Der Schalttag hat ausgedient – die Schaltwoche kommt. Warum nicht gleich die Himmelsrichtungen erneuern?
Der Wirtschaftsprofessor Steve Hanke aus Baltimore zählte 1998 bereits zu den 25 einflussreichsten Menschen der Welt. Jedenfalls tauchte er seinerzeit in einem Ranking des „World Trade Magazine“ auf, dessen Redakteure allerdings auch Führungskr.fte wie Klaus Zumwinkel (Post) und Kim Jong Il (Nordkorea) in ihre Auswahl der Super- Einflussreichen aufnahmen. Nun ja.
Jetzt will der Amerikaner es noch einmal wissen. Gemeinsam mit dem Astronomen Richard Henry eifert Hanke dem Papst Gregor nach, der sich anno 1582 mit einem Kalendervorschlag durchsetzte, obwohl dieser kleinere Schwächen enthielt. Deshalb will das Duo Hanke/Henry die gregorianischen Scharten nun auswetzen. Es hat den ersten wirklich immerwährenden Kalender erfunden, in dem jedes Datum seinen festen Wochentag besitzt.
Wie praktisch. Danach wäre ich für den Rest meines Lebens ein Sonntagskind. Auch Neujahr bliebe ab sofort bis in alle Ewigkeit auf den Sonntag fixiert. Zu Oster- und Pfingstsonn- und -montag würden sich im Kirchenjahr Weihnachtssonntag und Weihnachtsmontag gesellen. Ein Segen wäre die Reform für jene Ärmsten, die am Schalttag geboren wurden, ihre Geburtstagsparty also nur alle vier Jahre feiern dürfen. Laut hankehenryanischem Kalender könnten es die Schalttagsgeschädigten von nun an wie der alle Jahre krachen lassen, und zwar dienstags. Zum Auskurieren des Katers bekämen sie sogar einen neuen Tag geschenkt: Mittwoch, den 30. Februar. Denn der Monat der Zukunft hat grundsätzlich 30 Tage – bis auf den letzten Monat im Quartal, der hat 31.
Doch der neue Kalender kennt auch Verlierer. Hanke und Henry tilgen Millionen Menschen aus den Gratulationskalendern ihrer Freunde: Wer am 31. eines Januars, Mais, Julis, Augusts oder Oktobers das Licht der Welt erblickt hat, büßt seinen Tag ein. Dafür gibt es alle fünf, sechs Jahre eine Schaltwoche am Ende des Jahres – sozusagen XXL-Winterferien mit großer Silvestergala am 38. Dezember.
Unfug? Nein, eine grandiose Idee, die Schlampigkeit vom lieben Gott zu korrigieren. Der Herr hat uns als ewige Norm die Sieben- Tage-Woche hinterlassen, aber den Spin des blauen Planeten so schludrig berechnet, dass er seine Soll-Umlaufzeit von 52-mal sieben Tagen um 1,2422 Tage überzieht. Diese Fertigungstoleranz lässt sogar kirchliche Feiertage quer durch die Woche vagabundieren. Hier greift der kluge Öko nom Hanke dankenswerterweise zum Prinzip der kreativen Zerstörung, indem er das Rad der Zeit neu erfindet. Welch göttliches Konjunkturprogramm: Sämtliche Technik, die Datum-Chips enthält, wäre zu erset zen – von der Arm banduhr über Kamera und Handy sowie Auto mit Navi und Bordcomputer bis zum GPS-Satelliten.
Aber im Ernst: Wollen wir Neujahr und Weihnachten wirk lich so festtackern, dass es allein den Arbeitgebern frommt? Nein, das geht besser. Das 13. Gehalt gibt es schon, wir führen dazu den passenden Monat ein. Dann sind alle Monate gleich lang – exakt vier Wochen, 28 Tage. Der 1. ist immer ein Montag, das ist nicht nur bibelkompatibel (am siebten Tage sollst Du ruhn, nicht am ersten!), sondern auch arbeitnehmerfreundlich (Januar, Mai, im südlichen Deutschland auch November!).
Übrigens wollen Hanke und Henry auch die Zeitzonen abschaffen und eine Einheits-Weltzeit einführen. Warum hat ihr Tag dann noch 24 Stunden? Ich hätte gern zehn Stunden à 100 Minuten à 100 Sekunden! Und wenn wir schon alle Navi-Satelliten austauschen müssen, teilen wir bitte den Globus in je 100 Längen- und Breitengrade. Bei der Gelegenheit beenden wir noch schnell das Diktat des Nordens: Individualisten sollten ihren Kompass auch nach Süden oder Osten ausrichten dürfen.
Hmm, was lese ich da gerade in der Zeitung: Dass der Norden immer oben ist, steckt so tief in unseren Hirnen, dass eine Umkehrung uns in totale Verwirrung stürzen könnte? Das wäre bei der Kalenderreform vielleicht ähnlich. Aber da müssen wir durch. Wenn man die Weltläufte des Schaltjahres 2012 so betrachtet, ist eine Dosis zerstörerischer Kreativität genau das, was unseren Hirnen fehlt.
ULF J. FROITZHEIM ist der 30. Februar seit Jahren vertraut – als Wertstellungstermin auf seinen Kontoauszügen.
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