Mit der Schmähung „Judas“ sollte man vorsichtig sein. Judas hat einen guten Menschen den mörderischen Folterknechten eines Unrechtsregimes ausgeliefert. Wenn die Metapher passen soll, muss der Verrat schon ein enormes Kaliber haben: Niedertracht gehört dazu, und der Verratene muss ein Jesus sein, der den Verrat zumindest im übertragenen Sinne, also politisch, nicht überlebt.
Norbert Sepp, eine mittlerweile nur noch tragische Figur im Kauferinger Bargeldskandal, hat sich just zu dieser Metapher verstiegen. Unklar bleibt, ob er sich selbst für eine Art Jesus hält oder ob doch eher Klaus Bühler für ihn der Messias ist, der hier von missgünstigen Zeitgenossen ans Kreuz genagelt werden soll. Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Jesus und seine Leute haben niemandem heimlich in die Schatulle gelangt und auch nicht versucht, eine Missetat durch Berufung auf Formalien vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.
Wie Dominic Wimmer heute im Tagblatt enthüllt, war der Griff in die Gemeindekasse keineswegs ein singuläres Ereignis. Der Gipfel ist freilich, dass die bidirektionalen Geldgeschenke zwischen Bühler und Sepp als „Anstandsgeschenke“ geführt wurden. Unter Anstand stelle ich mir ein deutlich anderes Betragen vor als das, das unsere beiden Honoratioren hier an den Tag legen. Was der Anstand gebieten würde, wäre ein sofortiger Verzicht auf jede weitere Kandidatur für welches Amt auch immer.
Wer der „Judas“ im Gemeinderat auch gewesen sein mag: Wüsste ich um seine oder ihre Identität, wären ihm oder ihr drei Stimmen von mir gewiss – auch wenn Herr Sepp diese meine Anerkennung für einen Akt der politischen Hygiene als Judaslohn bezeichnen würde.
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