Wer den Namen Ancker trägt, kann sich vor Wortspielen kaum retten, vor allem wenn er/sie soviel mit uns, nun ja, Kreativen zu hat wie Frauke Ancker. Die langjährige Geschäftsführerin des Bayerischen Journalisten-Verbandes hat die Einfälle „ihrer“ Journalisten immer gut ertragen – egal, ob jemand, dem etwas nicht passte, vor Ancker ging oder ein Scherzkeks drohte, Ancker zu werfen. Ab August ist die Geschäftsstelle des BJV kein Anckerplatz mehr: Nach 35 Jahren legt die Oberbayerin mit niederländischem Migrationshintergrund ab und steuert in Richtung Privatleben.
Das Ancker-Lichten zelebrierte der Verband mit einem Empfang vor großer Kulisse, nämlich den Panoramafenstern im 3. Stock des Literaturhauses München, die der Theatinerkirche zugewandt sind. ARD-Zuschauern ist der Anblick auf das gelbe Gotteshaus vertraut: Die Location dient der TV-Produktionsfirma ndF seit Jahren als Set für Szenen im Büro der erzkatholischen Spekulantin und Fußballnärrin Dr. Dr. Elisabeth Reuter (Rosel Zech), Schwester Oberin des Ordens, dem das marode Kloster von Kaltenthal gehört, einer Kreisstadt, die wie Landshut aussieht und von der Amigo-Bürgermeister-Karikatur Wolfgang Wöller (Fritz Wepper) regiert wird.
Um Himmels Willen!, stoßseufzen passenderweise nun viele Weggefährten von Frauke Ancker, für die diese Frau nicht weniger war als der personifizierte BJV, quasi die Schwester Hanna der bayerischen Journalisten. Manchen galt sie auch als die Chefin, der es egal sei, wer unter ihrer Ägide gerade Vorsitzender ist. (Nein, es war ihr nie egal. Und wenn sie nicht immer respektiert hätte, dass die beiden Männer, die in den vergangenen Jahrzehnten als gewählte Bosse an der BJV-Spitze standen, grundsätzlich das letzte Wort hatten, wäre sie weder die gute Juristin, als die sie jeder kennt, noch wäre sie 35 Jahre geblieben.)
Frauke Anckers Nachfolge ist jedoch geregelt: Die neue Geschäftsführerin Jutta Müller kennt den Laden in- und auswendig, denn sie arbeitet bereits seit 2001 als Justiziarin beim Verband. Niemand braucht sich zu sorgen, ob die Geschäftsstelle weiter verlässlich funktioniert.
Bei den Ehrenamtlichen ist es dagegen völlig offen, was die Zukunft bringt. 2011 werden wohl auf einen Schlag drei ältestgediente Mitglieder aus dem fünfköpfigen Geschäftsführenden Vorstand ausscheiden – der Vorsitzende, sein langjähriger Vize und der Schatzmeister. Zwei der drei haben ihr aktives Berufsleben hinter sich, der Dritte nicht mehr viel vor sich. Bange Frage: Wer hat das Format, die Kontakte, die Ideen, die Zeit (!) für diese oft sehr undankbaren, unbezahlten Ehrenämter – und möchte sie freiwillig übernehmen? Wer will sich im Gesamtvorstand des DJV herumärgern mit Leuten wie dem unvermeidlichen Hans Werner Conen, Patriarch des so genannten „DJV-Landesverbandes Brandenburg“ (dessen Führungspersonal geografisch selbst mit größter Mühe nur schwer im gleichnamigen Bundesland zu verorten ist und sich als gallisches Dorf im Kampf gegen einen tumb-cäsarischen Rest-DJV in Szene setzt), aber auch mit manch anderem Funktionär, der partout nicht funktionieren will?
Unter den Gewählten aus der zweiten Reihe des bayerischen Landesvorstands drängen sich, vorsichtig gesagt, nicht sofort Horden möglicher Kandidatinnen oder Kandidaten auf, die sowohl das Zeug als auch die Ambitionen dazu hätten – und trotzdem eine Chance, gewählt zu werden. Das größte Problem des BJV sind nämlich die 98,x Prozent Mitglieder, die ihr Mitspracherecht gering schätzen und sich nachher wundern, dass knapp zwei Prozent Aktive nicht immer nur weise Ratschlüsse fällen.
Insofern ist es wohl gut, dass Frauke Ancker jetzt denselben lichtet: Fortan wird sich kein Ehrenamtlicher mehr automatisch darauf verlassen, dass im Zweifelsfall die „Chefin“ schon alles richten wird. Im 21. Jahrhundert kann eine Gewerkschaft (eine solche will der BJV ja bleiben) von ihrer Geschäftsführerin ja schlecht verlangen, dass sie sich mit Haut und Haaren vom Arbeitgeber vereinnahmen lässt. Sollte sie das freiwillig tun, wie es die „Anckerin“ immer tat, ist das nett von ihr, aber auch leitende Angestellte haben ein Recht, ihre „Work-Life-Balance“ selbst auszutarieren. Die Generation der 65-Jährigen, für die der Eintritt ins Rentenalter die Demarkationslinie zwischen „Arbeit“ und „Leben“ bildete, ist für die Jüngeren kein Maßstab mehr.
Wenn die Arbeit für die Ehrenamtlichen dann etwas weniger bequem wird, sollte das kein Schaden sein. Vielleicht ist es ja sogar ein Ansporn, den Journalistenverband neu zu erfinden.
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