Produktmanager sollten öfter mal bei Amazon vorbeischauen. Von dem dort herummeckernden Kunden könnten sie echt etwas lernen.
Na, schmeckt der Kaffee/Cappuccino/Latte? Schön für Sie. Ich muss im Moment mit Pulverplörre vorlieb nehmen. Meine Espressomaschine hat sich vor ein paar Tagen unter Absonderung beängstigender Gerüche in den Elektroschrott verabschiedet, löblicherweise erst ein gutes Jahr nach Ablauf der Gewährleistung. Nun warte ich sehnsüchtig auf die Paketbotin, die ein hoffentlich langlebigeres Exemplar bringt.
Bei empfindlicher Technik vertraue ich sonst eigentlich lieber auf gediegene Fachgeschäfte als auf Amazon und DHL, aber nach der Erfahrung mit dem letzten Caffé-Kocher hatte mein bisheriger Lieferant einfach keine weitere Chance verdient. Dass der Verkäufer einen hochnäsig abfertigt, weil man nicht bereit ist, über eine Investition zwischen 499 (Einsteiger) und 999 Euro (Mittelklasse) zu diskutieren, kann einem im Onlinehandel nicht passieren. Ich gehöre leider zu der Minderheit, die eine Kaffeemaschine weder zum Angeben braucht noch um eine Cafeteria zu betreiben, sondern um die persönliche Genuss- und Koffeinsucht befriedigen. Als der Fachberater von der Design-Vollautomaten-Boutique das kapiert hatte, ließ er sich herab, mir die preiswerteste Marken-Siebträger-Maschine aus seinem Sortiment zu überlassen, doch ich kam mir vor, als hätte ich im Porsche-Zentrum nach einem gebrauchten Dacia gefragt. Sie können sich denken, wie fassungslos der Händler war, als ich mir nach zwei Jahren einbildete, ich könne bei ihm einen Ersatzstutzen für die Milchschaumdüse kaufen.
Beim Online-Shopping fühlte ich mich auf Anhieb verstanden. Natürlich nicht von den Händlern, die auf den Marktplätzen von eBay und Amazon ihre Selbstbedienungsstände aufgebaut hatten oder bei idealo inserierten („Daten vom 25.11.2014 10:55, Preis kann jetzt höher sein“). Sondern von meinen Leidensgenossen, anderen Freunden italienischer Kaffeekultur. Das Schöne an Amazon ist nämlich, dass die Beratung in den Händen der Kunden liegt. Sie dürfen nicht nur Sternchen vergeben – einen für absoluten Murks, fünf für Spitzenprodukte. Sie dürfen alles hinschreiben, was ihnen an Lob und Tadel in den Sinn kommt.
Egal, ob man online oder offline kaufen will: Es gibt keine bessere Fehlkauf-Prophylaxe als die Lektüre dieser Käuferkommentare, denn es tun sich gerade Diejenigen besonders hervor, die schon immer mehr Ahnung von der Technik hatten als ein durchschnittlich geschulter „Fach“-Verkäufer. Wenn ein Produkt eine konstruktive Wunde hat, pressen diese lobenswerten Besserwisser ihren Finger hinein. Sie entlarven Soll- und Istbruchstellen und erklären en detail, wo ein Hersteller wieder mal am falschen Ende gespart hat, um ein Gerät, das mindestens 206,75 Euro kosten müsste, mit Gewinn für 199,95 Euro in den Handel drücken zu können.
Wer diese Informationsschätze heben will, darf natürlich die Sterneskala nicht von oben nach unten abarbeiten. Geschätzte 80 Prozent der Kommentatoren sind, wie man unschwer aus den Texten ablesen kann, entweder bestellte Claqueure oder Dummköpfe, die schon mit fünf Sternen um sich werfen, wenn das Gerät nach dem ersten Einschalten funktioniert hat, ohne dass die Sicherung herausgeflogen wäre. Die restlichen 20 Prozent liefern kostenlos Anleitungen, wie sich ein Produzent von der Masse derer abheben könnte, denen Qualität und Kundenzufriedenheit egal sind. Das Blöde ist, dass sich die Produktverantwortlichen offenbar nie zu dieser Fundgrube voll konstruktiver Kritik verirren.
Vielleicht halten sie sich auch einfach nur für Apple. Die Kundenforen des Mac- und iPhone-Herstellers strotzen vor Kommentaren von Stammkunden, die sich über vermeidbare Verschlimmbesserungen und deren Nebenwirkungen echauffieren, aber in der Konzernzentrale hocken Meister im Aussitzen. Warum etwas ändern, wenn man auch so das wertvollste Unternehmen der Welt sein kann?
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