Falschtwitterer auf Vogel-Fluglinie

Die Verwertungsgesellschaft Wort verstand sich noch nie als Avantgarde der Social-Media-Nutzung. Als ehrenamtliches Verwaltungsratsmitglied, das der spontanen, informellen Online-Kommunikation eher affin ist, konnte man das immer nur schade finden. Aber man kann seine Hauptamtlichen nicht zum Mitmachen zwingen. (Selbst wenn dies in meiner Macht läge, fände ich es anmaßend, es zu verlangen.)

Um so erfreuter war ich, als Anfang Juni plötzlich ein Account @vgwort auf der Bildfläche erschien. Auf der Mitgliederversammlung war leider zu viel Wichtigeres zu tun und zu bereden, um unsere Pressesprecherin Angelika Schindel dafür zu beglückwünschen, dass sie den Vorstand von der Notwendigkeit des Twitterns überzeugt hätte. Ich klickte aber auf „Folgen“, denn der vertraute „Wir geben 8 aufs Wort“-Header gab dem Twitter-Account den Anschein von Authentizität. Und wie das bei Twitter so ist, schreibt man in so einem Fall in seine Tweets nicht mehr „hashtag vgwort“, sondern „at vgwort“. Das tat ich ein paarmal bis Anfang September, registrierte aber nicht, dass über die gesamten Sommerferien hinweg kein Tweet mit diesem Absender bei mir landete. Sonst hätte ich nachgefragt, warum wir jetzt einen Account haben, ihn aber nicht nutzen. Um mich zu informieren, brauchte ich die vermeintliche VG-Wort-Seite nicht, denn als Verwaltungsrat weiß man alles Wichtige bereits, wenn es an die Öffentlichkeit geht.

Was soll ich sagen? Ich bin einer Fälschung aufgesessen. Irgendein Mensch, vielleicht auch eine Gruppe oder ein Verein, hat vor drei Monaten einen Fake-Account angemeldet und sich still auf die Lauer gelegt. Davon erfuhr ich gestern: Der oder die Falschtwitterer rief die Autoren auf, alle zur Mitgliederversammlung zu kommen. Er duzte sie, er nannte nicht den Veranstaltungsort und vor allem verschwieg er eine vermeintliche Selbstverständlichkeit: dass an der Mitgliederversammlung nur Mitglieder teilnehmen können.

Dazu muss man wissen, dass die allermeisten Journalisten, die von der VG Wort Geld bekommen, erstens nicht den Status von Mitgliedern haben und ihnen zweitens dieser Umstand nicht bewusst oder bekannt ist. Sie müssen die Mitgliedschaft eigens beantragen. Das ist bei uns anders als bei der VG BildKunst.

Offensichtlich hoffte der Unhold oder die Unholdin (eigentlich bauen so einen Scheiß aber nur Männer), dass am Samstag Heerscharen von Autoren anreisen, den Hofbräukeller in München stürmen, Einlass begehren, abgewiesen werden und sich deshalb vom putativen Absender des Tweets verarscht fühlen. Also von der VG Wort.

Leider gibt es wenig andere Erklärungsmöglichkeiten, als dass ein Autoren-„Kollege“ (oder eine „Kollegin“) dies verbrochen hat. Man stelle sich vor, die Leute geben Geld für Benzin oder die Fahrkarte aus, vielleicht noch für eine Übernachtung im teuren München, und dann stehen sie vor der verschlossenen Tür. Juristisch heißt das „grober Unfug“, zivilrechtlich löst es Schadenersatzansprüche aus, aber vor allem ist es eins: bösartige Unkollegialität.

Nun gut, gestern habe ich als erster vor dem Fake gewarnt. Als ein Kollege es nicht mitbekommen hatte, setzte ich noch mal einen Tweet ab, der ihn mit der Nase darauf stieß. Und was passiert? Ich bekomme hämische und schlaumeiernde Tweets, weil ich doch selbst auf die Fälschung hereingefallen war.

Wussten diejenigen, die diese billigen Tweets absetzen, es etwa vor mir? Wenn ja, warum haben sie nichts gesagt? Stecken sie vielleicht mit den Tätern unter einer Decke?

Erkennbar ist nur: Die Zeitgenossen, die hier den geordneten Ablauf der außerordentlichen Mitgliederversammlung stören wollen, haben sich für die bisher rotzlöffeligste Art entschieden, dem Juristen und Autor Martin Vogel Sympathie zu bekunden, dessen vor dem BGH erfolgreiche Klage gegen die VG Wort Anlass der besagten Versammlung ist.

Es bleibt zu hoffen, dass Herr Dr. Vogel klare Worte für diese unsägliche Aktion findet. Was er selbst an Unverschämtem und Unwahrem* in die Welt setzt, genügt vollauf, um Menschen die Motivation zu ehrenamtlichem Engagement zu vergällen.

* Laut Vogel wird der Verwaltungsrat von Verlegern dominiert. Es gibt in Wahrheit nur acht stimmberechtigte Verlegervertreter, wir Autorenvertreter sind 14 an der Zahl.

P.S.: Twitter hat den gefälschten Account offline genommen. Postwendend meldete jemand einen neuen Account an, dessen Name an der geistigen Gesundheit seines Erfinders zweifeln lässt – „vgwortistmord“. 

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