Rasen mit reinem Gewissen?

Ist der Elektroflitzer Tesla alltagstauglich? TR-Autor Ulf J. Froitzheim hat die Probefahrt aufs Exempel gemacht.

Ein Roadster ist kein Vernunftauto und ein 100 000-Euro-Zweisitzer natürlich ein Spielzeug für neureiche Angeber. Mit diesen Vorurteilen gewappnet, klettere ich – Inbegriff des unauffälligen VW-Kombi-Fahrers – in München in den knallroten Tesla. An diesem Vormittag werden die Leute mich für einen Großkotz halten.

Das Gefühl, etwas furchtbar Dekadentes zu tun, reicht bis zur dritten Ampel – etwa gleich weit, wie ich brauche, um mich mit den Eigenheiten des Akku-Autos vertraut zu machen.

Ausparken: Hat der denn keine Servolenkung? Nein, die macht das Auto schwer, und es ist ja ein Roadster. Ich drücke die R-Taste, prompt wirft die Rückfahrkamera den Bordcomputer aus dem Display. Die Weitwinkellinse hängt tief: So muss ein Dackel die Welt sehen. Taste D gedrückt, die Reichweitenanzeige kehrt zurück. Bremse gelöst – und los geht’s in Fahrradlautstärke.

Ab Ampel Nummer vier habe ich mich an die Rekuperation gewöhnt: Der Wagen rollt nicht aus, wenn man den Fuß vom Strompedal hebt, sondern nutzt den Dynamoeffekt zum Kraftrecycling. Er bremst, ohne dass ich bremsen muss – und das viel stärker als gedacht. Auf der A96 rollen wir mit Tempomat dahin, bei 100 Sachen macht nur der Wind Lärm. Der E-Motor säuselt. Als ein Audi-Rowdy hinter uns Druck macht, genügt ein kurzer Kick, um ihn in ein Betatier zu verwandeln. Aber Tesla-Fahrern wird es schnell langweilig, Q7er und 911er zu deklassieren.

In der Community gilt der etwas, der mit einer Ladung am weitesten kommt. Außerdem flitzt man, wenn man kein Zwerg ist, besser mit Mütze: Ab Tempo 120 wird’s stürmisch.

Zum Raser werde ich auf der Landstraße, ziehe am Stinkediesel-Pritschenwagen eines Lumpensammlers schneller vorbei, als ich im VW die Kupplung treten würde. Schlechtes Gewissen? Ach was, wir haben ja Ökostrom getankt. Und beim Überholen heißt Beschleunigung Sicherheit. Jetzt ist mir klar, warum manche Tesla-Käufer ihren als Zweitwagen gekauften Roadster als Erstwagen nutzen.

Erschienen in der Technology Review 8/2011

Beschränkte Freiheiten

Die Zeiten, als Konzerne sich akademische Spielwiesen leisteten, sind vorbei. Forscher in der Industrie genießen zwar noch Freiräume. Aber sie sollen die Welt zunehmend mit Kundenaugen sehen.

Das „PARC“ kann sein Alter nicht verleugnen. Ein Forschungszentrum mit einem solchen Kürzel ist unzweifelhaft ein Relikt aus dem 20. Jahrhundert – genauer gesagt aus der Blütezeit der IT-Industrie in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Und tatsächlich war das Palo Alto Research Center des amerikanischen Fotokopierer-Pioniers Xerox damals so etwas wie ein Park: eine Spielwiese für Wissenschaftsfreaks in den grünen Hügeln des Silicon Valley, ein Themengarten für Visionäre. Wer dort arbeitete, war keine drei Meilen entfernt vom Campus der gloriosen Stanford University, aber komfortable dreitausend Meilen von der biederen Konzernzentrale an der Ostküste.

In ihrem flachgelegten Elfenbeinturm unter kalifornischer Sonne ersannen die Firmenforscher lauter geniale Dinge. Sie waren allerdings ihrer Zeit so weit voraus, dass die Xerox-Chef-Kaufleute und Produktmanager auf der anderen Seite Amerikas damals etwa mit mausgesteuerten Computern und ihrer grafischen Benutzerführung nichts anzufangen wussten. Groß wurden mit solchen Innovationen andere. Zum Beispiel Steve Jobs, der im PARC die Inspiration für seinen Macintosh fand. Und Bill Gates, der seinen Megaseller Windows wiederum bei Jobs abschaute. „Beschränkte Freiheiten“ weiterlesen

Fitness für Faulpelze

Fühlen Sie sich zu träge? Gönnen Sie sich doch ein bisschen Atemnot!

Für Arbeit am Computer ist der Mensch genetisch nicht ausgelegt. Wenn die einzige Abwechslung, die uns aus dem täglichen Kampf gegen E-Mails und Excel-Tabellen reißt, die vermeintlich lustigen Powerpoint-Anhänge der Kollegen zu Themen wie Blondinen, Alkohol und Autos sind, reagiert ein gesunder Körper auf die Zumutungen mit spontanem Büroschlaf. Leider ist diese segensreiche Untätigkeit sozial noch wenig anerkannt. Deshalb bleiben wir krampfhaft wach und jammern, wenn uns die Müdigkeit übermannt, gern über Sauerstoffmangel. Im fensterlosen Konferenzraum glaubt einem diese Ausrede sofort jeder.

Jeder außer Markus Spiegelhalder. „Fitness für Faulpelze“ weiterlesen

E.T. in der Warteschleife

500 Millionen Erden rotieren im All, doch die USA knausern bei der Alien-Forschung.

Unser Mitgefühl gilt diesen Monat Professor Jill Tarter, der Frau, die Vorbild war für Ellie Arroway, Hauptfigur von Carl Sagans Science-Fiction-Epos „Contact“. Anders als ihrer literarisch-fiktiven Schwester war der echten Professorin bis heute kein Kontakt mit unbekannten Lebensformen vergönnt. Zeit ihres Berufslebens konnte die 67-jährige „Alien-Forscherin“ am kalifornischen SETI-Institut nichts tun, als in einem Gewirr hochfrequenter Wellen zu stöbern. Dummerweise war alles unbelebtes Rauschen, keine Spur einer noch so schüchternen Botschaft (Hallo?) außerirdischer Intelligenzen. Dabei kann doch jeder Erdling im Internet nachlesen, dass es am Himmel über Amerika nur so wimmelt von UFOs. Telefonieren die denn nie nach Hause?

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Rechnung an den Steuerzahler

Wenn’s drauf ankommt, verlassen sich die Entwickler neuer Technologien jedoch sehr gern auf die Politik – als ultimative Versicherung gegen unternehmerische Risiken. Das kann üble Folgen haben – nicht nur für die Steuerzahler, auch für die Firmen selbst.

George W. Bush hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass man ihn einmal in die linke Ecke stellen würde. „Lemon Socialism“ sei es, wie die US-Regierung auf die 2007 ins Rollen geratene Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert habe, ätzten Kommentatoren – also eine vermurkste quasi-sozialistische Politik, mit der die Kosten unternehmerischen Übermuts der Gesellschaft aufgehalst werden. Bushs Finanzminister Henry Paulson und die US-Notenbank retteten Banken, Hypothekenkassen und Versicherungen, weil sie ihnen zu wichtig schienen, um sie kaputtgehen zu lassen. Die Europäer verfuhren nach dem gleichen Muster, etwa Deutschland mit seinem Rettungspaket im Wert einer halben Billion Euro für Hypo Real Estate und Co. „Rechnung an den Steuerzahler“ weiterlesen