Paul-Josef Raue, einst Mitglied der Gründungsredaktion des brand eins-Vorläufers Econy, befasst sich in seinem Blog mit der Auseinandersetzung zwischen brand eins und dem Presserat. Er fordert eine Reform des Selbstkontrollorgans.
Ich sehe das ähnlich. Da ich gute Kontakte in beiden Richtungen unterhalte (ich schreibe nicht nur für brand eins, sondern habe auf -zig DJV-Verbandstagen Kolleginnen und Kollegen mit in den Presserat gewählt), war ich schon etwas fassungslos, als ich von dieser ziemlich abwegigen Rüge erfuhr.
Hier mein Kommentar in Paul-Josef Raues Blog:
Vorweg gesagt: Ich selbst war an „Hilfe“ nicht beteiligt, habe als brand eins-Autor ohne Affinität zu Pharma-Themen also nur indirekt mit der Sache zu tun. Ich vertrete hier auch ausschließlich meine persönliche Meinung, nicht die der Redaktion oder des Verlags, und habe mit niemandem in der Redaktion über den Presserat gesprochen. Mich stört es einfach, dass der Presserat (von dessen Mitgliedern ich einige schon sehr lange persönlich kenne und großenteils eigentlich schätze) hier mit zweierlei Maß misst.
Das Trennungsgebot ist auch mir sehr wichtig. Nun kommt man als freier Journalist heute leider schlecht über die Runden, wenn man um Corporate Publisher einen großen Bogen macht – vor allem, weil man dann auch für keinen der großen Verlage mehr arbeiten dürfte: Gruner+Jahr, Burda, Handelsblatt, Süddeutscher Verlag, Jahreszeiten – sie sind alle längst große Nummern im CP-Gewerbe. All diese Verlage greifen (wie brand eins Wissen) gerne auf bewährte Autoren ihrer selbstverlegten Magazine zurück, um die CP-Hefte ihrer Auftraggeber zu füllen. Und längst nicht immer bewahren sie sich so viel redaktionelle Eigenständigkeit wie in diesem Fall: Die Pharma-Lobbyisten hätten leicht eine pflegeleichtere Redaktion finden können, die ihr gegen Geld aus der Hand frisst. Soviel Bereitschaft zu Selbstkritik, wie die Pillendreher bei „Hilfe“ aufgebracht haben, ist selten in der Industrie. Im Gegenteil zeugt das Heft davon, dass der Auftraggeber wusste, dass er sich an Leser wendet, die er nicht für dumm verkaufen sollte. Wer’s mir nicht abnimmt: Selber lesen!
Es geht also bei CP nur darum, wie man damit umgeht bzw. dass man dabei seriös bleibt. Der Autorenvertrag von brand eins enthält explizite Regeln gegen Interessenkonflikte: Wenn ich für Firma A oder Verband B arbeite, darf ich im Heft nicht über Themen schreiben, die deren Interessen tangieren. Man mag mich voreingenommen nennen, aber eine Auftragsproduktion ohne Logo des Magazins und mit klarer Aussage, wer der Auftraggeber ist, als separates Objekt mit die Folie einzuschweißen, ist für mich die klarste Trennung zwischen beiden Welten. Kein Leser in dieser Zielgruppe ist so dumm, das nicht zu erkennen, oder er stellt sich bewusst blöd.
Schaue ich mir dagegen an, was die Großen in manchen Titeln so treiben, geht mir die saubere Trennung wirklich ab. Und damit meine ich nicht die ganzen Supplements, die oft mit Logo der Süddeutschen aus derselben purzeln (und natürlich von SZ-Mitarbeitern gefüllt werden, ohne dass jemand protestiert oder es gar rügt). Nein, sogar im SZ-Magazin ist es doch Usus, im redaktionellen Teil ganz unverblümt Mode- und Lifestyle-Produkte zu inszenieren oder anzupreisen. Auch die Ur-Jetzt hat sich krasse Dinge erlaubt, ich erinnere mich etwa an ein Heft, das so layoutet war, dass man spontan eine bestimmte inserierende Handelskette assoziierte. Deshalb habe ich vor Jahren mal die Probe aufs Exempel gemacht und himmelschreiende Beispiele von Product oder Brand Placement nach Bonn geschickt. Der zuständige Beschwerdeausschuss hat sich fürchterlich geziert, das aber als legitime Berichterstattung gewertet. Ich gehe bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass zumindest ein Teil der Journalistenfraktion einer Missbilligung nicht abgeneigt war, aber keine Mehrheit im Gremium fand.
Kurzum: Wenn der Presserat gegen alle VDZ- und BDZV-Mitgliedsverlage konsequent mit der gleichen Schärfe wie gegen brand eins vorgehen sollte, wird es Rügen nur noch so regnen. Ich wette, er wird es nicht tun: Bei großen VDZ-Mitgliedern ist gerade en vogue, Frauenzeitschriften zu Warenkatalogen mit angeschlossenem Online-Versandhandel umzubauen. Deshalb ist es praktisch für den Tiger, wenn er sich auf Kosten einer seriösen Zeitschrift darstellen kann, als hätte er noch Zähne im Maul.
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