Wozu Urheberrecht? (10) – Was arbeitet ein Linguistik-Prof?

In Hamburg (dienstlich) oder Berlin (privat) hockt ein junger, arroganter zynischer Linguistik-Professor, streicht einen vom Steuerzahler subventionierten Sold ein und verbreitet in seiner Freizeit eitel die These, Medien- bzw. Kulturschaffende seien „an der Nadel des Staates hängende Subventionsjunkies“ oder „Leibeigene der Contentindustrie“, die gefälligst für ihren Lebensunterhalt „arbeiten“ sollen, statt zu erwarten, dass jemand so dumm ist, für den Genuss ihres vermeintlichen „geistigen Eigentums“ Geld zu bezahlen.

Kurzum: Der Nachwuchspopulist propagiert die Deprofessionalisierung des Medien- und Kunstbetriebs. Dieser Herr, ein gewisser Anatol Stefanowitsch, sieht in den jüngsten offenen Briefen von Urhebern „aus jeder Pore Menschenverachtung ausdünstende Hasstiraden“. Obwohl Sprachwissenschaftler, entgeht ihm, dass seine hemmungslose Polemik solche Prädikate viel eher verdient hätte. Ich zitiere mal eine halbwegs konziliante Passage seiner Tirade:

„Ich habe nichts dagegen, dass ihr – Künstler und Kunsthändler – Geld verdienen wollt. Ich kenne überhaupt niemanden, der etwas dagegen hat, dass ihr Geld verdienen wollt. Ich verdiene selbst manchmal Geld mit dem, was ich schreibe. Und ich muss zugeben, ich kann nachvollziehen, warum ihr das Geldverdienen reizvoll findet. Trotzdem schreibe ich meistens umsonst, einfach, weil ich schreiben will — und damit bin ich einer von Millionen, die umsonst komponieren, malen, dichten, filmen, und die ihr Geld auf ganz althergebrachte Art und Weise verdienen: Indem sie dafür arbeiten.“

Zwingender Umkehrschluss: Journalisten, Fotografen, Drehbuchautoren, Schriftsteller arbeiten nicht.

Der Witz ist, dass Stefanowitschs gehässiges Traktätchen in den Scilogs erschienen ist, einem Blog-Angebot des Verlags „Spektrums der Wissenschaft“, der wiederum zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG gehört, also einem Teil der attackierten „Contentindustrie“.

Er wirft Autoren vor, sie wollten Aufmerksamkeit und Anerkennung heischen – und tut selbst nichts anderes. Um seinen Namen in einem so renommierten Ambiente in Szene setzen zu dürfen, schreibt der Herr Professor – wie er im Kommentar zu einem Leserkommentar selbst zugibt – sogar gratis. Das würde kein hauptberuflicher Schriftsteller oder Journalist tun. Fragt sich, wer da wohl den größeren Selbstdarstellungsdrang hat.

Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass ein paar qualifizierte Spracharbeiter – davon dürfte es in den fraglichen Urheber-Berufsgruppen einige geben – der Uni Hamburg anbieten, aus reinem Spaß an der Freude sprachwissenschaftliche Vorlesungen zu halten und Seminare zu geben. Oder glaubt da jemand, sich über Sprache zu verbreiten, sei Arbeit? Nein, das ist doch intellektuelles Vergnügen, für das es keiner Planstelle bedarf.

Fortsetzung folgt

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7 Antworten auf „Wozu Urheberrecht? (10) – Was arbeitet ein Linguistik-Prof?“

  1. Versteht Herr Niggemeier wirklich nicht, dass wir zwar gern schreiben, fotografieren, filmen, musizieren etc, nicht aber wollen, dass andere (privatwirtschaftliche Unternehmen) mit unseren Werken Geld verdienen? Ich hatte Herrn N. für intelligenter gehalten. Aber er wird ja auch gut bezahlt. Von Verlagen. Wofür eigentlich? Arbeit ist das, was er tut ja nicht, oder habe ich das falsch verstanden?

  2. Sie würden also umsonst hier veröffentlichen, aber nicht umsonst woanders. Okay. Warum auch immer. Wie Sie daraus folgern können, dass das, was Sie aus irgendwelchen irrationalen Gründen nicht tun würden, niemand an Ihrer Stelle tun würde, ist aber Ihr Geheimnis.

    Ich bestell den Feed hier mal wieder ab. Ich habe eine Weile mitgelesen, aber diese Serie ist in einem Maße gewollt dumm, da les ich lieber die Originale „Handelsblatt“ und „Focus“.

    1. Kollege Niggemeier hat sich wieder abgemeldet. Das ist schade. Mir scheint, er versteht unter Rationalität etwas anderes als ich. Vielleicht hat er ja auch recht, vielleicht stelle ich mich nicht nur doof, sondern bin es wirklich. Oder steht er auf der Leitung? Entscheiden Sie, liebe Leser.

      Ich jedenfalls begreife nicht diese digitale, schwarzweiße Denke. Dem seltsamen Niggemeier-Kommentar zufolge ist es irrational, dass ich es unmöglich finde, gratis für Holtzbrinck zu schreiben, wo ich doch gratis blogge. Jeder, der diese Lizenz kennt, wird verstehen, dass es noch mehr Kreative gibt, die ähnlich denken wie ich.

      Richtig ist, dass ich im Gegensatz zu Stefan N. weder einen Flattr-Button anbiete noch Mokono Adnation oder dergleichen nutze. Ich weiß… „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert“, sagte schon meine Oma. Dennoch halte ich es für Unsinn, mich bei Flattr anzumelden, wenn selbst das Alphatier unter den Medienbloggern pro Beitrag nur Einnahmen erwirtschaftet, die man in Cent wird darstellen müssen, damit beim Runden keine Null herauskommt. 15 Punkte? Ich bitte Sie!

      Wenn ich selbst bei einem so populären Blog fünf Stichproben machen kann und ausschließlich Platzhalter des Werbepartners sehe, motiviert mich das nicht, meine Zeit mit einer Registrierung bei einem Werbenetz zu verplempern. Ich will ehrlich gesagt auch gar nicht riskieren, dass mir da ein Banner von Handelsblatt oder Springer eingeblendet wird.

      Noch mal: Dass meine Wortpresse werbefrei ist, heißt nicht, dass ich mich deshalb den Spielregeln unterwerfen müsste, die sich die Piraten vorstellen. Es heißt nicht, dass ich irgendeinem Medienunternehmen, das Texte Dritter verwertet, meine Arbeitszeit schenken müsste. Es wäre mir auch neu, dass Kollege Niggemeier, der mit den Einnahmen aus seinem Blog gewiss keine vierköpfige Familie ernähren könnte, für Medienkonzerne gratis arbeitet. Sollte ich mich irren, wüsste ich gerne mehr über dieses Geschäftsmodell.

      Davon abgesehen unterbietet Niggemeier mit der Sottise, im Handelsblatt oder im Focus seien die „Originale“ zu meinen Beiträgen zu finden, sein eigenes Niveau sehr deutlich. Ich finde einige der Texte im Handelsblatt selbst heftig daneben, die Namen einiger Zitatgeber erst recht (Middelhoff!). Den Focus habe ich nicht einmal gelesen.

  3. Es tut wirklich gut, bei all dem Getöse und Geschrei hier und da noch andere Stimmen zu lesen. Und was den „Prof“ angeht … Ich dachte, man könnte wenigstens einigermaßen vernünftig kommentieren. Das Schlimme ist, dass man diesen Menschen ja nicht mal Unwissenheit vorwerfen kann.

    Viele Grüße
    Nikola Hahn

    PS: Immerhin habe ich auf diese Weise beim Googlen Ihren interessanten Blog entdeckt 🙂

  4. Lieber Kollege Niggemeier,
    ja, selbstverständlich bin ich hauptberuflicher Journalist. Wir beide haben im Verständnis dieses Hamburger Professors also das gleiche Hobby und halten das vermutlich beide für Arbeit.
    Und nein: Leider bekomme ich für das, was ich hier veröffentliche, kein Geld. Ich denke nicht, dass sich Flattr hier lohnen würde. Ich beute mich also quasi selbst aus – wie das ehrenamtlich Tätige öfters tun.
    Was ich definitiv nicht mache: gratis für Verlage arbeiten.

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