Eine SZ-Wirtschaftsredakteurin offenbarte gestern in einem Fünfspalter mit dem wahnsinnig einfallsreichen Titel „Abkassiert“ über Ebay und Paypal ihre Wissenslücken in Sachen elektronischer Zahlungsverkehr:
„Der Bezahldienst ist längst mehr als der virtuelle Geldbeutel, in den die Internetnutzer immer dann greifen, wenn sie in Ebays virtuellem Auktionshaus etwas ersteigern. Auch andere Bestellungen im Internet lassen sich inzwischen über Paypal abwickeln.“
Längst? Inzwischen? Als wenn es je anders gewesen wäre. Paypal gab es schon seit vier Jahren, als die Gründer 2002 den Laden an Ebay verkauften.
Grober Unfug sind in diesem Kontext natürlich auch der bestimmte Artikel „die“ und das Wörtchen „immer“. Zum einen ist die Zahlungsart bei Ebay nicht den Auktionen vorbehalten, es gibt sie auch beim Sofortkauf. Zum anderen bieten weder alle Verkäufer Paypal-Zahlung an noch sind alle Käufer Paypal-Kunden.
Unglaublicher Stuss ist zudem die Aussage:
„In Deutschland gehen etwa 35 Millionen Menschen für ihre Besorgungen ins Internet statt ins Kaufhaus.“
Kein Mensch geht für „seine Besorgungen“ „ins Internet“ („ins Kaufhaus“ übrigens auch nicht). Das tun nicht mal Bewohner von Einödhöfen, die kilometerweit fahren müssen bis zum nächsten Laden. Die 35 Millionen Menschen kaufen auch, vielleicht sogar regelmäßig online. Sie kaufen aber alle in verschiedensten Einzelhandelsgeschäften. Dies sogar ausnahmslos, denn sonst würden sie wenn nicht verhungern, dann doch an Mangelernährung zugrunde gehen. „Besorgungen“ steht übrigens für Einkäufe des täglichen Bedarfs, und die erledigt man für gewöhnlich offline im Supermarkt.
Was also soll diese Art von Schwarzweiß- und Klischeejournalismus? Reicht nicht mal ein Fünfspalter, um sich halbwegs differenziert auszudrücken? Gerade bei einem längeren Text erwartet der Zeitungsleser ja Hintergrundinformationen, die die kurze Nachricht – die Jahresbilanz von Ebay – einordnen. Die Autorin hätte zum Beispiel erwähnen können, dass Paypal inzwischen (hier passt das Wort tatsächlich) fast exakt genauso viele aktive Nutzer hat wie der Ebay Marketplace, der Konzern aber die Schnittmenge beider Gruppen im Geschäftsbericht nicht ausweist (das wäre vielleicht eine Nachfrage wert gewesen). Sie hätte schreiben können, dass der Paypal-Durchschnittszahler im Monat etwa 60 Euro auf diese Weise ausgibt. Das hätte die Größenordnung verdeutlicht.
Statt dessen liest man hanebüchene Behauptungen wie diese:
„Bei den meisten Kleidern, Kinderbüchern oder Kühlschränken, die im Internet verkauft werden, verdient Paypal mit.“ Vermeintliche Begründung: „Weltweit haben sich 94,4 Millionen Menschen ein Konto bei dem Bezahldienst eingerichtet.“
Bei genauem Lesen merkt man, dass der Text genau von diesen Verallgemeinerungen und Vergröberungen lebt. Reduziert man ihn auf seine Substanz, bleibt mit viel gutem Willen ein Dreispalter übrig.
Und wie nennt man diese Stilform klassisch? Zeilenschinderei.
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Ja, deswegen haben manche Arbeitgeber, wie z.B. Kuka, auch so Angst davor, daß ihre Mitarbeiter ins Internet gehen könnten: Kommt der Chef vorbei und ganze Büros sind plötzlich leer, alle weg
mit Öger-Toursins Internet 🙂