Je mehr Kunden, desto mehr Rabatt – das verspricht Power-Shopping. Doch Skepsis ist angebracht. Bizz hat mitgemacht und fünf Produkte im Web geordert.
Wer Internet-Shopping für eine praktische Variante des Versandhandels hält, kennt Yeebab noch nicht. Bevor ein Websurfer die Sonderangebote dieser Online-Gemischtwarenhandlung ordern darf, muss er sich einer zwei stufigen Anmeldeprozedur unterziehen. Nach dem ersten Schritt ist er ein Rookie (englisch: Rekrut), der sich Ware reservieren lassen kann. Zum einkaufsberechtigten Yeeb (thailändisch: Wesen) wird er erst im zweiten Schritt, wenn sein Passwort Tage später per Post ins Haus kommt. Mit etwas Glück ist der gewünschte Artikel dann noch nicht ausverkauft.
Umstand per Mausklick. Yeebab ist einer von derzeit fünf Versuchen, deutsche Pfennigfuchser für das aus Schweden und den USA importierte Konzept der Shopping-Gemeinschaft zu begeistern. Die Idee: Verbraucher mit gleichen Produktwünschen verbünden sich via Internet gegen Händler und Hersteller, um ansehnliche Mengenrabatte herauszuschlagen. Je größer die Nachfrage, desto höher die Prozente.
BIZZ wollte wissen, was Einkaufsgemeinschaften taugen, hat Wein, einen Wasserkocher, einen Anrufbeantworter, eine Computermaus und ein Fieberthermometer geordert. Das Ergebnis ist ernüchternd: In der Praxis ist der Kunde beim Power-Shopping nicht König, sondern zunächst einmal Statist. Er darf Produkte vorschlagen, die er gerne im Sortiment des Shops sähe, oder Freunde per Klick auf das Feld „Weiterempfehlen“ als Kaufgesellen werben, um die nächste Rabatthürde zu nehmen. Am meisten springt hierbei für den Betreiber des Angebots heraus: Er erhält wertvolle E-Mail-Adressen auf dem Silbertablett.
Enttäuschend ist auch das Angebot. Coole neue Geräte zu Spottpreisen suchen Powershopper vergeblich. Die schiebt kein Hersteller ohne Not auf diesen Vertriebsweg. Stattdessen herrscht bei den Angeboten wie Powershopping.de, Letsbuyit.de und Kontorhouse.de nie Mangel an Promotionsware, Auslaufmodellen und Restposten, die irgendein Händler ausgelistet hat. Clevere Kunden erkennen dies daran, dass die Produkte nicht etwa bei Abnahme einer Verpackungseinheit billiger sind, sondern bei krummen Käuferzahlen wie drei, neun oder 17.
Dabei ist nicht alles, was die Co-Shopping-Firmen anbieten, gleich Ramsch. Ab und zu lässt sich sogar ein Schnäppchen machen. So brodelt in der Teeküche der BIZZ-Redaktion neuerdings ein von Ferdinand Alexander Porsche entworfener Luxuswasserkocher, der tatsächlich 40 Mark billiger als im Fachgeschäft war.
Ansonsten bot das Einkaufserlebnis einige Überraschungen. Computer-Distributor Microwarehouse beispielsweise schickte versehentlich eine teurere Version der bestellten Microsoft-Maus. Der Anrufbeantworter war bei Redaktionsschluss immer noch nicht eingetroffen. Und der südafrikanische Wein, eine Cabernet-Merlot-Cuvee Robert’s Rock für gut acht Mark aus dem Testkauf bei Letsbuyit.de, schmeckt nach Ansicht des Redaktions-Teams „für den Preis nicht schlecht“. Aber: Wesentlich preiswertere Supermarktweine können es durchaus mit dem roten Tropfen aufnehmen.
Surfer sollten beim Power-Shopping auf jeden Fall immer auf der Hut sein. Nicht alles, was Suchmaschinen unter Stichwörtern wie Co-Shopping auswerfen, ist seriös. Etwa jenes Angebot, das verspricht, „mit zwei Euro werden Sie zum Internet-Shopping-Profi“ – und den Gast auf eine 01908er-Telefonnummer verweist, die 3,63 Mark pro Minute verschlingt. Zudem sind manche Artikel, die im Web billig erscheinen, auf den Resterampen der realen Welt noch viel billiger zu haben. Ohne Wartezeit, Abnahmepflicht und Spesen. Und ohne vorab seitenweise Kleingedrucktes lesen zu müssen.
Erschienen in BIZZ 5/2000.
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