„Maßstab Mensch“ nannte sich einmal eine Fernseh-Sendereihe, die sich kritisch mit der verbesserungswürdigen Ergonomie von Computern auseinandersetzte. Inzwischen gibt es Softwareentwickler, die diesen Maßstab wirklich anlegen. Statt die Arbeit so umzuorganisieren, daß der Mensch mittels gegebener Technik produktiver arbeitet, bilden sie die traditionelle Arbeit im Büro bis ins kleinste Detail im Computer nach.
Neuestes Beispiel dafür ist die elektronische Umlaufmappe, die zum Eckstein für Bürosysteme der Zukunft werden soll. Was da unter dem Projektnamen Office Process Migration, Integration and Disposition (Prominand) im Rahmen des europäischen Informationstechnik-Programms Esprit von der bundeseigenen Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG) in Ottobrunn bei München entwickelt wurde, klingt denkbar einfach: Mit „Prominand“ kann der deutsche Bürokrat „alles das machen, was man von der herkömmlichen Umlaufmappe kennt: eine Aufmerksamkeit erheischende Notiz anheften, Anhänge einfügen, in einem Stapel vergraben, auf Wiedervorlage legen, mit Verfügungen einem weiteren Mitarbeiter zur Bearbeitung des nächsten Schrittes schicken“.
Freilich beschränkt sich die Software nicht nur auf die Funktionen, die noch aus der Zeit der Ärmelschoner bekannt sind. Prominand ist gleichzeitig ein cleverer Bürobote. Das Programm findet selbständig den jeweils nächsten Empfänger der Umlaufmappe heraus, legt zum Beispiel den Urlaubsantrag unverzüglich dem Chef vor oder – wenn der gerade nicht da ist – seinem Vertreter. Das einzige, was die Software vorher lernen muß, ist die organisatorische Struktur der Abteilung sowie der übliche Arbeitsablauf.
Die Sachbearbeiter finden in diesem papierlosen Büro von morgen alle vertrauten Gegenstände wieder: Sie können Postausgangskörbe durchwühlen oder sich Formulare auf den elektronischen Schreibtisch holen. Prominand ist sogar für solche Büros ausgelegt, in denen die Ausnahme die Regel ist. So können während der Arbeit an einem Vorgang andere Aufgaben schnell dazwischengeschoben oder Bearbeitungsschritte übersprungen werden. Obwohl die Ursprünge des Produkts in der Organisationsberatung für Ministerien liegen, hält die IABG Prominand für absolut markttauglich. Es soll über spezialisierte Softwarepartner vertrieben werden. Entwicklungsleiter Bernhard Karbe sieht jedenfalls keinen nennenswerten Unterschied zwischen der Vorgangsbearbeitung beim Staat und in der Privatwirtschaft: „Bei den Banken und den Verwaltungen in der Industrie läuft das auch nicht viel anders als in einem Ministerium.“
UJF
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