Ron Sommer kann die Probleme des rosa Riesen nicht länger kaschieren.
Ungewohnt bescheiden zeigt sich derzeit die Telekom-Führungsriege. Der neue T-Systems-Chef Christian Hufnagl freute sich bei seinem ersten großen Auftritt Anfang des Monats schon darüber, dass dem größten deutschen IT-Dienstleister mit Henkel, Debitel und Viag Interkom drei wichtige Großkunden nicht davongelaufen sind. Genauso kleinlaut gesteht Mobilfunk-Boss Réné Obermann, das erste Jahr mit WAP als „Lernphase“ abzubuchen. Und Marketing-Vorstand Detlev Buchal räumt ein, „der Mobilfunk kannibalisiert teilweise das Festnetz. “
Die Katerstimmung nach dem Kaufrausch der vergangenen zwei Jahre ist kein Wunder: Von den vier Säulen, die nach der Vorstellung des Konzernchefs künftig den Umsatz tragen sollen – Festnetz, Handynetz, IT-Service und T-Online – steht nicht eine auf festem Fundament. Neu ist nur: Ron Sommer & Co. geben es zu, statt weiter große Töne zu spucken.
Besonders prekär ist die Situation im Mobilfunk. Die enormen Zinsen für die UMTS-Lizenz, der Aufbau der Netzinfrastruktur sowie der Einstieg in den USA (Voicestream) und England (One20ne) reißen so tiefe Löcher in die Kassen, dass die Internationalisierung auf halber Strecke stecken bleibt. Adieu Frankreich, Spanien, Italien?
Auch im Festnetz hat die Marktentwicklung die Planungen der Telekom zu Makulatur werden lassen. Jahrelang spielten Sommer und sein Netz-Vorstand Gerd Tenzer beim Verkauf der Kabelfernsehnetze auf Zeit. Erst sollte T-DSL, der Breitbandzugang
zum Internet per Monopol-Telefonleitung, gepusht werden – was Marketingchef Buchal zu gründlich gelang: Seine Leute sitzen auf einem Berg von fast einer halben Million unerledigter Aufträge. T-Installateure schieben Überstunden, Modemhersteller kommen mit der Produktion nicht nach, Privatkunden müssen sich auf ein halbes Jahr Wartezeit einstellen. Gleichzeitig muss Kollege Tenzer zähneknirschend zugeben, dass der Verkauf des Kabelfernsehnetzes stockt. Grund: Die anvisierten Käufer, regionale TV-Kabel-Firmen, bekommen die benötigten Kredite nicht – das Geld haben die Banken bereits an Telekom, Vodafone, Mobilcom & Co ausgezahlt – für UMTS.
Selbst wenn die Anbieter von breitbandigen Multimedia-Inhalten die Netze ihr Eigen nennen könnten – sie erreichen so bald kein nennenswertes Publikum. So geht es auch Thomas Holtrop von T-Online. Dem neuen Boss der vierten Säule sind die Hände gebunden. Holtrop würde gern verstärkt multimedialen Content anbieten, denn
mit dem nackten Online-Zugang lässt sich in Zeiten der Flatrate kein Gewinn erwirtschaften. An Inhalten verdienen kann er jedoch erst, wenn die Reichweite stimmt. Und da klaffen Welten zwischen Marketing und Wirklichkeit: 90 Prozent der Ortsnetze sollen Ende 2001 fit für T-DSL sein. Das hört sich gut an. Problem ist nur, dass die Installateure bis dahin höchstens drei Prozent der Kunden mit den neuen Hochleistungs-Modems ausstatten können.
Reichweitenprobleme hat auch T-Systems-Boss Hufnagl. Der Manager sieht Expansionschancen bei Business-to-Business-Marktplätzen im Web. Außer Chemplorer, einem Projekt in Zusammenarbeit mit der chemischen Industrie, hat die Telekom-Tochter jedoch noch nichts Vorzeigbares zu bieten.
UJF
Erschienen in BIZZ 3/2001
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