Apple-Chef Cook sollte sich auf die Hippie-Wurzeln der Firma besinnen – und Samsung die andere Wange hinhalten.
Tote können sich nicht wehren. Deshalb mahnte der griechische Gelehrte Cheilon von Lakedemonien, es möge seine böse Zunge bändigen, wer über einen Verblichenen spricht. Walter Isaacson, offizieller Biograf des 2011 dahingeschiedenen Steve Jobs, ist frei von solchen Hemmungen. Der amerikanische Journalist posaunte bekanntlich aus, Apples Oberhaupt hätte „den letzten Penny“ aus seiner mit 40 Milliarden Dollar gefüllten Kriegskasse gerne dafür gegeben, Googles Anti-iPhone-Software Android mit einem – Zitat – „thermonuklearen“ Angriff ausradieren zu können. Das soll Steve Jobs gesagt haben? Derselbe Steven Paul Jobs, der der sich im Hippie-Alter weigerte, Tiere zu essen und aus der Haut fuhr, wenn auch nur ein falsches Wort seine Firma verließ? Mein Gott, Walter: Wenn Sie sich das Zitat nicht aus den Fingern gesogen haben, um die Auflage Ihres Buchs zu pushen, muss der Verstand dieses Genies schon von Metastasen zerfressen gewesen sein.
Reden wir lieber über Nachfolger Tim Cook, über ihn darf man herziehen. Das sollte man auch, denn er nimmt das vermeintliche Vermächtnis seines Idols offenbar todernst. Mit Hilfe des Patentrechts will Cook das Handygeschäft von Marktführer Samsung atomisieren – in der Hoffnung auf eine Kettenreaktion, die bald auch Android dahinrafft, so dass kein Smartphone- und Tabletfan mehr am Original vorbei kommt. Hoch lebe das Monopol…
Na, lieber nicht. Nachdem Jobs vorexerziert hatte, wie man Smartphones baut, die sich blendend verkaufen, wären die anderen blöd gewesen, hätten sie es nicht nachexerziert. Darauf kann man smart reagieren – oder mit schwerster juristischer Artillerie. Smart wäre gewesen, eine Rechnung über Lizenzgebühren in zehnstelliger Höhe nach Seoul zu schicken und sie gleich mit den sieben Milliarden Dollar zu verrechnen, die Apple angeblich im Jahr für Chips und Displays an Samsung überweist. Cook zog die Klage vor. Doch sein Staranwalt William Lee beging den Fauxpas, mit zahlreichen dicken Anträgen derart die Geduld des Gerichts zu strapazieren, dass die junge Bundesrichterin Lucy Koh den älteren Herrn anfuhr, er benehme sich, als hätte er Crack geraucht. Die Harvard-Absolventin war sauer: Sie hatte sich eingebildet, sie könnte die Geschäftsfeinde zu einem Vergleich verführen. Schlechter als das Urteil, mit dem sie die sturköpfigen Herren nach Hause schickte, hätte der auch nicht ausgesehen: Die Jury erteilte ein paar Samsung-Modellen Einreiseverbot für die USA, kürzte aber Apples Forderung um 60 Prozent auf eine Milliarde Dollar.
Ich an Kohs Stelle hätte die streithanseligen Herren wegen Missachtung des Gerichts ja eingebuchtet. Und wegen Heuchelei. Denn auch bei Apple wird gern abgekupfert. Zum Beispiel der Dreh, der das Display vom Hochins Querformat umschaltet: Um die Jahrtausendwende bastelten Compaq-Techniker bereits an Prototypen, darunter einem „iPaq“. Das erste Seriengerät, das die 90-Grad-Drehung ausglich, der Amida-Simputer, floppte später in Indien. Apple hält diesbezüglich zwar Patente, aber nur für die Verfeinerung einer Idee, die längst Stand der Technik war. Was hätte wohl der junge Jobs gemacht, der im Xerox-Labor Parc jenen Computer fand, der ihn zum Bau des Mac inspirierte? Als Kind des Kalten Krieges wusste er, dass Gewalt keine Lösung ist und ein Atomschlag aus militärstrategischer Sicht die größte anzunehmende Dummheit – weil es am Ende keinen Sieger gibt. Was der Angreifer anrichtet, fällt buchstäblich auf ihn zurück. Am Anfang strahlt er natürlich. Aber dann ist‘s auch für ihn zu spät.
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