Lauffs Leviten lesen!

Es ist viiiieeelll Text, den Werner Lauff uns zum Jahreswechsel zumutet, aber jeder Medienmensch sollte sich die Zeit für seinen medienjährlichen Rück- und Ausblick nehmen – vor allem die Führungskräfte der Branche. Lauff hat buchstäblich alles, was in der Medienwelt derzeit abgeht, analysiert, sortiert, strukturiert, in den Zusammenhang gestellt. Die Einzelfakten kennt man, aber hier wird das große Bild sichtbar.

Pflichtlektüre! (bei Kress.de)

„Die Verantwortung spüren

…Ein Ereignis wird binnen Stunden zum dominierenden Thema. Danach bleibt es wochenlang in den Schlagzeilen, wobei jede Sekundärmeldung – eine These, eine Forderung, ein Gerücht – recht zu sein scheint. Von einem Tag auf den anderen verschwindet das Thema dann wieder in der Versenkung, als sei der Fortgang der Angelegenheit kein Wort mehr wert…

…Der Wettbewerb um Nachrichten ist so groß, dass zum Nachdenken kaum Zeit bleibt. Die meisten Redaktionen sind mit zu vielen Themen befasst und können weder Erfahrung noch Expertenwissen abrufen. … Journalisten werden permanent zum Verdichten animiert. Doch viele Hochrechnungen auf tiefere Absichten oder gar Strategien, die auf diesem Weg zustande kommen, liegen weit neben der Sache. Die häufigsten Probleme sind assoziative Fehlschlüsse, Fehlgewichtungen von Anlass oder Äußerungsmodus sowie elementare Unkenntnis über die Historie, die Zusammenhänge und die Interessen der handelnden Personen. …

Viele dieser oberflächlich zustande gekommenen Artikel in Nachricht-Kommentar-Feature-Mischform können fatale Auswirkungen haben. Sie können blutige Reaktionen hervorrufen. Sie können Wirtschaft und Währung in Gefahr bringen. …“

Kundenjagd im World Wide Web

Mit keinem anderen Medium lassen sich potenzielle Kunden besser aufspüren und Werbebotschaften treffsicherer platzieren als per Internet. Online-Marketing ergänzt TV- und Printwerbung, statt sie zu verdrängen – noch.

Für zerstreute Zeitgenossen können die Tricks der modernen Online-Werber recht praktisch sein. Wer zum Beispiel beim Stöbern in einer Billigflugbörse gestört wurde und den PC heruntergefahren hat, kann heute fast darauf warten, dass ihn das Gerät am nächsten Tag an sein Vorhaben erinnert. Auf einer ganz anderen Website, die er womöglich noch nie besucht hatte, springt ihn dann ein blinkendes Werbebanner an. Und das wirbt nicht etwa abstrakt für irgendeine Fluggesellschaft, sondern ganz konkret für Sonderangebote auf der zuletzt ausgewählten Strecke: „München–Düsseldorf ab 49 €“. Ein Klick genügt, und man steht wieder mittendrin im virtuellen Reisebüro. Beim Shopping passiert das Gleiche. Hat man sich in einem Onlineladen nach einer Kamera oder nach Sportschuhen umgeschaut, stolpert man plötzlich überall im Netz über Reklame für Fotoapparate oder Sneakers, und natürlich sind es exakt die Marken, die der Noch-nicht-Kunde schon in der engeren Wahl hatte.

Dass der Computer zu wissen scheint, was seinen User interessiert oder wonach dieser sucht, ist weder Einbildung noch Zufall. Die zuvor besuchten Server haben ihm diese Informationen eingetrichtert, ohne den PC-Besitzer um Erlaubnis zu fragen. „Kundenjagd im World Wide Web“ weiterlesen

SZ verschenkt Medienseite

„Auch diese Themenseite wird wieder ganz sinnlos sein.“

Wunderbar wahrer Einstiegssatz des Beitrags „Im Land der verseuchten Begriffe“ von Tobias Kniebe auf der heutigen Medienseite der Süddeutschen Zeitung.

SZ-Medienredakteur Christopher Keil hatte sich in den Kopf gesetzt, mittels fünf Texten – verfasst von ihm selbst, dem Kollegen Kniebe, Heyse-Tochter Katharina Riehl, Martin Zips und Roger Willemsen – zu ergründen, warum das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht besser ist. Dabei hat er lediglich gezeigt, wie unterschiedlich die Erwartungen an das Fernsehen sind. Die Autoren sind sich selbst nicht darin einig, was Qualität, Kultur und Unterhaltung überhaupt sind. Ergebnis: Eine ganze Zeitungsseite ohne neue Erkenntnis, ohne Perspektive, ohne Sinn.

Hysterichia coli? Kripo!

Was noch mehr gelitten hat in den letzten Wochen als die Gesundheit der Deutschen ist die ihres Menschenverstandes. Den kann man nach alledem, was da gedruckt und gesendet wurde, nur als schwer infiziert betrachten.

Der späte Ruf nach der Kripo lässt immerhin hoffen, dass die Denkapparate wieder ihre Funktion aufnehmen. Na endlich! Was war denn bitte so ungewöhnlich an der Idee, bei einem gravierenden Tötungsdelikt die Polizei zu rufen?

Es handelt sich um fahrlässige Tötung in mehr als 20 Fällen und schwere Körperverletzung in Hunderten Fällen. Der eigentliche Serienkiller ist zwar ein Bakterium, aber er findet seine Opfer durch Menschen, die Spuren hinterlassen. Das war daher ganz klar ein Fall für die „Spusi“, die Spezialisten von der Spurensicherung, und für gestandene Kriminalisten. Deren Job besteht ja erst in zweiter Linie darin, die Täter dem Staatsanwalt zu übergeben. Ihre oberste Aufgabe besteht darin, die Bürger zu schützen und weitere Todesfälle zu verhindern. Die Unterstellung, dass Landeskriminalämter dies noch schlechter machen würden als die Lebensmittelaufseher, kann man getrost als grundlose Verunglimpfung der Polizisten ansehen.

Die Indizien, dass Sprossen aus Bienenbüttel verseucht waren, „Hysterichia coli? Kripo!“ weiterlesen

Kriminelle Wirtschaft

Das Wort „Wegwerfgesellschaft“ klingt noch viel verstörender, wenn man diesen Film gesehen hat. Qualität ist manchen Unternehmen nicht einfach nur egal. Zum Teil wird die Lebensdauer künstlich reduziert, damit die Verbraucher öfter nachkaufen müssen.

Nur schaue ich nicht regelmäßig Arte, darf mich also nicht beschweren. Aber die Sendezeit ist doch ein Hammer:

Kaufen für die Müllhalde
Donnerstag 24. Februar 2011 um 03.25 Uhr
Keine Wiederholungen
(Frankreich, 2010, 75mn)
ARTE F