Endlich wird wahr, worauf Autofahrer seit Jahrzehnten warten: Der Wagen hört auf seinen Fahrer.
Journalisten hassen Jubiläen: Sie müssen uralte Geschichten aufkochen und machen sich unbeliebt bei reiferen Zielgruppen. Wer mag sich schon als alter Sack fühlen, weil er all das in grauer Vorzeit live miterlebt hat? In seltenen Glücksfällen wirkt so ein Jahrestag aber wie ein Jungbrunnen – etwa bei der Goldenen Hochzeit der Jagger-Richards-Rentnercombo. Die Stones rocken, seit ich in den Kindergarten kam. Wenn diese Zombies kaum über 70 sind, gehe ich glatt für 42 durch.
Einen noch fantastischeren Zeitsprung verdanke ich David Hasselhoffs 60. Geburtstag. Der fiel just auf den Tag, an dem ich las, welch erstaunliches Extra BMW ausgeheckt hat: Spracherkennung per Cloud Computing. Der Fahrer muss nicht mehr am Navi fummeln, sondern erzählt dem Wagen einfach, wohin die Reise führt, und prompt sagt ihm das Auto, wo’s langgeht. Es liest ihm sogar brav seine E-Mails und SMS vor und lässt sich die Antworten diktieren.
Falls da bei Ihnen nichts klingelt, gehören Sie wohl zu der Generation, der schon vor der Einführung des Privatfernsehens eine Fernbedienung mit zwei Programmtasten genügt hätte. Oder Sie sind so jung, dass Sie Hasselhoff nur aus „Baywatch“ kennen – als männliche Staffage hinter Pamela Anderson. Wir technikverliebten Best-Ager schwelgen hingegen in Erinnerungen an „Knight Rider“, jene Action-Reihe, in der sich unser Jubilar von einem künstlich-intelligenten Sportflitzer namens KITT die Show stehlen ließ. Der elektronisch aufgebrezelte Pontiac Firebird Trans Am verstand jedes Wort seines Herrn. Er fuhr robotisch, dachte mit und war um schlagfertige Antworten nie verlegen. Schon im Jahr eins nach Erfindung des PCs kommunizierte er wie ein Mensch.
Nun machen also die bayerischen Autobauer meinen Traum aus Studententagen wahr: Sie pflanzen ihren Limousinen KITT-Gene ein! Autofans, die den Fortschritt der Mensch-Maschine-Kommunikation genießen wollen, sind endlich nicht mehr auf ein sündhaft teures Premium-Smartphone angewiesen. Ein Siebener muss auch nicht her, das BMW-Pendant zu Apples virtueller iPhone-Sekretärin Siri gibt’s für lächerliche 3360 Euro schon im preiswerten Dreier Touring – plus 24,95 Euro jährlich für den Cloud-Diktatdienst.
Oh, ich sollte wohl etwas leiser jubeln. Die bayerischen Motoristen kooperieren ausgerechnet mit jener Softwarefirma, der ich einst das Diktierprogramm „Dragon“ abkaufte. Hatte das Spracherkennungsprogramm sich verhört, sollte man „korrigier das!“ oder „streich das!“ sagen. Der fertige Text war dann eine Mischung aus meinem missverstandenen Genuschel und Unmengen korrekt buchstabierter Korrekturbefehle.
Die digitalen Helferlein sind angeblich schlauer geworden. Ich habe dennoch Zweifel, ob ich die Überholspur wirklich mit Typen teilen möchte, die ihre volle Konzentration darauf verwenden, sich ihren Bordrechnern verständlich zu machen.
Etwa so:
„Computer, sms an hasi! freue mich auf heiße nacht mit dir ausrufezeichen absatz tausend küsse komma dein bernd ende.“
„Verstanden. Sende SMS an Dr. Wolfgang Haase, 0172/98 …“
„Haaaalt, du verdammter Blechtrottel, das ist mein Boss.“
„…76543. SMS versendet. Sie sagten Halt. Bitte festhalten. Vollbremsung beginnt in null Sekunden.“
Genug geunkt. Mein eigentlicher Traum ist ein ganz anderer: Das KITT-Kit wird sein halb ausgereiftes Vorbild Siri total alt aussehen lassen. Die Fahrer Dingolfinger Limousinen genießen es so sehr, endlich mit ihrem heißgeliebten Gefährt sprechen zu können, dass sie sich bereitwillig zwischen zwei Brummis klemmen, Abstandswarner und Spurhalteassistent aktivieren, den Tempomat arretieren und genüsslich ihre Mails abarbeiten. Und nie wieder taucht in meinem Rückspiegel einer dieser BMW-Besitzer auf, deren Hand an der Lichthupe klebt.
ULF J. FROITZHEIM (53), Youngtimer-Fan, hält der Fairness halber fest, dass lichthupende Kerle oft auch Mercedes oder Audi fahren.
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