Piëchs Garagenwagen

Natürlich ist ein Golf mit 650 PS eine Perversion der Technik. Doch andererseits macht er Hoffnung.

Jubilare dürfen sich schon mal einen genehmigen – sei es, um zu feiern, oder um sich die Wirklichkeit schöner zu trinken. Daher hatte auch Ferdinand Piëch eine kleine Disziplinlosigkeit gut: Der technophile VW-Aufsichtsratsvorsitzende und sein Konzern sind schließlich gerade 70 geworden.

Nun passt in den Firmenannalen so vieles schlecht zu einer Weltmarke mit Premium-Anspruch, dass man sich als VW-Fahrer fast schon aus Mitgefühl am liebsten volllaufen ließe. Man denke nur daran, wie alles begann: Fast zwölf Jahre musste Piëchs Opa Ferry warten, bis er endlich sein erstes Auto unters Volk bringen durfte – und das war nicht etwa ein Porsche, sondern ein technisch total veralteter Arme-Leute-Kraftloswagen mit 22 PS, der gemeinerweise als „Käfer“ verspottet wurde. Doch Piëch überließ den Sauf-Exzess zum Jubiläum anderen – und zwar nicht etwa dem Betriebsrat, sondern Technikern. Die schweißten mit Teilen aus dem Konzernbaukasten den garantiert durstigsten GTI aller Zeiten zusammen: ein Monster im Golfspelz, das mit den 650 PS seines 12-Zylinder-Biturbo-Motors selbst Ferraris und Carreras die Rücklichter zeigt. Beziehungsweise zeigen würde: Natürlich ist das Einzelstück fahrtüchtig, davon haben sich Manager auf der Teststrecke überzeugt. Aber bislang hat sich wohl keiner getraut, das Geschoss auszufahren: Seine exorbitanten Leistungsdaten, gesteht die Pressestelle auf Nachfrage, sind nur berechnet. Wie viel Sprit der GTl W 12-650 so weghaut, hat niemand getestet, auch der CO2-Ausstoß lässt sich also nur schätzen. In der Praxis allerdings wird der Wert ohnehin nahe null liegen: Das Projekt war von Anfang an nur ein Supersportwagen im Konjunktiv, ein Autoimmobil fürs Rampenlicht statt für die Straße.

So bekam PS-Junkie Piëch zu seinem 70. Geburtstag (und dem 25. des Golf GTI) einen auf wundersame Weise umweltverträglichen Beweis, dass einem Wolfsburger Inscheniör wirklich nichts zu schwör ist. Aber mit solchen Optimierungsexperten brächte er doch sicher auch den ultimativen Volks-Wagen des 21. Jahrhunderts hin: agil, komfortabel, geräumig und trotzdem sparsam und bezahlbar. Und wer weiß, vielleicht siegt bei dem Porsche-Enkel ja doch noch Altersweisheit über den Rausch der Geschwindigkeit.

Aus der Technology Review 7/2007, Kolumne FROITZELEIEN

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