Warum ein Apple-Chef „Diesel“ hieß

Michael Spindler: Dynamischer Diesel

Portrait aus der Reihe "Macher, die Sie kennen sollten"

highTech 1/1991


Sich ihn zum Gegner zu machen, erforderte schon immer eine gehörige Portion Courage. Dazu die Bereitschaft, seine Karriere gegebenenfalls ab sofort außerhalb des Unternehmens fortzusetzen. Wo er auftaucht, gibt es keine Kompromisse. Bulldozer nennen sie ihn – teils respektvoll, teils hämisch – weil er im Zweifelsfall die Opposition schlichtweg niederwalzt. Freunde dürfen »Diesel« zu ihm sagen.

Freunde? Böse Zungen aus dem Umfeld der Apple Computer Inc. halten es für schlichtweg unglaublich, dass dieser Mann überhaupt Freunde hat. Doch Michael H. Spindler scheint das egal zu sein. »Mike« hat es geschafft, hat das langgehegte Ziel seiner Wünsche erreicht: nach zehn Jahren im Management – teils in Paris, teils in der Zentrale – endlich an der Spitze von Apple zu stehen.

Für die amerikanische Wirtschafts- und Klatschpresse war die Berufung des europäischen Energiebündels an die Seite von Apple-Chairman und Chief Executive Officer John Sculley ein gefundenes Fressen. »Business Week« und »Fortune« widmeten dem deutschen Dynamo, der den ausgebremsten Apple-Karren wieder auf Touren bringen soll, breiten Raum auf ihren Seiten. Spindler ist Weltbürger, und wenn er eine Heimat hat, dann heißt sie Business: In den letzten fünfzehn Jahren verbrachte der Berliner mehr Zeit im Ausland als in Old Germany. Französisch und Englisch beherrscht er wie seine Muttersprache.

Sind Sympathiebekundungen für den Menschen Michael Spindler auch rar gesät, für den Manager Michael Spindler haben selbst Widersacher anerkennende Worte parat. Ums Nettsein geht es ja auch nicht, steht Apple doch vor der größten Herausforderung seit Bestehen des Unternehmens: Aus dem US-Geschäft ist die Luft raus, Apples laienfreundliche Software ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr, seit Microsoft ähnliche Programme für Wald-und-Wiesen-PCs anbietet.

Das ehemalige Garagen-Unternehmen aus Cupertino braucht dringend neue Rezepte, um seinen Umsatz von mehr als fünf Milliarden Dollar gegen immer kompetentere Wettbewerber zu verteidigen. Chairman John Sculley setzt hierbei voll auf den Deutschen, der zuvor schon in Europa und Asien steile Wachstumskurven zuwege gebracht hatte.

»Mike ist ein Mann, der sehr gut rüberbringen kann, was er von seinen Leuten erwartet«, erinnert sich ein ehemaliger deutscher Apple-Marketier an »Diesels« erste Amtszeit als Chef der Pariser Europazentrale – von 1980 bis 1985. »Wenn er kam, musste man zwei Quadratmeter Flipchart frei haben, damit er malen konnte.« Spindler ist ein Marketingstratege von der harten Sorte. Kreativ, motivierend, bisweilen theoretisch, in der Sache fordernd, gnadenlos schnell – so erleben ihn seine Untergebenen, dabei immer eisern erfolgsorientiert. Er sei ein Macher, kein Visionär, charakterisiert ihn ein ehemaliger Mitstreiter aus der Zeit von Apple-Gründer Steven Jobs: »Er hat ein feines Gespür für generelle Strömungen, die von oben kommen, wittert Trends, springt als erster auf, setzt sich vehement an die Spitze.« Der Bulldozer bewies dabei stets eine bemerkenswerte Wendigkeit. Eine Strategie, die er gestern noch massiv verfochten hat, kann morgen schon vergessen sein.

Apples neuer Star – President, Chief Operating Officer (COO) und Member of the Board of Directors – hat allerdings eine Schwäche: So sehr es ihm liegt, neue Konzepte bei den Mitarbeitern durchzupeitschen, so wenig ist Spindler ein Verkäufer. »Ich habe ihn nie bei Kunden gesehen«, bedauert ein früherer Vertriebsmanager, »da hatte Mike immer Scheu. « Aber eins hat er wohl verdammt gut drauf: Entwicklern, die ein Produkt so lange perfektionieren, bis es gar keinen Markt mehr hat, tritt er eiskalt in den Hintern.

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