Kauferinger Grüne: Mit Tempo 30 auf den Holzweg

Wer mich kennt, weiß, dass mir die Grünen – zumindest die Realos – trotz mancher Verirrung immer recht sympathisch waren, verglichen jedenfalls mit dramatypischen Parteifiguren à la Andy Scheuer, Sigmar Gabriel oder Rainer Brüderle.

Unsere lokalen Grün-Alternativen jedoch geben sich gerade wieder einmal größte Mühe, sich meine letzten Rest-Sympathien zu verscherzen. In ihrem aktuellen Faltblättle „Kauferinger Express“ reiten sie erneut auf ihrem Lieblingsthema „Tempo 30“ herum. Dabei vermischen sie dieses ideologisch-populistische Dogma mit anderen verkehrspolitischen Zielen zu einem ungenießbaren Brei, indem sie die „Leitlinie Verkehr“ unserer Gemeinde vorschieben. In dieser geht es insbesondere um Folgendes:

Verminderung von vermeidbaren Verkehren

Das hat nichts mit Geschwindigkeit zu tun. Für ein konkretes politisches Ziel ist es zu schwammig. Im Kontext von Tempo 30 ist es jedoch geradezu grotesk: Wenn ich die Autofahrer nötige, statt der Direttissima durch die Iglinger Straße den großen Bogen durchs Nadelöhr Bahnunterführung und über die Viktor-Frankl-Straße und zurück in die Iglinger Straße zu schlagen, erzeuge ich vermeidbaren Verkehr.

Verlagerung von Verkehren auf umweltfreundliche Verkehrsträger und Verkehrsmittel

Da bin ich dabei. Ich fahre gerne mit dem Fahrrad. Aber auch das hat nichts mit Tempo 30 zu tun. 

Verträgliche Steuerung und Abwicklung des unvermeidbaren Verkehrsaufkommens

Diesem Ziel würde die Wiederherstellung von Vorfahrtsstraßen dienen. Rechts-vor-links dient ihm nicht.

Reduzierung der Unfallschwerpunkte und Gefahrenpunkte

Gegen dieses Ziel kann niemand etwas haben. Aber was sind denn die Unfallschwerpunkte, wenn man denn in Kaufering überhaupt von Schwerpunkten reden kann? Zum Glück passiert ja selten etwas Schlimmes. Am gefährlichsten sind Abbiegevorgänge, insbesondere an den Einfahrten zu den Supermarkt-Parkplätzen. Niemand brettert mit mehr als 30 km/h quer über den Radweg. Der Radler stürzt schon gewaltig, wenn der Autofahrer ihn mit Tempo 15 schneidet. 

Förderung des nichtmotorisierten Verkehrs

Ja, bitte! Wenn ich zum Bahnhof radle, hätte ich gerne auf der Dr.-Gerbl-Straße und einigen anderen Straßen Vorfahrt. Ich möchte, dass die aus den Nebensträßchen kommenden Autofahrer KEINE Vorfahrt mehr haben.

Dass derselbe Arbeitskreis, der sich diese wohlfeilen Schaufensterziele ausgedacht und sie auf geduldiges Papier gedruckt hat, aus purer Einfallslosigkeit auch die Einführung von Tempo-30-Zonen empfohlen hat, gilt den Grünen nun also als Legitimation des höheren Rechts-vor-links-Unsinns.

Leider schrecken unsere grünen Freunde nicht davor zurück, sich die Realität hinzubiegen, wo sie nicht zum Dogma passt:

„Tempo-30-Zonen dienen nicht nur der Vermeidung von Unfällen, sondern auch der Abwendung von Gefahren.“

Hallo? Beides ist dasselbe, denn andere Gefahren als die Unfallgefahr gibt es da nicht. Falsch an dieser Aussage ist, dass nicht der angestrebte Zweck zählt, sondern das Ergebnis. Eine als solche angelegte Tempo-30-Zone mag den Zweck ja erfüllen. Das (wahrscheinlich rechtswidrige) Abmontieren von Vorfahrtsschildern auf als solche angelegten Vorfahrtsstraßen zum Zweck der Ausweisung einer Rechts-vor-links-Zone erfüllt ihn nicht, sondern schafft Gefahren, die es vorher nicht gab.

„Straßen (mit Tempo 30) sind leichter zu überqueren.“

Das einzige mir geläufige Problem, das Kauferinger beim Überqueren von Straßen haben, ist ein steter Strom mit Tempo 30 daherzockelnder Autos in der Kolpingstraße, zwischen denen die Lücken nicht groß genug sind, um über die Straße zu gehen. Bei Tempo 50 stünde man nicht so lange am Straßenrand. 

„Auto- und Radverkehr harmonieren (bei Tempo 30) besser.“

Das sehe ich als Radler, der gerne auch mal schneller als mit 30 radelt und kein mit 27,5 km/h vor sich hin schleichendes Auto eines Blitzphobikers oder Verkehrserziehers überholen will, anders. 

„Die Absenkung von 50 km/h auf 30 km/h reduziert den Lärm der Fahrzeuge im Durchschnitt um 2 bis 3 dB(A).“

Diese Aussage ist substanzlos, denn sie bezieht sich auf die Lärmemission von Fahrzeugen, die konstant mit der einen bzw. der anderen Geschwindigkeit fahren, und bildet nicht die Verkehrsdynamik in einer bestimmten Straße ab. Relevant ist allein, inwieweit sich die Lärmimmission (also der tatsächliche Lärmpegel) in der konkreten Straße verändert. Das ist nur durch lokale Messungen unter Praxisbedingungen zu ermitteln (Vorher-Nachher-Vergleich). Der gesamte Lärmeintrag an einer Messstelle ist ein Produkt aus Schallpegel und Einwirkdauer. Häufiges Abbremsen und Beschleunigen erhöhen ihn ebenso wie die um bis zu zwei Dritteln längere Aufenthaltszeit der Autos im Hörradius um den Messpunkt. Ein Auto, das im 4. Gang mit Tempomat konstant 45 fährt, ist viel leiser als eines, das an jeder Ecke bremst und von seinem eiligen Fahrer im zweiten Gang wieder schnell auf 30 hochgetrieben wird.

„Je langsamer gefahren wird, desto attraktiver werden Fahrrad oder Bus.“

Nimmt man diese These für bare Münze, muss man Schrittgeschwindigkeit fordern. Leider müssten sich dann auch Radler und Busfahrer daran halten. Im Übrigen ist es ein dummer Witz, Kauferings Schul- und Pendler-Bahnhofsbusse als attraktives Verkehrsmittel zu bezeichnen. Vormittags, nachmittags und an den Wochenenden fahren sie gar nicht. Es gibt also nur das Anruf-Sammeltaxi, das man eine halbe Stunde vorher bestellen muss. Es kostet 3 Euro, und zur Haltestelle laufen muss man immer noch. Das ist für alte Leute besser als nichts. Aber „attraktiv“ ist unser ÖPNV nun wirklich nicht. Seine Einkäufe und Arztbesuche kann man damit  zum Beispiel nicht erledigen. 

„Nach Aussage unserer Busfahrer wird der ÖPNV durch Tempo-30-Zonen nicht beeinträchtigt.“

Diese Umfrage würde ich gerne mal sehen.

Mit diesen „Argumenten“ lehnt die GAL Kaufering also selbst das bescheidene Ansinnen vernünftiger Gemeinderäte ab, einige wenige Straßen wieder zu Vorfahrtsstraßen zu machen. Als letzte Begründung muss noch herhalten, der AK Verkehr sei „eines des wenigen Beispiele moderierter und ergebnisorientierter Bürgerbeteiligung“ mit „sehr konkreten Ergebnissen“ gewesen, „das Engagement und die Zustimmung der Bürger sollten nicht leichtfertig verspielt werden“.

Hallo? Wir sind alle Bürger, und als solche haben wir ein Recht, Murks Murks zu nennen, auch wenn er der GAL gefällt. Meine Zustimmung hatte der Rechts-vor-links-Schwachfug nie, und darum kann sie auch niemand verspielen.

 

 

Sie sind der oder die 1872. Leser/in dieses Beitrags.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert