VG Wort: Hier wird nichts verschenkt

So schön es ist, dass mehr Kollegen das Urheberrecht für sich entdeckt haben, so schade ist es, dass manche von ihnen zu „meinem“ Thema fantasievolle Beiträge leisten, für deren Lektüre man – freundlich formuliert – einen robusten Humor braucht.

Wer männlich und 60plus (ein paar Monate) ist und keinen Migrationshintergrund hat, der ist was? Richtig, ein alter weißer Mann (AWM™). Wo dieses Stereotyp auftaucht, ist gemeint: Da ist jemand, der zum alten Eisen gehört und am besten die Schnauze hält, weil er – wenn auch unverschuldet – drei Eigenschaften in sich vereint, die ihn zumindest in dieser Kombination disqualifizieren. Das war anfangs durchaus lustig, weil ein paar meiner Altersgenossen durch ihre altväterlichen, arroganten, machohaften Sprüche intelligenten jungen Frauen (mit oder ohne dunkleren Teint) gute Gründe für den Stoßseufzer geliefert hatten. Franz Josef Wagner ist quasi der Prototyp des AWM, denn er bedient das Klischee des Kerls, der nicht mehr lernt und nicht mehr lernen will, in welcher Welt wir leben, ständig aufs Neue.

Rein formal bin ich natürlich auch ein AWM. Aber noch nie hat mich eine junge Frau so genannt. Bis zum Rentenalter (siehe Screenshot) muss ich noch fünfeinhalb Jahre arbeiten. Ich denke auch nicht, mich wagnerhaft benommen zu haben. Deshalb war ich in jeder Hinsicht überrascht, als mich neulich mein Kollege und Zeitgenosse Peter W. öffentlich so titulierte. Glaubt man seinen Tweets, bin ich nicht nur ein AWM, sondern sogar einer, der „das Geld der Autoren“ – meines, seines, Ihres? – den Verlegern schenkt und sich eine Zensur des Internets herbeiwünscht. Dass er mich nicht als Masochisten darstellt, der sich wie ein Flagellant täglich die Geißel über den Rücken zieht, ist alles.

Um das bemerkenswerte Kommunikationsverhalten des Kollegen W. einordnen zu können, sollte man wissen, dass er ein weißer Mann ist, aber noch nicht alt. Erst nächstes Jahr stößt er an die unsichtbare Grenze, die Alt von Jung trennt, diese Schallmauer mit der großen 60 drauf. Vielleicht will er das Stereotyp unbedingt noch benutzen, solange es für ihn noch nicht zu spät dafür ist. Kraft meiner frisch erworbenen Altersweisheit und eingedenk der weiteren Umstände tendiere ich indes zu der Einschätzung, dass W. ein verkannter Witzbold ist, einer mit Hang zur Selbstironie und skurrilem Humor. Otto Waalkes hat ja einst auch Ostfriesenwitze gerissen. „VG Wort: Hier wird nichts verschenkt“ weiterlesen

VG Wort: Rückblick und Dank

Sie ist mein Jahrgang, die VG Wort. Ich kam wenige Monate nach ihr zur Welt, Ende 1958. Als wir beide 40 waren, kam ich zu ihr, als Gremlin, wie Günther Jauch Gremienmitglieder zu nennen pflegt. 20 Jahre lang, ein Drittel meines Lebens, habe ich meine Kolleginnen und Kollegen ehrenamtlich in der Berufsgruppe 2 vertreten, der vor allem Journalisten und Journalistinnen angehören – zunächst als „Delegierter der Wahrnehmungsberechtigten“, dann 16 Jahre im Verwaltungsrat. Als Geste der Anerkennung hat mir der Vorstand am vorigen Freitag in München diese Silbermünze überreicht …

… und ich gestehe hiermit offen, dass ich sie gerne angenommen habe – wohl wissend, dass dies den nicht ganz unbekannten juristischen Fachautor M.V. auf die Idee bringen könnte, das Abschiedsgeschenk als einen Akt der Veruntreuung von Hellern und Pfennigen zu deuten, die zu 100 Prozent den wahrnehmungsberechtigten Urhebern zustehen und niemandem sonst.
Dass mir solche kruden Gedanken kommen – nicht, ob ich ein schlechtes Gewissen haben sollte, sondern ob ich mich durch die Annahme der Münze auf juristisch unsicheres Terrain begebe – ist eine der Nebenwirkungen, die dieses wichtige Amt* mit sich brachte. Die meisten Urheber haben ja keine Vorstellung davon, mit was für Leuten man es da im Lauf der Jahre zu tun bekommt. Deshalb möchte ich zum Abschluss meiner Amtszeit ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern.

Mehr über den Generationswechsel und warum ich der VG Wort noch mehr Mitglieder wünsche, lesen Sie weiter unten in diesem Blogpost.

Die Kunst, eine Vollmacht korrekt auszufüllen

Mit die schönste Erfahrung in meiner Zeit als Verwaltungsrat war, dass die überwältigende Mehrheit der Mitglieder uns Gremlins dafür dankbar war, dass wir uns für sie um die Dinge kümmerten. Dieses Vertrauen drückt sich beispielsweise dadurch aus, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen aus meinem Berufsverband, wenn man sie fragt, ob sie zur Mitgliederversammlung kommen, bereitwillig Vollmachten schicken und uns Aktiven die Arbeit überlassen. Ich hätte es zwar noch schöner gefunden, wenn sich ein paar mehr selbst aufgerafft hätten, statt einen Zettel auszufüllen. „VG Wort: Rückblick und Dank“ weiterlesen

Endspurt: Ja zum Urheberrecht, ja zu Europa!

Liebe Abgeordnete des Europäischen Parlaments,

es liegt jetzt an Ihnen. Beweisen Sie Weitblick! Widerstehen Sie der Versuchung, bei der Urheberrechtsnovelle populistisch zu entscheiden, aus der trügerischen Hoffnung heraus, sich mit einer Entscheidung gegen die Urheber die Stimmen der Generation Y(ouTube) oder I(nstagram) für die Europawahl am 26. Mai zu sichern! Es wäre naiv, zu glauben, dass diejenigen, die lautstark gegen die Richtlinie protestieren, zum Dank für Sie votieren, wenn sie morgen ihren Willen bekommen. Ob sich diese Leute überhaupt aufraffen würden, zur Wahl zu gehen, ist sogar eher zweifelhaft, denn von allgemeinpolitischer Reflexion oder gar tiefergehender politischer Bildung war rund um die Empörung über vorformulierte und geschickt lancierte „Aufreger“ leider nicht viel zu sehen in den Social Media.

Vielleicht haben Sie in der Süddeutschen Zeitung vom Samstag den sehr treffenden und überfälligen Kommentar meines Kollege Andrian Kreye gelesen („Ihr unterstützt datengierige US-Konzerne!„) oder vor einer Woche Heribert Prantls Wochenblick. Falls ja, nehmen Sie sich die Mahnungen bitte zu Herzen. Falls noch nicht, lesen Sie die Texte bitte jetzt (und nehmen sie sich zu Herzen). Und vergessen Sie all den Unsinn, den einige andere Redakteure und Autoren der SZ in den vergangenen Wochen in Unkenntnis der Zusammenhänge nachgebetet haben. Wenn Ihr Leib-und-Magen-Blatt die FAZ ist, sind Sie wahrscheinlich schon etwas länger gut informiert.

Ich appelliere an Sie in meiner Eigenschaft als altgedienter Technik- und Wirtschaftsjournalist, der sich mit Onlinemedien und IT-Firmen schon auseinandergesetzt hat, als das Wort „Internet“ in Deutschland noch unbekannt und das World Wide Web noch lange nicht erfunden war, und sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich mit dem Urheberrecht befasst. Unter anderem war ich auf Autorenseite Gründungsmitglied der Arbeitsgruppe „Metis“ in der VG Wort, die das Vergütungssystem für Texte auf Internetseiten auf die Beine gestellt hat. Seit längerer Zeit stehe ich zudem in ständigem Austausch mit Urhebern ganz anderer Disziplinen – von Komponisten über die Fotografin bis zur Bestsellerautorin – und einschlägigen Fachleuten. Kurz gesagt: Im Gegensatz zu vielen Menschen, die sich seit vorigem Sommer zu meinungsstarken öffentlichen Äußerungen berufen fühlen, kenne ich die Thematik aus all ihren Perspektiven.

Im Vorfeld der entscheidenden Abstimmung möchte ich noch einmal die viel zu selten hinterfragte Absurdität der Argumentation hervorheben, mit der die Gegner versuchen, Sie von einem Ja zur Richtlinie abzuhalten oder abzubringen. Neudeutsch spricht man ja von „Narrativen“, die in die Welt gesetzt wurden. Gemeint sind damit freilich Dinge, die man früher als Legenden oder Märchen bezeichnet hätte. Noch treffender wäre es, von kampagnentauglichen Sprachregelungen zu reden, denn dann kommt man nicht mehr der Frage aus, wer weshalb wessen Sprache regelt.

Entscheiden Sie also bitte morgen richtig, nämlich für den ausgehandelten Kompromiss, und erklären Sie im vor Ihnen liegenden Wahlkampf sachlich, offen und ehrlich, warum Sie sich so entschieden haben! Hier meine Zusammenfassung der Knackpunkte:

Das Zensur-Argument gegen Artikel 17 (13)

„Endspurt: Ja zum Urheberrecht, ja zu Europa!“ weiterlesen

Artikel 13, die Foren und was Angstmacherei bewirkt

Die EU-Parlamentarier bekommen zur Zeit einiges an Offenen Briefen. Einer stammt von einem Bündnis von deutschen Forenbetreibern, die sich offensichtlich von der auf Youtube, Instagram & Co. gemünzten Definition in Art. 2 Abs. 5 der Urheberrechts-Richtlinie für betroffen halten. Der Aufruf trägt den Titel „Rettet eure Internetforen – gegen Art. 13“, so als sei es jetzt noch möglich, an dem zur Abstimmung anstehenden Kompromiss noch zu schrauben. Nein zu Art. 13 heißt Nein zur Richtlinie. Unter den Unterzeichnern befinden sich Webmaster kleiner und kleinster Foren. Die schönsten Beispiele:

Sie alle scheinen von kollektiver nackter Panik erfasst zu sein. Da die aktuelle Richtlinie schwer zu finden ist und noch immer nicht in Deutsch vorliegt, habe ich den entscheidenden Absatz mal in DeepL gekippt. Hier ist der Wortlaut:

Art. 2 (5)

„Online-Dienstanbieter für die gemeinsame Nutzung von Inhalten“ ist ein Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, dessen Hauptziel oder eines der Hauptziele darin besteht, eine große Menge urheberrechtlich geschützter Werke oder anderer geschützter Gegenstände, die von seinen Nutzern hochgeladen werden, zu speichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die er aus wirtschaftlichen Gründen organisiert und fördert. „Artikel 13, die Foren und was Angstmacherei bewirkt“ weiterlesen

Artikel 11 für Dummies

Wer diese Seite liest, hat wahrscheinlich einen Link auf Facebook oder Twitter angeklickt und möchte wissen, was es mit den drei furchtbar schrecklichen Artikeln der EU-Richtlinie zum Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt auf sich hat. Hier geht es um Artikel 11, also das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, dort um Artikel 12 und unter diesem Link um Artikel 13.

Was Artikel 11 nicht bewirkt: eine Link-Tax

Wen Artikel 11 nicht betrifft: normale User

Wen Artikel 11 betrifft: Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren, die mit ihren Algorithmen automatisch journalistische Texte finden und Auszüge daraus anzeigen

Worum es nicht geht: das Anklicken von Links zu Medien-Websites zu be- oder verhindern, wie es das Schlagwort von der Linksteuer fälschlicherweise suggeriert

Worum es geht: das Anklicken von Links zu Medien-Websites nicht durch Textauszüge überflüssig zu machen, die bereits das Wesentliche des Inhalts vorwegnehmen – so wie die vergrößerten Vorschaubilder in der Google-Bildsuche dazu führt, dass die User nur noch einen kleinen Teil der angezeigten Seiten aufrufen

Warum das Leistungsschutzrecht Urhebern nicht schadet: weil es sich schlimmstenfalls als nutzlos erweist und daher keine zusätzlichen Einnahmen bringt

Warum das Leistungsschutzrecht Urhebern vielleicht sogar nützt: weil die Richtlinie vorsieht, dass die Verlage ihre Autoren an den Erträgen beteiligen