Fördermitglieder nichts zahlt, verstößt gegen die Beitragsordnung des eco. Danach zahlen diese Mitglieder sogar einen höheren Beitrag als andere.

Beitragsordnung

Die Mitgliedsbeiträge werden zu Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres fällig. Neue Mitglieder erhalten die Rechnung für den Jahresbeitrag mit der Bestätigung Ihrer Aufnahme in den Verband.

  • Fördernde Mitglieder entrichten einen jährlichen Beitrag zur Mitgliedschaft im eco e.V. von 5.000,- EUR.
  • Juristische Personen (Firmenmitglieder) mit einem Jahresumsatz über 500.000 EUR
    entrichten einen jährlichen Beitrag zur Mitgliedschaft im eco e.V. von 2.500,- EUR (Doppeltes Stimmrecht).
  • Juristische Personen (Firmenmitglieder) mit einem Jahresumsatz von bis zu 500.000 EUR
    entrichten einen jährlichen Beitrag zur Mitgliedschaft im eco e.V. von 1.500,- EUR (Doppeltes Stimmrecht).
  • Natürliche Personen (persönliche Mitglieder) entrichten einen jährlichen Beitrag zur
    Mitgliedschaft im eco e.V. von 250,- EUR (Einfaches Stimmrecht).

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