Gutes Klima für Wettertainment

Dass viele Bürger Wetter und Klima nicht mehr als gottgegeben erdulden, hat viel mit einem Wandel in den Medien zu tun – mit der erfolgreichen Popularisierung und Kommerzialisierung des Wissenschaftsthemas Meteorologie.

»Alle reden übers Wetter. Wir nicht«, warb die Bahn vor Jahren – und beschrieb damit auch sehr treffend die damaligen Medienformate der Meteorologen: Es konnte schütten, stürmen, schneien oder hageln, der Wetterbericht war und blieb knochentrocken. Er kam so abstrakt daher wie eine wissenschaftliche Abhandlung, ganz egal, ob das Publikum nur Bahnhof verstand. Zeitungen und Fernsehsender traktierten ihre Zuschauer und Leser mit Isobaren (also Linien gleichen Luftdrucks), Isothermen (Linien gleicher Temperatur), die eine Landkarte zur unübersichtlichen Wetterkarte machten. Amtlich-ernste Nachrichtensprecher verschreckten die Hörer mit Martialischem wie »Frontensystemen« und »Niederschlägen«. Bestenfalls langweilten die Sendeanstalten die »Teilnehmer« mit Segelflug-Wetterberichten oder mit Wasserstandsmeldungen, die meist nur ein Häuflein Binnenschiffer tangierten. Kurzum: Die Kommunikation des Themas Wetter verfehlte die Zielgruppe »normale Menschen«. „Gutes Klima für Wettertainment“ weiterlesen

Sprachlos

Fast 15 Millionen Menschen in Deutschland stammen aus Familien, in denen Deutsch eine Fremdsprache war oder ist. Nicht wenige entziehen sich dem medialen Mainstream per Satelliten-TV und Internet. Wer sie erreichen will, muss Zugang finden zu diversen Paralleluniversen – falls es denn den Aufwand lohnt.

Ein knappes Fünftel der deutschen Bevölkerung steht soziologisch gesehen vor einem »Migrationshintergrund«. Dieser politisch korrekte Sammelterminus verrät nichts über die so etikettierten Menschen. Der in Frankfurt geborene Deutschtürke landet ebenso in dieser Schublade wie der Asylbewerber aus Darfur und der im Rentenalter übergesiedelte Kasachstandeutsche. Dass jemand einen Migrationshintergrund hat, sagt nichts aus über seine tatsächliche Integration und seine Integrationschancen – also darüber, was Kommunikationsverantwortliche hierzulande tun können und müssen, um diese Menschen zu erreichen. „Sprachlos“ weiterlesen

Coca-Cola – weltweit auf Linie

coca-cola gilt als Musterbeispiel für standardisierte Markenbildung. Das gilt nicht nur die Rezeptur und die Werbung. Die größten coca-cola-Abfüller haben sich auf einheitliche Prozesse geeinigt und richten ihr Geschäft an einer mittels ARIS konstruierten Modellfirma aus.

Oft kopiert, nie erreicht – auf kein Markenprodukt passt dieser Spruch besser als auf Coca-Cola. Das Getränk aus den USA ist der Inbegriff für perfekte Produktstandardisierung: Obwohl der Konzern aus Atlanta die Herstellung des Weltgetränks an über 200 Abfüller mit vielen Standorten delegiert hat, kann sich die treue Kundschaft auf den Geschmack verlassen. Bis an den Rand der Zivilisation signalisiert das rot-weiße Logo: Coca-Cola ist Coca-Cola.

Verantwortlich dafür ist „das System“. So heißt im Insiderjargon der Verbund aus dem Stammhaus, The Coca-Cola Company in Atlanta und den selbständigen Regionalgesellschaften. „Das System“ arbeitet Hand in Hand. „Coca-Cola – weltweit auf Linie“ weiterlesen

Das umgedachte Unternehmen

Gute Software ist eine notwendige Voraussetzung für optimale Geschäftsprozesse, aber keine hinreichende. Nach den IT-Profis muss das gesamte Unternehmen lernen, in Prozessen zu denken. Das neue Leitbild ist die „Process Company“, deren arbeitsteilige Kultur auf ein neues, pragmatisches Miteinander baut – und auf Wandel als einzige Konstante.

Selbst Wirtschaftsstraftäter bewirken manchmal Gutes, wenn auch selten mit Absicht. Ohne die Skandale um die gefallenen Business-Illusionisten Bernie Ebbers (Worldcom) und Kenneth Lay (Enron) hätten sich die US-Senatoren Paul Sarbanes und Michael Oxley vermutlich nie zusammengetan, um ein Gesetz zu schreiben, das börsennotierten Unternehmen unerwartet strenge Vorgaben zum Finanzreporting macht. Ohne den weltweit spürbaren Druck dieses amerikanischen Gesetzes wiederum, des Sarbanes Oxley Act (oder kurz SOx), hätte sich auch mancher seriöse Konzern im vergangenen Jahrfünft wohl weniger intensiv Gedanken gemacht über die Sinnhaftigkeit und Qualität seiner Arbeitsabläufe. Wer mit Praktikern spricht, hört eines jedenfalls immer wieder: Die vermeintliche Not, sich um Themen wie „Compliance“ und „Governance“ kümmern zu müssen, schärfte den Blick für verkrustete Strukturen und Organisationsmängel, die sich als bewährte Praxis tarnten, und förderte die Besinnung auf unternehmerische Tugenden.

Ganz gleich, wie maßgeblich externe Katalysatoren wie SOx und Basel II im Einzelfall waren, der Trend ist unübersehbar: Unternehmen aller Branchen, und keineswegs nur die Großen, haben das Thema Geschäftsprozessmanagement auf der Agenda.

„Wir haben den Wendepunkt passiert“, freut sich Michael Hammer, seit 15 Jahren unermüdlicher Streiter für prozessorientierte Unternehmensführung. In den vergangenen fünf Jahren sei das Prozessdenken endgültig in den Mainstream eingeflossen, mittlerweile sei die kritische Masse erreicht. „Die Idee, dass durchgängige Prozesse die Chance bieten, sich durch überragende Leistung hervorzutun, ist weithin begriffen und akzeptiert worden“, sagt der Management-Vordenker aus Cambridge zufrieden, „Hunderte von Firmen schlagen daraus Kapital.“

Noch 2003 war eine solche Entwicklung für Hammer mehr Hoffnung als Gewissheit. Der Niedergang der New Economy und der immense Aufwand für Y2K-Projekte hatten den Appetit der Konzernvorstände auf Neuerungen, die scheinbar aus der IT-Ecke kamen, spürbar gezügelt. In seinem Buch „Business Back to Basics“ predigte der Prozess-Guru damals den Firmenchefs, sich in die Perspektive ihrer Kunden zu versetzen und ihren Betrieb konsequent danach auszurichten – soweit möglich unter Einbeziehung von Lieferanten und Abnehmern. Nachdem die Botschaft bei den Adressaten angekommen ist, geht es nicht nur nach seiner Einschätzung nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie.

Diese Frage hat es allerdings in sich. Sie berührt das berufliche Selbstverständnis von Menschen auf allen Hierarchieebenen, ihre Bereitschaft zu Umlernen und Flexibilität. Sie tangiert den akzeptierten Modus Vivendi zwischen IT und Fachabteilungen ebenso wie die Zusammenarbeit der klassischen Vorstandsressorts Finanzen, Personal, Marketing oder Vertrieb untereinander. Sie untergräbt im Interesse des gemeinsamen Erfolgs die Pfründe Mächtiger und impliziert den Willen, Verantwortung nach nüchternen Opportunitätskriterien umzuverteilen. „Die Veränderungen sind für manche Menschen ein kompletter Kulturschock“, warnt Theo van den Hurk, Prozess-Experte bei der niederländischen Bank ABN Amro. Wer als Firmenlenker seine Organisation am neuen Leitbild der „Process Company“ ausrichten will, kommt nicht umhin, den Nutzen des Wandels vor dem Hintergrund der gewachsenen Unternehmenskultur zu bewerten.

Wer in der realen Welt die ultimative Prozessfirma sucht, deren Erfolgsrezept er einfach kopieren kann, wird sich aber ohnehin schwertun. So haben zum Beispiel die Unternehmen, von deren bisherigen Erfolgen Michael Hammer besonders angetan ist, eher wenig gemeinsam – Shell und Hilti, Merck und Marriott, Pepsi und Tetra Pak. Und auch sie sind nach Ansicht des Prozess-Pioniers alle noch nicht am Ziel: „Niemand hat bisher alle Aspekte vollständig gemeistert.“ Selbst wenn es irgendwo gelänge, einen idealtypischen Musterbetrieb auf die grüne Wiese zu stellen, der wirklich alles zu 100 Prozent richtig macht, böte dessen Prozesslandkarte einem bestehenden Unternehmen wenig Orientierung – es sei denn, Geschäftsmodell und IT-Landschaft wären absolut deckungsgleich. Aber der Versuch, einem Unternehmen einfach vorgefertige Idealprozesse überzustülpen, widerspräche eh der Philosophie des Business Process Managements (BPM).

Björn-Erik Willoch, Skandinaviens führender Kopf in Sachen Prozessmanagement, warnt ausdrücklich vor einer technokratischen Herangehensweise. Die Einführung ausgereifter ERP-Systeme, die viele Routineprozesse äußerst produktiv automatisierten, habe viele Chefs dazu verleitet, sich zu sehr auf die Technik zu verlassen. „Diese Manager haben abgedankt“, wettert Willoch, „und ihre Verantwortung abgeschoben auf die Software.“ Inzwischen hätten sich aber die Bedürfnisse verschoben. Händeringend verlangten die Manager nun Flexibilität in den Prozessen, um besser auf sich wandelnde Kundenwünsche eingehen zu können. „Jetzt versuchen ihre IT-Leute verzweifelt, diese Anforderungen mit der existierenden Software in Einklang zu bringen.“ Dies sei, wenn es denn überhaupt gelinge, oftmals absurd aufwändig, denn vielerorts laufe im Hintergrund noch betagter Cobol-Spaghetticode.

Der schwedische Unternehmensberater fordert deshalb mehr IT-Kompetenz in den obersten Rängen des Managements – am besten in Form eines Chief Process Officers (CPO) im Rang eines Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers, der weiß, was SOA und Middleware sind und kontinuierlich dafür sorgt, dass die IT die geschäftlich nötigen Prozesse realisiert. „Ein Geschäftsprozess ist ein Aktivposten,“ argumentiert Willoch. Ergo müsse das Denken in Prozessen in der Chefetage genau so selbstverständlich werden wie der Umgang mit der Gewinn-und-Verlust-Rechnung.

Wolfram Jost sieht dies im Prinzip ähnlich. Am Ende einer längeren Entwicklung hält das IDS-Scheer-Vorstandsmitglied sogar einen „schleichenden Übergang“ zu neuartigen Geschäftsverteilungsplänen für denkbar: von den klassischen Managementressorts hin zu Vorständen, deren Verantwortungsbereiche nach End-to-End-Prozessen sortiert sind, welche jedoch nach Branche und Geschäftsmodell variieren. Erfolg verspricht für Jost eine pragmatische Evolution, nicht die Revolution: „Das wird niemand Knall auf Fall machen. Machtzentren darf man nicht so einfach zerstören.“

Selbst wenn die Akzeptanz des Wandels auf den unteren Rängen kein Problem wäre: Eine schöpferische Zerstörung der alten Strukturen, nach Joseph Schumpeter durchaus legitim, würde heute allein schon daran scheitern, dass für einen Neuanfang auf breiter Front gar nicht genug qualifizierte, geschweige denn erfahrene Führungskräfte auf dem Markt wären. Tatsächlich gehen sogar noch die Meinungen darüber auseinander, was ein aufstrebender Prozessmanager primär können muss. Zumindest innerhalb der gewachsenen Strukturen handelt es sich nämlich um einen Wandler zwischen den Welten, der erheblich mehr IT-Verständnis aufbringen muss als ein normaler Kaufmann und gleichzeitig besser als ein durchschnittlicher Informatiker in der Gedankenwelt der Betriebswirte daheim ist. „Das ist ein Job für Hybrid-Experten“, postuliert Jost.

Auch diese doppelt Qualifizierten sind aber auf Gesprächspartner angewiesen, die aktiv zuhören – und da sieht Björn-Erik Willoch noch eine große Aufgabe fürs Change Management. „Wenn man mit Topmanagern eine Prozesslandkarte für ihre Firma aufsetzen will, verlassen manchmal die ersten fluchtartig den Saal, sobald es droht, ein bisschen technisch zu werden“, stöhnt der als Ingenieur sozialisierte Consulter. Dabei vermeide er es bewusst, zu tief in die Details einzusteigen. Er versuche seinen Klienten nur klar zu machen, dass sie im Zeitalter Service-orientierter IT-Architekturen wiederverwendbare Funktionskomponenten nutzen können, die sich Lego-artig zu immer wieder neuen Geschäftsprozessen kombinieren lassen – eine Idee, deren Nutzen auf Effizienz bedachten Kaufleuten eigentlich sofort einleuchten müsste.

Die Unternehmen, deren BPM-Anstrengungen heute schon weit gediehen sind, haben die Kommunikations- und Akzeptanzhürden auf ganz unterschiedliche Weise geschleift. Der Metro-Konzern, der 2003 bei der Großverbrauchermarkt-Sparte Cash & Carry begonnen hatte, eine Prozessorganisation aufzubauen, bündelte seine Spezialisten in einer Tochterfirma; diese Metro Group Solution (MGS) versteht sich als Know-how-Pool und Prozess-Dienstleister. Wolfgang Welsch, Chef der MGS-Stabsabteilung „Governance & Services“, berät mit seinem interdisziplinären Team aus Kaufleuten und Informatikern die konzerninternen Abnehmer, also Manager der Handelsgesellschaften in den verschiedenen Ländern, die als „Process Owner“ quasi Kunden-Status haben. Die eigentliche Anwendungsentwicklung obliegt den Kollegen von der operativen IT-Division Metro Group Informatik.

Damit diese Art der Arbeitsteilung in den 30 Landesorganisationen gut angenommen wird, die von Düsseldorf aus betreut werden, bemüht sich Welsch, den involvierten Mitarbeitern zu zeigen, wie ihnen die Neuerungen konkret helfen, und sie nicht mit einem Wust eher sekundärer Veränderungen zu überfordern. „Zuerst muss man sich mit Prozessen beschäftigen, die für sich alleine eine signifikante Wertschöpfung bringen oder ein ärgerliches Problem lösen“, sagt Welsch. Ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor bei der Metro sei allerdings auch das „klare Management-Commitment“: „Wir haben eine sehr gute Unterstützung nicht nur von der Cash & Carry-Geschäftsleitung, sondern auch vom Vorstand der AG.“

Auch bei der Eon Energy Trading AG ist das Prozess-Management Sache eines Teams, das als Scharnier zwischen Geschäftsführung und IT fungiert. Sebastian Schlaf, der sich in München um „Prozessmanagement und SOA“ kümmert, ist Volkswirt; die Kollegen in seinem Team kommen allesamt aus ökonomischen Fachrichtungen, keiner aus der Informatik. „Die IT hat eine eingeschränkte Sichtweise auf die Geschäftsprozesse“, erklärt Schlaf, der nach eigenem Bekunden einen kurzen Draht zu den Softwareleuten pflegt. Es gebe auch Prozesse, die nicht mittels IT verbessert werden könnten.

Anders als bei vielen Unternehmen, die End-to-End-Prozesse quer durch die klassischen Funktionsbereiche realisieren wollen, geht es bei der für den Stromhandel zuständigen Eon-Tochter derzeit nur um Prozesse innerhalb bestehender Abteilungen. Das Change Management setzte deshalb bei den Führungskräften an: Process Owner – und damit Multiplikator – ist der jeweilige Abteilungsleiter. „Zuerst brauche ich die Aufmerksamkeit des Managements“, erklärt Schlaf, „dann muss ich die Mitarbeiter überzeugen, dass das, was wir da machen, auch ihnen Mehrwert bringt.“ Dies sei geglückt. Die Dokumentation der Prozesse – im Intranet jederzeit für alle einsehbar – habe den Weg zu sichtbaren Verbesserungen gewiesen, inzwischen sei die Prozessdenke in der Unternehmenskultur verankert.

Mitunter kommt es allerdings vor, dass die Überzeugungsarbeit etwas mühsamer ausfällt – etwa bei dem preisgekrönten Prozessmanagement-Projekt der ABM Amro. Einer der Knackpunkte war ein ineffizientes Risikomanagement, bei dem längst geprüfte Bonitätsdaten mehrfach nachgecheckt wurden. Der neue End-to-End-Prozess eliminierte überflüssige Doppelarbeit. „Die Verbesserungen waren eigentlich sehr offensichtlich für unsere Mitarbeiter“, sagt Theo van den Hurk, „das heißt aber nicht, dass alle das auch gewürdigt hätten. Nicht jeder mag den Wandel. Es mag auch nicht jeder grenzenlose Transparenz.“ Mit Trainings, in denen der neue Prozess Schritt für Schritt erklärt wurde, baute die BPM-Mannschaft schließlich Vertrauen in die Neuerung auf; auch das Vergütungssystem wurde anhand der Prozess-Ziele neu ausgerichtet.

Dass es schwer ist, allen Mitarbeitern die Idee zu vermitteln, dass in einem Prozess-orientierten Unternehmen nichts so beständig ist wie der Wandel, darin sind sich die Experten einig. Wer die Ängste kennengelernt hat, die das Neue manchmal auslöst, kann aber auch darauf eingehen: Auch bei BPM wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. „Der Boxenstopp bei der Formel 1 ist Prozessoptimierung par excellence“, erklärt IDS-Vorstand Jost, „aber er ist auch eine enorme Ressourcenverschwendung.“

Am Ende zählen die Zahlen: Eine nüchterne Prozessanalyse kann durchaus ergeben, dass eine traditionelle Abteilung aus dem berüchtigten „Funktionssilo“ sehr effizient arbeitet. Einfach tabula rasa zu machen, ist auch für Michael Hammer, den Erfinder des Business Process Reengineering, nicht Sinn der Sache: „Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden, der zu seiner Branche, seiner Kultur und seiner Strategie passt.“

 

2008 geschrieben für Scheer Magazin*

* Da die gedruckte Fassung Passagen enthält, deren Urheberschaft nicht eindeutig ist, steht hier das Originalmanuskript.

Code like a girl

Beim Stichwort Ästhetik denkt nicht jeder zuerst an Programmcode. Dabei haben erfahrene Software-Architektinnen und Software-Architekten einen sechsten Sinn für verborgene Schönheit. Sie erkennen mangelnde Qualität bereits an Äußerlichem: Was ihnen „hässlich“ erscheint, bewährt sich nicht.

Der Onlineshop „Modern Coder“ hat eine klare Zielgruppe: weibliche IT-Fachkräfte. Der typischen Software-Entwicklerin, die zu viel arbeitet und keine Ruhe hat für einen Einkaufsbummel, liefert der Versender kesse Klamotten frei Haus – T-Shirts und Sweatshirts in schicken Schnitten von gertenschlank bis ernährungstechnisch herausgefordert. Sich schön anzuziehen, ist für die Kundinnen aber nur ein Grund, bei „Modern Coder“ zu ordern. Der Clou an den Textilien ist der applizierte Text: „code like a girl“.

Der neofeministische One-Liner, der auch Accessoires von der Handtasche über Einkaufsbeutel und Kaffeepötte bis zum Bumper Sticker schmückt, wendet ein männliches Vorurteil gegenüber Frauen zum Vorbild: „Girl Code“, das neue Synonym für „schön“ geschriebene Programme, war ursprünglich eine Metapher mit gehässigem Unterton. Wer Code schreibt „wie ein Mädchen“, konzentriert sich nicht aufs Wesentliche, sondern glättet hier und striegelt da, bis auch das letzte Strähnchen richtig sitzt. Echte Männer haben es nicht nötig, auf die Ästhetik ihres Outputs zu achten. Sie sind effizient und pragmatisch, lassen Ecken und Kanten stehen und folgen der Devise: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ Wer da die tumben Machos aus Rich Tennants genialem Cartoon-Klassiker „Real Programmers“ vor Augen hat, ist also im richtigen Film. „Code like a girl“ weiterlesen