Sie sind, wie fast jeder, zu jung oder zu alt? Macht nichts, in der Web-Wirtschaft merkt das niemand.
Der Personaler an sich kennt ja nur die Unterscheidung zwischen zu jung (unter 30) und zu alt (über 35). Die Insassen der ersten Denkschublade haben sich nach der Summa-cum-laude-Promotion mit 23 gefälligst erst einmal in unbezahlten Praktika zu verdingen; die der zweiten verlangen viel mehr Geld, als sie wert sind, und kommen deshalb nur noch für Geschäftsführerposten in Frage. Ständig befinden wir uns also in Situationen, in denen wir allen Grund haben, uns entweder älter oder jünger zu wünschen. Ich selbst würde sogar mein Wunschalter in eine öffentlich zugängliche Datenbank eintippen, wenn dies Amerikas Spam-Unholde endlich davon überzeugen würde, mich nicht mehr mit Werbung für V I_AgrA zu langweilen. Dazu bräuchte ich nur einen Zahlendreher in mein Geburtsjahr ’58 einzubauen.
Tatsächlich schreitet die Alterskosmetik im Web schon vehement voran. Ein Beispiel dafür ist Graf Oliver von W., ein als Bürgerlicher geborener Mensch mit Open-BC-Job-Deskription „Vorstandsvorsitzender“.
Der gelernte Werbekaufmann dichtete über die angeheiratete Sippschaft eigens einen Wikipedia-Beitrag, um sich darin selbst zu verewigen, allerdings künstlich gealtert um fünf Jahre – seine knapp 26 echten Lenze waren für die vielen Statiönchen seiner Vita einfach zu wenig.
So wie sich die Jugend im Online-Reich die Erfahrungen zusammenfantasieren kann, die nötig sind, um ernst genommen zu werden, können aber auch wir Präsenioren unser Los verbessern. Wir sind sogar im Vorteil: Wir können einfach per Cut-and-Paste das Vorzeigbare herauspicken und den Rest im digitalen Papierkorb verschwinden lassen. Und ein faltenarmes Archivbild hat jeder von uns.
Auffliegen könnten wir natürlich im Bewerbungsgespräch von Angesicht zu Angesicht, aber die Festanstellung ist eh eine aussterbende Beschäftigungsform. Und so könnte es sein, dass all die jungen und alten Schummler und Trickser der Menschheit einen Dienst erweisen – weil wir vielleicht eines Tages nicht mehr nach unserem Alter taxiert werden, sondern nach der Leistung. Dann wird der alte Cartoon mit dem websurfenden Hund („On the internet nobody knows you’re a dog“) mit einer Heesters-Karikatur neu aufgelegt: „Im Internet weiß niemand, dass du ein Greis bist.“
Aus der Technology Review 11/2006, Kolumne FROITZELEIEN
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Schade, daß ich 2006 noch nicht TR-Abonnent war. Aber nachdem ich jetzt die Quelle der einzig archivwerten TR-Artikel gefunden habe, werde ich mein Abo kündigen. Sie haben mir die letzten Monate gefehlt.